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Christopher Whyte – Die stumme Sängerin

AutorChristopher Whyte
TitelDie stumme Sängerin
OriginaltitelThe Cloud Machinery
ÜbersetzerHanna van Laak
Seitenzahl367
VerlagFischer
ISBN978-3-596-16315-1
Bewertung

Inhalt
Venedig, 1761: Vor sieben Jahren ist der adelige Theaterbesitzer Alvise Contarini während einer Vorstellung ermordet worden, nun endlich wurden die Erbstreitigkeiten geschlichtet.
Der neue Besitzer plant, das Teatro Sant‘ Igino so schnell wie möglich wieder zu öffnen und stellt dazu Ansaldo Limentani ein, der die Leitung übernehmen soll.
Doch das Theater umgibt ein Geheimnis, denn es ist nicht völlig verlassen, denn zwei Gestalten sind dort mehrfach gesichtet worden.
Unterdessen ist der Naturphilosoph Andreas Hofmeister auf der Suche nach dem Magier Goffredo Negri und einer jungen Frau, die etliche Jahre zuvor aus Neapel verschwunden ist…

Meine Meinung
Die stumme Sängerin ist einer der Romane, die ich mir wahrscheinlich nicht genauer angeschaut hätte, wäre er mir nicht aus zweiter Hand zugefallen. Und so habe ich ihn kürzlich vorgenommen, als ich ein schnelles Buch für zwischendurch gesucht habe, an das ich ohne Erwartungen herangehen konnte.
Der historische Hintergrund des Romans ist eigentlich recht interessant, denn es wird einiges über das Theater und die Oper des 18. Jahrhunderts in Italien vermittelt, sei es der Aufbau der Bühne mit seinen Maschinerien, Information über die Kastratensänger oder einfach nur, wie das Theater von vielen Besuchern wahrgenommen wurde, nämlich als Bühne, um sich selbst zu präsentieren. Allerdings sind diese Informationen eher beiläufig enthalten, Beschreibungen, insbesondere zur Wolkenmaschine, einer bestimmten Art der Bühnenmaschinerie, kratzen an der Oberfläche, so dass man sich ohne Vorwissen viele Dinge nur schwer vorstellen kann.
Die Handlung, die in diesen Hintergrund eingebettet ist, konnte mich schon zunächst interessieren. Zwar ist der Aufbau recht ungewöhnlich gestaltet, da immer mehr und mehr Charaktere eingeführt werden und zudem ständig zwischen diesen hin- und hergesprungen wird, so dass ich bis weit in das Buch hinein noch kaum eine Vorstellung hatte, worum es gehen sollte. Zudem bestehen manche Kapitel fast nur aus wörtlicher Rede, und es werden viel zu viele Dinge beschrieben, die für die weitere Handlung völlig unwichtig sind, wie beispielsweise eine Prozession durch die Pfarrgemeinde, die zu Beginn immer wieder aufgegriffen wird. Hätte der Autor auf einige unwichtige Nebencharaktere und Beschreibungen verzichtet, so wäre der Roman an sich möglicherweise um einiges verständlicher.
Dennoch war es spannend, zu erleben, wie innerhalb weniger Tage nicht nur ein Ensemble angeworben wird, sondern zusätzlich noch mehrere Opern einstudiert werden sollen. Dabei steht natürlich immer die Frage im Raum, wie Contarini Jahre zuvor umgekommen ist. Und auch der zweite Handlungsstrang, die Suche nach Goffredo Negri, schien nicht uninteressant zu sein, auch wenn die Verbindung zunächst unklar ist. Spätestens nach den ersten einhundert Seiten hatte ich hier einen netten Musikroman mit einem Krimianteil erwartet.
Doch etwa ab der Mitte des Buches driftet der Roman durch okkulte Praktiken ins Fantasygenre ab, eine Entwicklung, die vorher durch nichts erkennbar war, nicht durch die Aufmachung des Buches, auch nicht durch den Klappentext oder eine irgendwie geartete Kennzeichnung, selbst in den wenigen Rezensionen, die ich zu dem Buch finden konnte, wird es nicht erwähnt. Und es handelt sich hier nicht um Kleinigkeiten, sondern große, handlungsbestimmende Themen: Echte Magie wie Nekromantie, Verbannung in andere Sphären, diverse Verzauberungen, Beschwörung von Naturgewalten sind nur einige Beispiele. Somit wird aus dem wörtlichen Deus ex Machina, also dem Erscheinen eines Gottes durch eine Theatermaschine, ein sprichwörtlicher.
Dies ist schade, denn dadurch wurde die Spannung, die zuvor aufgebaut wurde, völlig zerstört, logische Erklärungen braucht man von nun an nicht mehr zu erwarten.
Wie schon erwähnt erscheint auf den doch eher wenigen Seiten eine große Anzahl an Charakteren, was ein hohes Maß an Konzentration erfordert, denn ständig werden neue eingeführt, was zur Folge hat, dass die meisten der vorgestellten Figuren blasse Abziehbilder ohne Persönlichkeit bleiben, nur wenige stechen heraus. Insbesondere der Cembalist Domenico soll hier genannt werden, der unverschuldet in die Armut geraten ist und nun von Limentani als musikalischer Leiter angeworben wird. Domenico ist, obwohl er recht spät eingeführt wird, die tragende Figur des Romans, die letzten Endes unbewusst für die Verbindung der Handlungsstränge sorgt. Er ist ein recht sympathischer junger Mann, der seine Homosexualität verbirgt, um einer Strafe zu entgehen. Nur wer ihn kennt weiß von seiner sexuellen Ausrichtung.
Hier entwickelt sich auch eine Liebesgeschichte, die für den Verlauf des Romans wichtig ist, aber nicht im Detail beschrieben wird.
Zusatzmaterial ist leider überhaupt nicht vorhanden, dabei hätte es mich schon interessiert, was den Autor zu diesem Roman inspiriert hat, und auch ein musikalisches Glossar hätte nicht geschadet.

Fazit
Das war nichts. Zunächst völlig verwirrend, zwar kurzzeitig spannend, dann aber völlig absurd, mit einer Auflösung, die keine Erklärung erfordert, weil hier Magie im Spiel ist. Auf so etwas kann ich bestens verzichten.