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Rebecca Gablé – Der König der purpurnen Stadt

AutorRebecca Gablé
TitelDer König der purpurnen Stadt
Seitenzahl960
VerlagBastei Lübbe
ISBN3-404-15218-2
Bewertung

Inhalt
London, 1330: Jonah Durham ist Lehrling im Betrieb seines Vetters Rupert Hillock, einem Mitglied der Londoner Tuchhändlergilde, doch insbesondere Ruperts Frau Elizabeth sieht in ihm eine Bedrohung. Einzig seine Großmutter zeigt ihm auf ihre eigene Weise ein wenig Zuneigung.
Doch die Beziehung zwischen Meister und Lehrling verschlimmert sich nach dem Tod von Jonahs Großmutter beträchtlich, so dass auch die Londoner Gilde einer Auflösung des Lehrvertrags zustimmen muss. Insbesondere einer zufälligen Begegnung mit dem König und seiner flämischen Frau hat der junge Händler es zu verdanken, dass er schon bald zu Erfolg gelangt. Doch Rupert hat noch eine Rechnung mit ihm offen…

Meine Meinung
Jonah Durham ist kein einfacher Mensch. Durch seine verschlossene Art und sein düsteres Aussehen erweckt er nicht viele Sympathien bei seinen Mitmenschen, mir selbst hat seine Darstellung aber sehr gut gefallen. Nicht immer konnte ich seine Aktionen gutheißen, doch wird er dadurch, dass er auch mal nicht ganz so angenehme Dinge tut, lebendig. Weniger überzeugend fand ich dagegen, dass Jonah in seinem Leben wirklich viel Glück hat, viel mehr, als es bei Gablés anderen Protagonisten der Fall ist, die schon ausgesprochene Glückspilze sind. Bei ihm verläuft das Leben weniger als ständiges Auf und Ab, stattdessen geht es fast nur nach oben. Kleinere Rückschläge sind in kurzer Zeit überstanden, Probleme schnell aus der Welt geschafft, und selbst große Tragödien spielen nur kurz eine Rolle. Solch ein kometenhafter Aufstieg gepaart mit so viel Glück erscheint mir dann doch eher unglaubwürdig.
Schon recht früh wird klar, wer Freund und wer Feind ist. Einzelne Personen kann man sogar einschätzen, bevor sie überhaupt erstmals aufgetreten sind, nur anhand deren Reputation. Dennoch wird die Beziehung, in der sie zu Jonah stehen, immer begründet und beruht nicht ausschließlich auf persönlicher Abneigung. Auch das Ende war für mich doch sehr vorhersehbar.
Trotzdem konnte ich diesen Roman kaum aus der Hand legen und habe ihn in nur drei Tagen gelesen, bei knapp 1000 Seiten kein Kinderspiel. Mal sind es kleinere Abenteuer, mal der Ausgang eines neuen Vertrags, mal gesponnene Intrigen von Jonahs Konkurrenten, die mich an das Buch gefesselt haben. Langeweile kam überhaupt nicht auf, obwohl der Roman etwa 19 Jahre umspannt.
Da es sich bei der Hauptperson um einen Händler handelt, wird in diesem Roman der politische Schwerpunkt auf die Wirtschaftspolitik Edwards III. gelegt. Andere Bereiche werden zwar auch gestreift, aber oft mit wirtschaftlichen Überlegungen in Verbindung gesetzt. Dies fand ich sehr interessant, wird dabei doch anschaulich beschrieben, wie kurzfristig manchmal doch gedacht wurde. Dabei sind diese Betrachtungen einfach dargestellt, sie nehmen auch keinesfalls überhand und sind gut in die Handlung eingebettet. Einzig zu Beginn des Romans gibt es einen Informationsblock über den Aufbau der Londoner Gilden, der nur dadurch nicht aufgesetzt wirkt, dass einer jungen Auszubildenden die Situation geschildert wird. So jedoch ist auch dies sinnvoll in die Geschichte eingebunden.
Es hat mich sehr gefreut, in diesem Roman immer wieder auf Gervais of Waringham und Geoffrey Dermond zu treffen, zwei Personen, die im anschließend spielenden, aber zuerst geschriebenen Roman Das Lächeln der Fortuna eine wichtige Rolle spielen.

Fazit
Ich gebe es zu: Ich liebe die Romane von Rebecca Gablé. Trotz der Mängel möchte ich dem Roman volle Punkte geben, weil einfach das Verhältnis zwischen Unterhaltung und vermittelter Geschichte stimmt.
Empfehlen möchte ich das Buch all denjenigen, die sich für englische Geschichte interessieren und Wälzern gegenüber nicht abgeneigt sind.

Dagmar Trodler – Die Tage des Raben

AutorDagmar Trodler
TitelDie Tage des Raben
SerieWaldgräfin Band 3
Seitenzahl544
VerlagBlanvalet
ISBN3-442-36601-1
Bewertung

Achtung: Diese Rezension enthält kleinere Spoiler zu Die Waldgräfin und Freyas Töchter!

Inhalt
England, 1070: Nachdem Alienor und Erik erkennen mussten, dass es für sie keinen Platz im Svearreich, Eriks Heimat, gibt, zieht es die junge Familie nach England. Dort regiert seit einigen Jahren Guillaume, zuvor Herzog der Normandie, in dessen Diensten Erik früher stand.
Doch in England angekommen müssen sie erleben, wie grausam die Normannen in einigen Gegenden wüten und die Bevölkerung unterdrücken. Besonders in Yorkshire, wo große Landstriche verwüstet sind, gestaltet sich das reine Überleben schwieriger als erwartet, denn Nahrung ist Mangelware. Und so zieht es Erik bald zurück in Guillaumes Dienste.

Meine Meinung
Dieser letzte Band der Trilogie schließt nahezu nahtlos an den Vorgänger an, fällt jedoch im Vergleich stark ab.
Die Entscheidung, nach England auszuwandern, ist nachvollziehbar, schließlich hat Erik gute Aussichten, in Guillaumes Dienste eintreten zu können. Doch warum zieht es die junge Familie ausgerechnet dorthin, wo das Überleben am schwierigsten ist und wo die Normannen erst zuschlagen und dann nachfragen? Diese Entscheidung ist in meinen Augen eher unlogisch.
Auch andere Dinge haben mir so gar nicht gefallen. So trifft Alienor schon sehr früh im Buch auf einen Mann, von dem sie nur wenig später erfährt, dass ihr bisheriges Leben eine Lüge ist und dass sie gar nicht die ist, die sie zu sein glaubt. Dies spielt im späteren Verlauf des Romans immer wieder eine Rolle, kommt mir aber in der Situation doch an den Haaren herbeigezogen vor. Warum muss hier der Stammbaum geändert werden? Und warum trifft sie ausgerechnet auf den einen Mann in England, der etwas über ihre Vergangenheit wissen kann?
In England erkennt Erik bald, dass er ein Krieger und nicht für die Landwirtschaft geschaffen ist. Und so zieht es ihn zu Guillaume, was ja auch ein Grund für die Auswanderung nach England war. Doch warum muss Alienor ihm immer wieder hinterher reiten, die Kinder im Gepäck? Hat sie aus ihren Erfahrungen nichts gelernt? Mich hat es schon bald sehr gestört, dass sie sich und ihre Liebsten dadurch immer wieder in Gefahr bringt. Langsam ist es doch auch mal genug!
In diesem Band kommt ein mystisches Element hinzu: Ein Rabe sucht Alienor immer dann auf, wenn Gefahr droht. Dadurch erklärt sich zwar der Titel, doch warum er überhaupt vorkommt, ist mir schleierhaft.
Manches Mal kann Alienor, die Ich-Erzählerin dieses Buches, auch richtig nerven, wenn sie mal wieder erzählt, dass sie ohne Erik nicht leben kann oder zum wiederholten Mal ohnmächtig wird. Oder wenn sie Götter oder Heilige anfleht, obwohl sie fest davon überzeugt ist, dass ihr doch niemand hilft. Allerdings ist dies hier wesentlich seltener der Fall als in den ersten beiden Bänden.
So schlecht, wie es diese ganzen Kritikpunkte erscheinen lassen, ist dieser Roman dann aber doch nicht. Die Geschichte ist spannend und konnte mich über weite Strecken fesseln. Immer passiert etwas, Leerlauf und Zeit, zur Ruhe zu kommen, gibt es kaum, und selbst wenn es mal Ruhephasen gibt, sind diese kurzweilig beschrieben. Die Sprache ist stellenweise sehr poetisch, was sogar mir aufgefallen ist, während ich doch normalerweise über solche Dinge hinweg lese.
Wie bei den Vorgängern gibt es auch hier wieder einige Sätze in anderen Sprachen, zu Latein, Nordisch und Altfranzösisch ist jetzt auch Angelsächsisch hinzugekommen. Diese werden in einem Glossar übersetzt. Waren es aber in Freyas Töchter noch ganze zwölf Seiten, kommt Die Tage des Raben mit der Hälfte aus, was wesentlich weniger anstrengend zu lesen ist.

Fazit
Leider konnte mich dieser Roman nicht vollständig überzeugen, zu viele kleinere Zufälle und nicht ganz logische Handlungen haben mir den Spaß an der eigentlich sehr spannenden Geschichte genommen. Trotzdem ist der Abschlussband der Trilogie immer noch sehr gut lesbar. Wer wissen will, wie es mit Alienor und Erik ausgeht, sollte sich diesen Band ruhig anschauen.

Dagmar Trodler – Freyas Töchter

AutorDagmar Trodler
TitelFreyas Töchter
SerieWaldgräfin Band 2
Seitenzahl512
VerlagBlanvalet
ISBN978-3-442-36182-3
Bewertung

Achtung: Diese Rezension enthält kleinere Spoiler zu Die Waldgräfin!

Inhalt
Schleswig, 1066: Nur knapp konnten Alienor von Sassenberg und ihr Geliebter Erik, Königssohn aus dem Svearreich, dem Grafen von Sassenberg entkommen. Nun planen sie einen Neuanfang in Eriks Heimat.
Doch schon die Reise dorthin erweist sich als schwieriger als geplant, ist Alienor doch schwanger und Erik von Zweifeln darüber geplagt, wie er wohl empfangen werden wird. Seine Sorgen sind nicht unbegründet, denn in seiner Heimat wartet eine Verlobte auf ihn, außerdem ist Alienor als Tochter eines Grafen eine Frau weit unter seinem Stand.
Schon bald zeigt sich, dass seine Sorgen nicht unbegründet sind. Doch Eriks Freund Gisli Svensson und seine Schwester Sigrun stehen Alienor in schweren Zeiten zur Seite…

Meine Meinung
Wie schon im ersten Band wird die Ich-Erzählerin Alienor als Kind ihrer Zeit dargestellt. Sie ist sehr christlich-religiös geprägt, doch ihre Erlebnisse und das Leben in dem heidnischen Schweden lassen sie an der Existenz Gottes zweifeln. Immer wieder gerät sie in Konflikte, die mit dem Glauben zu tun haben und die noch weitreichende Folgen nach sich ziehen. Dennoch gefällt sie mir hier besser als noch in Die Waldgräfin, ist sie doch längst nicht mehr so weinerlich, und auch einen Teil ihrer Ängste hat sie hinter sich gelassen. Zwar tut sie auch hier einige Dinge, die nicht gründlich durchdacht erscheinen, doch konnte ich ihre Beweggründe meist verstehen.
Religion spielt auch in diesem Roman eine sehr große Rolle, schließlich ist dies die Zeit eines großen Umbruchs. Viele Svear halten noch am alten Glauben fest, doch viele fühlen sich auch zum Christentum hingezogen. Und so ist der Konflikt zwischen beiden Gruppierungen im späteren Verlauf des Romans ein wichtiges Thema. Wie es häufiger der Fall ist, kommt ein Roman in einem solchen Fall nicht ohne die Darstellung von Gewalt aus. Dies ist hier nicht übermäßig übertrieben dargestellt, doch so, dass das Grauen spürbar ist.
Habe ich mich beim ersten Band noch über diverse Logiklöcher geärgert, konnte ich hier zu meiner Freude keine feststellen.
Die Darstellung der Liebesbeziehung in diesem Band hat mir sehr gefallen: Die erste Verliebtheit ist vorbei, es stellt sich ein Alltag ein, der mehr oder weniger Schwierigkeiten aufweist, auch kommen erste Zweifel auf. Kann die Liebe den Alltag überleben? Dennoch ist die Geschichte nicht langweilig, immer passiert etwas, auch wenn es dadurch gelegentlich zu größeren zeitlichen Sprüngen kommt. Allerdings gerät Erik durch den Alltag, der ihn häufiger von Alienor trennt, meiner Meinung nach ein wenig zu sehr in den Hintergrund, so dass dann auch der Bruch, der unweigerlich erfolgen muss, gar nicht so viel Gewicht zu haben scheint.
Wie schon im ersten Band gibt es auch hier viele Sätze und einzelne Begriffe aus anderen Sprachen, in diesem Fall Altnordisch und Latein, die im Anhang übersetzt werden. Da keine Seitenzahlen angegeben sind, kann dies zu einer längeren Suche führen, weshalb ich es gelegentlich vorgezogen habe, einfach einen Satz nicht nachzuschlagen. Dies ist schade, denn es wäre sicher kein allzu großes Problem, gelegentlich Seitenzahlen einzufügen, damit man zumindest einen Anhaltspunkt hat.

Fazit
Ein guter zweiter Band der Trilogie, bei dem die Liebesgeschichte ein wenig in den Hintergrund rückt. Für Leser des ersten Bandes unbedingt zu empfehlen!

Diana Norman – Tochter der Insel

AutorDiana Norman
TitelTochter der Insel
OriginaltitelDaughter of Lîr
ÜbersetzerElfriede Fuchs
Seitenzahl583
Verlagdtv
ISBN978-3-423-20001-1
Bewertung

Inhalt
Anjou, 1142: Im Kloster Fontevrault wird ein irisches, etwa sechsjähriges Mädchen abgegeben, das fortan als Schwester Boniface im Kloster lebt und bald in der Hierarchie aufsteigt .
Als einige Jahre später eine Anfrage an den Papst ergeht, eine Äbtissin für das Kloster Kildare in Irland zu benennen, fällt die Wahl auf Boniface, die allerdings nichts mehr mit Irland verbindet.
In dem fremden Land angekommen ist wenig so, wie sie es sich vorgestellt hat, so dass sie bald versucht, Reformen umzusetzen. Als sie sich aber in Dinge einmischt, die sie nichts angehen, nimmt Dermot von Leinster, der Hochkönig, schreckliche Rache.

Meine Meinung
Schon lange habe ich keinen Roman mehr in der Hand gehabt, der sich so zäh lesen ließ wie dieser.
Dies lag weniger am Inhalt als an dem Schreibstil, möglicherweise in Kombination mit der Übersetzung. Statt neutral zu berichten, was passiert, werden die Geschehnisse interpretiert und erklärt, und das aus der Sichtweise des 20. Jahrhunderts. Immer mal wieder gibt es Informationsblöcke, in denen erklärt wird, wie denn das 12. Jahrhundert so war, statt es einfach zu zeigen. Hier werden auch Wörter genutzt, die ich nie erwartet hätte, wie „krass“ oder „Belegschaftsbesprechung“. Solche Wörter haben meiner Meinung nach in einem historischen Roman, der im Mittelalter spielt, absolut nichts zu suchen! Auch die Benennung einer Gruppe von Frauen als „Hexen“ passt meiner Meinung nach einfach nicht.
Der Satzbau ist nicht gerade einfach gehalten. Dabei sind es nicht nur verschachtelte Sätze, die ins Auge fallen, sondern auch gelegentlich fehlende Satzteile, die dazu geführt haben, dass ich einzelne Absätze mehrfach lesen musste.
Ein mäßiger Schreibstil wäre noch zu ertragen, wenn die Geschichte dann wenigstens noch spannend wäre.
Inhaltlich ist der Roman schon interessant: Einer Äbtissin wird etwas Schlimmes angetan, woraufhin sie sich gegen ihren Peiniger wendet und sich für die irische Unabhängigkeit einsetzt.
Leider hat mich die Umsetzung so gar nicht überzeugen können.
Zu Beginn war mir die Hauptfigur aufgrund ihrer Taten und Entscheidungen sehr unsympathisch, was sich dann später nur wenig gelegt hat. Sie wird nur oberflächlich beschrieben, Gedanken und Gefühle finden kaum Erwähnung. Und so kann ich auch die Liebesgeschichte, die zwar wenig Raum einnimmt, aber immer wieder unterschwellig erwähnt wird, nicht nachvollziehen. Die Gefühle müssen ja wirklich sehr stark sein, wenn der Mann immer wieder erwähnt wird, doch davon konnte ich im gesamten Roman wenig finden.
Auch die anderen Charaktere in diesem Roman bleiben oberflächlich beschrieben, nicht eine Person konnte ich mir so richtig vorstellen. Dabei gibt es sehr viele Personen, deren Namen zum Teil schwierig auszusprechen sind. Hier hätte ich mir ein Personenregister mit Angabe der Clanzugehörigkeit gewünscht, da ich doch gelegentlich damit durcheinander gekommen bin, wer zu welcher Gruppe gehört.
Die wirren politischen Verhältnisse Irlands und der Weg der Insel in die Abhängigkeit von England werden hier glaubwürdig dargestellt, auch wenn einige Beschreibungen schon durch den Erzählstil eine sehr subjektive Färbung erhalten.
Andere Dinge wie Scathags Schule konnte ich mir dagegen nur sehr schwer im mittelalterliche Irland vorstellen, zu modern und zu feministisch ist diese Einrichtung beschrieben.

Fazit
Leider konnte mich dieser Roman so gar nicht überzeugen. Zwar finde ich die Geschichte selbst gar nicht mal uninteressant, die Umsetzung ist aber sehr zäh. Schade, da wäre mehr drin gewesen.

Rebecca Gablé – Hiobs Brüder

AutorRebecca Gablé
TitelHiobs Brüder
SerieHelmsby Band 2
Seitenzahl909
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-16069-3
Bewertung

Inhalt
England, 1147: Von Mönchen weggesperrt und von der Außenwelt abgeschnitten, leben sie auf einer Insel: Männer mit körperlichen und geistlichen Gebrechen, die von der Außenwelt nicht selten als besessen angesehen werden. Unter ihnen sind auch der Normanne Simon de Clare, der unter Fallsucht leidet, die zusammengewachsenen angelsächsischen Zwillinge Wulfric und Godric sowie Losian, ein normannischer Edelmann ohne Erinnerung an sein früheres Leben.
Als eine Sturmflut über die Insel hereinbricht und die Palisaden niederreißt, können die Überlebenden aufs Festland entkommen. Von nun an sind sie auf der Suche nach einem Ort, wo sie willkommen sind. Doch dies erweist sich als schwerer als gedacht, denn das Land ist vom Bürgerkrieg erschüttert…

Meine Meinung
Bisher ist es eher selten vorgekommen, dass ich in historischen Romanen über Menschen mit Behinderungen gelesen habe, und noch seltener, dass es sich bei diesen um die Hauptpersonen handelt. Umso spannender fand ich da den Beginn dieses Romans, bei dem gleich mehrere Männer, die durch ihre Andersartigkeit von der Gesellschaft ausgestoßen wurden, im Mittelpunkt stehen. Dabei sind sie alle unterschiedlich, selbst ein Psychopath und Mörder befindet sich in dieser Gruppe. Doch es dauert nicht allzu lange, bis klar wird, dass zwei Mitglieder dieser Gesellschaft besondere Beachtung finden und die anderen eher Nebenrollen spielen. Losians Gedächtnisverlust ist zwar zunächst ein zentrales Thema, gerät dann aber nach und nach in den Hintergrund, im gleichen Maße, in dem sein früheres Leben ihn einholt. Ebenso wird die Gemeinschaft immer unwichtiger, während sich das Leben der beiden Hauptpersonen normalisiert.
Wer schon andere historische Romane von Rebecca Gablé kennt, weiß, dass Politik dort eine nicht zu verachtende Rolle spielt. Und so ist dies auch hier der Fall. Eine Einführung in die Situation, in der sich England gerade befindet, erhält der Leser in dem Moment, in dem sich auch Losian von seinen Mitgefangenen über die Außenwelt aufklären lässt – ein geschickter Zug, da so die ersten Hintergrundinformationen recht kompakt übermittelt werden. Zusätzliche Informationen werden nach und nach geliefert, in kleinen Dosen, so dass der Informationsgehalt überschaubar bleibt und nicht überfordert. Dabei nimmt die Politik aber nie so viel Raum ein, wie es beispielsweise in Das zweite Königreich oder Das Lächeln der Fortuna der Fall ist. Die Anzahl an Personen bleibt verhältnismäßig klein und überschaubar, so dass das Register der historischen Personen zwar hilfreich, aber im Gegensatz zu anderen Romanen der Autorin nicht zwingend notwendig ist.
Ungewöhnlich ist die Liebesgeschichte, die sich schon ziemlich früh entwickelt und dann weitreichende Folgen hat. Diese Entwicklung hat mir ehrlich gesagt nicht ganz so gut gefallen, weil sie einfach recht weit hergeholt wirkt, schaut man sich die Umstände an. Zwar lässt sich die Einstellungen der Beteiligten durch das Erlebte erklären, ist aber trotzdem weit davon entfernt, normal zu sein und der Zeit zu entsprechen.
Ein mystisches Element gibt es auch hier, wobei nicht ganz klar wird, ob es sich tatsächlich um ein solches handelt oder es aber eine natürliche Erklärung gibt.
Bei dem Buch handelt es sich um eine indirekte Fortsetzung zu Das zweite Königreich. Es ist nicht notwendig, diesen Roman vorher gelesen zu haben, aber durchaus hilfreich, um einige Zusammenhänge, auch in Bezug auf diverse Verwandtschaftsgrade, besser nachvollziehen zu können.

Fazit
Wieder einmal ein sehr gut lesbarer Roman von Rebecca Gablé, der sich aber durch die Personenkonstellationen doch irgendwie von ihren anderen Romanen unterscheidet. Mir hat dieser Roman nicht ganz so gut gefallen wie die anderen Romane der Autorin, die ich bisher kenne, dafür war mir das mit der Liebesgeschichte im Mittelteil einfach zu viel. Trotzdem konnte er mich wieder sehr gut unterhalten.