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Margaret Frazer – Die Magd

AutorMargaret Frazer
TitelDie Magd
OriginaltitelThe Servant's Tale
ÜbersetzerAnke Grube
SerieSchwester Frevisse Band 2
Seitenzahl347
VerlagEcon
ISBN3-612-25057-4
Bewertung

Inhalt
England, 1433: Als Gaukler in der Weihnachtszeit einen schwerverletzten Mann unter seinem umgekippten Wagen finden, bringen sie ihn ins nahegelegene Kloster. Schnell wird klar, dass der Leibeigene seine Hand nie mehr benutzen können wird. Seine Frau Meg, die im Kloster als Magd arbeitet, ist verzweifelt, weiß sie doch nicht, wie sie ihre Familie nun ernähren soll.
Doch in der Nacht stirbt der Mann, und während der ältere Sohn die Gaukler für den Tod des Vaters verantwortlich macht, ist der jüngere geradezu fasziniert von ihnen.
Plötzlich sterben weitere Menschen. Hatte der ältere Sohn doch Recht, sind die Schausteller gefährliche Leute? Schwester Frevisse ermittelt.

Meine Meinung
Dieser historische Krimi ist der zweite Band einer Reihe um Schwester Frevisse, einer Nonne, die gerne ihre Nase in Dinge hineinsteckt, die sie nichts angehen. Den Vorgänger kenne ich nicht, doch ist dies für das Verständnis auch nicht weiter wichtig. Es gibt zwar ein paar Anspielungen auf den ersten Band, und auch die Charakterisierungen der übrigen Nonnen fallen hier recht knapp aus, was daraufhin deuten könnte, dass sie im ersten Band ausführlicher beschrieben sind, doch abgesehen davon scheint es nicht weiter wichtig zu sein, diesen zu kennen.
Dafür, dass dieser Krimi mit knapp 350 Seiten eher dünn ist, sind die Personen recht gut ausgebaut. Insbesondere Schwester Frevisse, über deren Vergangenheit, die ihre Entscheidungen stark beeinflusst, man ein wenig erfährt, aber auch die Gaukler und Meg, die Frau des Verstorbenen, sind gut beschrieben. Nicht immer sind sie sympathisch, insbesondere mit den Schauspielern konnte ich wenig anfangen, doch wurden die meisten Personen trotz der Kürze sehr menschlich dargestellt.
Wie häufig bei historischen Krimis verläuft auch dieser sehr gemächlich. Ein Großteil des Kriminalfalls spielt sich erst in der zweiten Hälfte des Buches ab. Die Auflösung erfolgt entsprechend ziemlich knapp.
Diese Einteilung gefällt mir allerdings nicht so sehr, also eine Hälfte Einleitung mit Vorstellung der Charaktere und der Ausgangssituation, eine Hälfte Kriminalfall, Ermittlung und Aufklärung. Dadurch wird der erste Teil doch eher langweilig, der zweite dagegen viel zu knapp und komprimiert.
Dazu kommt, dass ich schon sehr früh eine Ahnung hatte, wer hinter den Morden stecken könnte, und diese hat sich dann auch am Ende bestätigt. Die falschen Fährten konnten mich nicht in die Irre führen, wodurch dann noch weniger Spannung aufkam.
An zwei Stellen im Buch führen die Gaukler Schauspiele auf. Diese werden ziemlich genau beschrieben, mitsamt sich öffnender Vorhänge und Pausenfüllern. Doch so, wie sie beschrieben sind, dürften die Stücke jeweils nur wenige Minuten gedauert haben und kaum den Aufwand Wert gewesen sein, dafür eine Bühne aufzubauen. Hier wäre es möglicherweise besser gewesen, auf eine solch genaue Beschreibung zu verzichten und dies der Fantasie des Lesers zu überlassen, denn so wirkt es nur wie ein Seitenfüller.

Fazit
Erst ein wenig zu langweilig, in der zweiten Hälfte zu schnell, dann noch die Seitenfüller und eine Auflösung, die mir schon beim ersten Todesfall klar war… Dieser Krimi konnte mich nicht überzeugen, und so werde ich die Reihe, die im Englischen immerhin 17 Bände umfasst, nicht weiter verfolgen.

Rebecca Gablé – Der König der purpurnen Stadt

AutorRebecca Gablé
TitelDer König der purpurnen Stadt
Seitenzahl960
VerlagBastei Lübbe
ISBN3-404-15218-2
Bewertung

Inhalt
London, 1330: Jonah Durham ist Lehrling im Betrieb seines Vetters Rupert Hillock, einem Mitglied der Londoner Tuchhändlergilde, doch insbesondere Ruperts Frau Elizabeth sieht in ihm eine Bedrohung. Einzig seine Großmutter zeigt ihm auf ihre eigene Weise ein wenig Zuneigung.
Doch die Beziehung zwischen Meister und Lehrling verschlimmert sich nach dem Tod von Jonahs Großmutter beträchtlich, so dass auch die Londoner Gilde einer Auflösung des Lehrvertrags zustimmen muss. Insbesondere einer zufälligen Begegnung mit dem König und seiner flämischen Frau hat der junge Händler es zu verdanken, dass er schon bald zu Erfolg gelangt. Doch Rupert hat noch eine Rechnung mit ihm offen…

Meine Meinung
Jonah Durham ist kein einfacher Mensch. Durch seine verschlossene Art und sein düsteres Aussehen erweckt er nicht viele Sympathien bei seinen Mitmenschen, mir selbst hat seine Darstellung aber sehr gut gefallen. Nicht immer konnte ich seine Aktionen gutheißen, doch wird er dadurch, dass er auch mal nicht ganz so angenehme Dinge tut, lebendig. Weniger überzeugend fand ich dagegen, dass Jonah in seinem Leben wirklich viel Glück hat, viel mehr, als es bei Gablés anderen Protagonisten der Fall ist, die schon ausgesprochene Glückspilze sind. Bei ihm verläuft das Leben weniger als ständiges Auf und Ab, stattdessen geht es fast nur nach oben. Kleinere Rückschläge sind in kurzer Zeit überstanden, Probleme schnell aus der Welt geschafft, und selbst große Tragödien spielen nur kurz eine Rolle. Solch ein kometenhafter Aufstieg gepaart mit so viel Glück erscheint mir dann doch eher unglaubwürdig.
Schon recht früh wird klar, wer Freund und wer Feind ist. Einzelne Personen kann man sogar einschätzen, bevor sie überhaupt erstmals aufgetreten sind, nur anhand deren Reputation. Dennoch wird die Beziehung, in der sie zu Jonah stehen, immer begründet und beruht nicht ausschließlich auf persönlicher Abneigung. Auch das Ende war für mich doch sehr vorhersehbar.
Trotzdem konnte ich diesen Roman kaum aus der Hand legen und habe ihn in nur drei Tagen gelesen, bei knapp 1000 Seiten kein Kinderspiel. Mal sind es kleinere Abenteuer, mal der Ausgang eines neuen Vertrags, mal gesponnene Intrigen von Jonahs Konkurrenten, die mich an das Buch gefesselt haben. Langeweile kam überhaupt nicht auf, obwohl der Roman etwa 19 Jahre umspannt.
Da es sich bei der Hauptperson um einen Händler handelt, wird in diesem Roman der politische Schwerpunkt auf die Wirtschaftspolitik Edwards III. gelegt. Andere Bereiche werden zwar auch gestreift, aber oft mit wirtschaftlichen Überlegungen in Verbindung gesetzt. Dies fand ich sehr interessant, wird dabei doch anschaulich beschrieben, wie kurzfristig manchmal doch gedacht wurde. Dabei sind diese Betrachtungen einfach dargestellt, sie nehmen auch keinesfalls überhand und sind gut in die Handlung eingebettet. Einzig zu Beginn des Romans gibt es einen Informationsblock über den Aufbau der Londoner Gilden, der nur dadurch nicht aufgesetzt wirkt, dass einer jungen Auszubildenden die Situation geschildert wird. So jedoch ist auch dies sinnvoll in die Geschichte eingebunden.
Es hat mich sehr gefreut, in diesem Roman immer wieder auf Gervais of Waringham und Geoffrey Dermond zu treffen, zwei Personen, die im anschließend spielenden, aber zuerst geschriebenen Roman Das Lächeln der Fortuna eine wichtige Rolle spielen.

Fazit
Ich gebe es zu: Ich liebe die Romane von Rebecca Gablé. Trotz der Mängel möchte ich dem Roman volle Punkte geben, weil einfach das Verhältnis zwischen Unterhaltung und vermittelter Geschichte stimmt.
Empfehlen möchte ich das Buch all denjenigen, die sich für englische Geschichte interessieren und Wälzern gegenüber nicht abgeneigt sind.

Dagmar Trodler – Die Tage des Raben

AutorDagmar Trodler
TitelDie Tage des Raben
SerieWaldgräfin Band 3
Seitenzahl544
VerlagBlanvalet
ISBN3-442-36601-1
Bewertung

Achtung: Diese Rezension enthält kleinere Spoiler zu Die Waldgräfin und Freyas Töchter!

Inhalt
England, 1070: Nachdem Alienor und Erik erkennen mussten, dass es für sie keinen Platz im Svearreich, Eriks Heimat, gibt, zieht es die junge Familie nach England. Dort regiert seit einigen Jahren Guillaume, zuvor Herzog der Normandie, in dessen Diensten Erik früher stand.
Doch in England angekommen müssen sie erleben, wie grausam die Normannen in einigen Gegenden wüten und die Bevölkerung unterdrücken. Besonders in Yorkshire, wo große Landstriche verwüstet sind, gestaltet sich das reine Überleben schwieriger als erwartet, denn Nahrung ist Mangelware. Und so zieht es Erik bald zurück in Guillaumes Dienste.

Meine Meinung
Dieser letzte Band der Trilogie schließt nahezu nahtlos an den Vorgänger an, fällt jedoch im Vergleich stark ab.
Die Entscheidung, nach England auszuwandern, ist nachvollziehbar, schließlich hat Erik gute Aussichten, in Guillaumes Dienste eintreten zu können. Doch warum zieht es die junge Familie ausgerechnet dorthin, wo das Überleben am schwierigsten ist und wo die Normannen erst zuschlagen und dann nachfragen? Diese Entscheidung ist in meinen Augen eher unlogisch.
Auch andere Dinge haben mir so gar nicht gefallen. So trifft Alienor schon sehr früh im Buch auf einen Mann, von dem sie nur wenig später erfährt, dass ihr bisheriges Leben eine Lüge ist und dass sie gar nicht die ist, die sie zu sein glaubt. Dies spielt im späteren Verlauf des Romans immer wieder eine Rolle, kommt mir aber in der Situation doch an den Haaren herbeigezogen vor. Warum muss hier der Stammbaum geändert werden? Und warum trifft sie ausgerechnet auf den einen Mann in England, der etwas über ihre Vergangenheit wissen kann?
In England erkennt Erik bald, dass er ein Krieger und nicht für die Landwirtschaft geschaffen ist. Und so zieht es ihn zu Guillaume, was ja auch ein Grund für die Auswanderung nach England war. Doch warum muss Alienor ihm immer wieder hinterher reiten, die Kinder im Gepäck? Hat sie aus ihren Erfahrungen nichts gelernt? Mich hat es schon bald sehr gestört, dass sie sich und ihre Liebsten dadurch immer wieder in Gefahr bringt. Langsam ist es doch auch mal genug!
In diesem Band kommt ein mystisches Element hinzu: Ein Rabe sucht Alienor immer dann auf, wenn Gefahr droht. Dadurch erklärt sich zwar der Titel, doch warum er überhaupt vorkommt, ist mir schleierhaft.
Manches Mal kann Alienor, die Ich-Erzählerin dieses Buches, auch richtig nerven, wenn sie mal wieder erzählt, dass sie ohne Erik nicht leben kann oder zum wiederholten Mal ohnmächtig wird. Oder wenn sie Götter oder Heilige anfleht, obwohl sie fest davon überzeugt ist, dass ihr doch niemand hilft. Allerdings ist dies hier wesentlich seltener der Fall als in den ersten beiden Bänden.
So schlecht, wie es diese ganzen Kritikpunkte erscheinen lassen, ist dieser Roman dann aber doch nicht. Die Geschichte ist spannend und konnte mich über weite Strecken fesseln. Immer passiert etwas, Leerlauf und Zeit, zur Ruhe zu kommen, gibt es kaum, und selbst wenn es mal Ruhephasen gibt, sind diese kurzweilig beschrieben. Die Sprache ist stellenweise sehr poetisch, was sogar mir aufgefallen ist, während ich doch normalerweise über solche Dinge hinweg lese.
Wie bei den Vorgängern gibt es auch hier wieder einige Sätze in anderen Sprachen, zu Latein, Nordisch und Altfranzösisch ist jetzt auch Angelsächsisch hinzugekommen. Diese werden in einem Glossar übersetzt. Waren es aber in Freyas Töchter noch ganze zwölf Seiten, kommt Die Tage des Raben mit der Hälfte aus, was wesentlich weniger anstrengend zu lesen ist.

Fazit
Leider konnte mich dieser Roman nicht vollständig überzeugen, zu viele kleinere Zufälle und nicht ganz logische Handlungen haben mir den Spaß an der eigentlich sehr spannenden Geschichte genommen. Trotzdem ist der Abschlussband der Trilogie immer noch sehr gut lesbar. Wer wissen will, wie es mit Alienor und Erik ausgeht, sollte sich diesen Band ruhig anschauen.

Robyn Young – Die Blutschrift

AutorRobyn Young
TitelDie Blutschrift
OriginaltitelBrethren
ÜbersetzerNina Bader
SerieBrethren-Trilogy Band 1
Seitenzahl703
VerlagBlanvalet
ISBN978-3-442-36657-6
Bewertung

Inhalt
London, 1260: Das Leben im Hauptquartier der Tempelritter ist nicht immer leicht für den dreizehnjährigen Sergeanten William Campbell. Besonders der Gehorsam fällt ihm schwer, und auch den vielen Gottesdiensten kann er wenig abgewinnen. Dennoch will er sein großes Ziel erreichen und wie sein Vater den Mantel der Tempelritter tragen.
Sein bester Freund Garin de Lyons dagegen wendet sich immer mehr von William ab, seit die beiden bei einer Unterredung zwischen Templern und dem König dabei sein durften. Hat er etwas vor Will zu verbergen?
Im Heiligen Land kämpft währenddessen der Mamelucken-Offizier Baybars gegen die Mongolen und arbeitet darauf hin, seinen Sultan zu stürzen.
Und dann ist da noch ein verschwundenes Buch…

Meine Meinung
Die Blutschrift ist einer der Romane, bei dem mir die Zeit beim Lesen wie im Flug vergangen ist. Ich habe gar nicht mitbekommen, wie weit ich schon gekommen war, als ich die erste Pause eingelegt habe. Zu schnell waren die ersten 200 Seiten vorbei, dabei hätte ich vom Inhalt her erwartet, weit weniger gelesen zu haben. Dies mag dem Anschein erwecken, als ob auf vielen Seiten wenig passiert. Stattdessen werden einfach mehrere Parteien beleuchtet. Für mich war diese Anzahl der Parteien und Personen allerdings genau richtig, genügend, damit die Geschichte nicht langweilig wird, aber auch nicht so viele, als dass man ständig durcheinander kommen könnte.
Hauptperson ist Will Campbell, ein Junge bzw. junger Mann, der eigentlich nur deshalb Tempelritter werden will, damit sein Vater auf in stolz sein kann und ihm verzeiht. Er bemüht sich meistens, den Regeln nach zu handeln, selbst wenn er nicht allzu überzeugt von ihnen ist. Eine Liebesgeschichte gibt es hier natürlich auch, denn ganz ohne geht es doch nicht. Diese nimmt allerdings in diesem ersten Band einer Trilogie nicht allzu viel Raum ein, erklärt aber Wills Verhalten an einigen Stellen. Nicht immer ist Will sympathisch, meist jedoch sind seine Handlungen nachvollziehbar.
Doch es kommen auch noch einige andere Personen vor, einige sind Freunde, andere Feinde von Will, dem Orden, der Christenheit. Jede Partei hat dabei ihre eigene Motivation, niemand handelt ohne Grund, selbst wenn dieser in der fernen Vergangenheit liegen sollte.
Es geht aber auch um das Leben der Tempelritter, die Kämpfe in Outremer, die Städte, die von den Mamelucken angegriffen und erobert werden. Dabei beschränkt sich die Darstellung nicht auf die Position der Templer, stattdessen wird auch die Position der Mamelucken beleuchtet, indem sich ein ganzer Handlungsstrang Baybars und seinen Zielen widmet, und auch sein Privatleben wird in Ansätzen beschrieben.
Die – zumindest im Deutschen – titelgebende Schrift spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, dient aber hauptsächlich dazu, die Handlung voranzutreiben. So wechselt das Buch schon gelegentlich den Besitzer, was dann schon spannend beschrieben ist.
Die geheime Bruderschaft innerhalb der Templer, die Anima Templi, sind dabei erfunden, wie die Autorin in einem Nachwort erklärt, allerdings kann ich mir ganz gut vorstellen, dass es damals auch Menschen gegeben haben könnte, die ähnlich gedacht haben, also warum keine geheime Bruderschaft innerhalb des Templerordens?

Fazit
Ein spannender Roman über die Templer in Outremer, in dem auch die Gegenseite betrachtet wird. Ganz ohne Standardelemente kommt auch dieser Auftakt einer Trilogie nicht aus, dafür haben die Charaktere aber auch Persönlichkeit. Ich habe diesen Roman sehr genossen.

Rebecca Gablé – Hiobs Brüder

AutorRebecca Gablé
TitelHiobs Brüder
SerieHelmsby Band 2
Seitenzahl909
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-16069-3
Bewertung

Inhalt
England, 1147: Von Mönchen weggesperrt und von der Außenwelt abgeschnitten, leben sie auf einer Insel: Männer mit körperlichen und geistlichen Gebrechen, die von der Außenwelt nicht selten als besessen angesehen werden. Unter ihnen sind auch der Normanne Simon de Clare, der unter Fallsucht leidet, die zusammengewachsenen angelsächsischen Zwillinge Wulfric und Godric sowie Losian, ein normannischer Edelmann ohne Erinnerung an sein früheres Leben.
Als eine Sturmflut über die Insel hereinbricht und die Palisaden niederreißt, können die Überlebenden aufs Festland entkommen. Von nun an sind sie auf der Suche nach einem Ort, wo sie willkommen sind. Doch dies erweist sich als schwerer als gedacht, denn das Land ist vom Bürgerkrieg erschüttert…

Meine Meinung
Bisher ist es eher selten vorgekommen, dass ich in historischen Romanen über Menschen mit Behinderungen gelesen habe, und noch seltener, dass es sich bei diesen um die Hauptpersonen handelt. Umso spannender fand ich da den Beginn dieses Romans, bei dem gleich mehrere Männer, die durch ihre Andersartigkeit von der Gesellschaft ausgestoßen wurden, im Mittelpunkt stehen. Dabei sind sie alle unterschiedlich, selbst ein Psychopath und Mörder befindet sich in dieser Gruppe. Doch es dauert nicht allzu lange, bis klar wird, dass zwei Mitglieder dieser Gesellschaft besondere Beachtung finden und die anderen eher Nebenrollen spielen. Losians Gedächtnisverlust ist zwar zunächst ein zentrales Thema, gerät dann aber nach und nach in den Hintergrund, im gleichen Maße, in dem sein früheres Leben ihn einholt. Ebenso wird die Gemeinschaft immer unwichtiger, während sich das Leben der beiden Hauptpersonen normalisiert.
Wer schon andere historische Romane von Rebecca Gablé kennt, weiß, dass Politik dort eine nicht zu verachtende Rolle spielt. Und so ist dies auch hier der Fall. Eine Einführung in die Situation, in der sich England gerade befindet, erhält der Leser in dem Moment, in dem sich auch Losian von seinen Mitgefangenen über die Außenwelt aufklären lässt – ein geschickter Zug, da so die ersten Hintergrundinformationen recht kompakt übermittelt werden. Zusätzliche Informationen werden nach und nach geliefert, in kleinen Dosen, so dass der Informationsgehalt überschaubar bleibt und nicht überfordert. Dabei nimmt die Politik aber nie so viel Raum ein, wie es beispielsweise in Das zweite Königreich oder Das Lächeln der Fortuna der Fall ist. Die Anzahl an Personen bleibt verhältnismäßig klein und überschaubar, so dass das Register der historischen Personen zwar hilfreich, aber im Gegensatz zu anderen Romanen der Autorin nicht zwingend notwendig ist.
Ungewöhnlich ist die Liebesgeschichte, die sich schon ziemlich früh entwickelt und dann weitreichende Folgen hat. Diese Entwicklung hat mir ehrlich gesagt nicht ganz so gut gefallen, weil sie einfach recht weit hergeholt wirkt, schaut man sich die Umstände an. Zwar lässt sich die Einstellungen der Beteiligten durch das Erlebte erklären, ist aber trotzdem weit davon entfernt, normal zu sein und der Zeit zu entsprechen.
Ein mystisches Element gibt es auch hier, wobei nicht ganz klar wird, ob es sich tatsächlich um ein solches handelt oder es aber eine natürliche Erklärung gibt.
Bei dem Buch handelt es sich um eine indirekte Fortsetzung zu Das zweite Königreich. Es ist nicht notwendig, diesen Roman vorher gelesen zu haben, aber durchaus hilfreich, um einige Zusammenhänge, auch in Bezug auf diverse Verwandtschaftsgrade, besser nachvollziehen zu können.

Fazit
Wieder einmal ein sehr gut lesbarer Roman von Rebecca Gablé, der sich aber durch die Personenkonstellationen doch irgendwie von ihren anderen Romanen unterscheidet. Mir hat dieser Roman nicht ganz so gut gefallen wie die anderen Romane der Autorin, die ich bisher kenne, dafür war mir das mit der Liebesgeschichte im Mittelteil einfach zu viel. Trotzdem konnte er mich wieder sehr gut unterhalten.