Schlagwort-Archive: Dreißigjähriger Krieg

Martha Sophie Marcus – Herrin wider Willen

AutorMartha Sophie Marcus
TitelHerrin wieder Willen
Seitenzahl382
VerlagMSM Books
ASINB07BJLDM3M
Bewertung

Inhalt
1641, in der Nähe von Lüneburg: Am Vorabend eines Scharmützels heiratet der Grafensohn und Fernhändler Lenz die Kaufmannstochter Ada, obwohl sich das Paar kaum kennt, in der Annahme, dass Lenz den nächsten Tag nicht überleben wird. Adas Ziel ist es, durch diese Ehe ihrem Vater zu entkommen, der sie mit seinem Gehilfen verheiraten will, während Lenz verhindern möchte, dass sein Erbe seinem Onkel in die Finger gerät.
Wider Erwarten überlebt Lenz den folgenden Tag, jedoch schwer verwundet, und an Ada und die leidenschaftliche Hochzeitsnacht kann er sich nicht erinnern.
Während Ada auf ein glückliches Leben hofft, will Lenz jedoch nur schnellstens das Land verlassen…

Meine Meinung
Von Martha Sophie Marcus habe ich bereits zwei andere Romane gelesen, die mir recht gut gefallen haben. Bei Herrin wider Willen handelt es sich um ihren Debütroman, der leicht überarbeitet neu herausgegeben wurde.
Man merkt es dem Roman an, dass es sich hier um ein frühes Werk handelt, denn der Roman ist deutlich weniger umfangreich als die meisten späteren Romane der Autorin, auch die Handlung ist noch etwas dünn, und historische Personen oder Ereignisse spielen abseits der allgemeinen Lage keine Rolle.
Dennoch ist der historische Hintergrund deutlich beschrieben. Diesen bildet der Dreißigjährige Krieg: Plündernde Soldaten der verschiedenen Lager stellen eine ständige Bedrohung für die Menschen dar, der Handel ist von großen Verlusten geprägt, und viele Menschen hungern.
Vor dieser düsteren Zeit lässt die Autorin ihre Liebesgeschichte spielen, denn darum handelt es sich hier vorrangig.
Ada ist mit ihren zweiundzwanzig Jahren eigentlich noch ein schüchternes Mädchen ohne Selbstvertrauen, das nie gelernt hat, sich durchzusetzen, und immer wieder zu hören bekommen hat, wie dumm sie doch sei, da sie nur langsam lesen und schreiben kann.
Ihr gegenüber steht Lenz, ein Grafensohn, der in England aufgewachsen ist und als Fernhändler abseits aller Standesdünkel tätig ist. Auf das Erbe seines im Sterben liegenden Vaters ist er nicht angewiesen, jedoch möchte er dieses nicht seinem intriganten Onkel überlassen. Zum Militärdienst gepresst und vom nahen Tod bedroht, lässt er sich somit auf die Heirat ein. Doch als er dann ohne Erinnerung an die Hochzeitsnacht genesen ist, ist es sein dringlichstes Ziel, das Land und seine Frau zu verlassen.
Vor diesem Hintergrund hat eine Liebe eigentlich keine Chance. Doch durch die Umstände kommt alles ganz anders, als zunächst gedacht.
Beide Protagonisten machen eine deutliche Entwicklung durch, was sich schon bald nach Eintreffen auf dem Gut zeigt. Für mich stand ein Happy End von Beginn an außer Frage, doch es war einfach interessant, zu erleben, wie es dazu kommt, bei solch grundauf verschiedenen Persönlichkeiten.
Doch auch die anderen Charaktere, der elfjährige Dierk, der vorerst von dem Ehepaar aufgenommen wird, oder die Magd Luise, die Schlimmes durchgemacht hat und trotz ihrer Grimmigkeit dennoch sympathisch erscheint, sind recht interessante Persönlichkeiten, denen man ihre Rolle abkauft. Denen gegenüber stehen die recht eindimensional gezeichneten Gegenspieler wie Adas Vater und ihren Paten.
Auch wenn der Roman sich stark auf die Personen konzentriert und daneben immer nur kurz Spannung aufkommt, wenn gerade einmal wieder Soldaten vor der Tür stehen oder gegen das junge Ehepaar intrigiert wird, so passiert doch genügend, dass ich das Buch nahezu am Stück durchgelesen habe.
Während der Großteil des Romans in einer leicht veständlichen, flüssigen Sprache verfasst ist, kommt es gelegentlich zu Dialogen in plattdeutschem Dialekt, nämlich immer mal wieder dann, wenn sich die edlen Herrschaften mit dem Gesinde unterhalten. Dies dient dazu, die Verständnisschwierigkeiten darzustellen, denen Ada sich zu Beginn ausgesetzt sieht, aber auch, um zu zeigen, wie schnell die junge Frau diesen Dialekt zu verstehen lernt. Diese Sätze sind in der Regel einfach zu verstehen, kompliziertere Begriffe werden zudem auch auf Hochdeutsch wiederholt, so dass es beim Lesen nicht zu Schwierigkeiten kommen sollte. Auch eine wenige englische Sätze gibt es, die leicht verständlich sind und auf Lenz‘ zweite Heimat verweisen.
Ein weiteres besonderes Element der verwendeten Sprache ist das Erzen Untergebener, also diese in der dritten Person anzureden, selbst wenn dies nicht konsequent umgesetzt wird, denn mal wird geerzt, mal geduzt. Aber das Erzen ist mir noch nicht in allzu vielen Romanen begegnet, und da es jedoch durchaus üblich war, finde ich es gut, dass es hier Verwendung findet.
Neben dem bereits erwähnten Glossar findet sich im Anhang des Romans ein Personenregister sowie ein kurzes Nachwort, in dem die Autorin überwiegend auf die Änderungen der bearbeiteten Fassung gegenüber des Originals eingeht, die im Übrigen nicht allzu weitläufig ausfallen – wer die Taschenbuchausgabe besitzt, verpasst somit nichts Wesentliches.

Fazit
Dieser frühen Roman von Martha Sophie Marcus vermag zu unterhalten, selbst wenn er inhaltlich noch nicht ganz so viel hergibt wie spätere Werke. Es ist eher eine Geschichte der leisen Töne, die immer mal wieder durch einen Paukenschlag aufschreckt.

Sabine Wassermann – Die Teufelsmalerin

AutorSabine Wassermann
TitelDie Teufelsmalerin
Seitenzahl331
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-24491-9
Bewertung

Inhalt
Mainz, 1631: Als ein Apotheker einen Tonklumpen für einen Dämon hält und deshalb die Malerin Henrietta Güntelein als Hexe anzeigt, glaubt sie sich verloren. Doch einige Wochen später erreichen die Schweden Mainz, im Tross den Maler Thomas Hartenberg. Als Sachverständiger hinzugezogen kann er den „Dämon“ benennen und Henrietta so entlasten, doch wird ihr das Malen bei Strafe verboten.
Zu allem Überfluss wird eine Rotte Soldaten bei ihr und ihrem schwer kranken Vater einquartiert. Und da ist auch noch ein Heiligenbild, das sie unbedingt fertig stellen muss…

Meine Meinung
Als ich diesen Roman vor etlichen Jahren das erste Mal gelesen habe, war mir die leider inzwischen verstorbene Autorin Sabine Wassermann noch völlig unbekannt. Doch hat mich dieser Roman genügend gefesselt, um in den folgenden Jahren noch weitere Bücher von ihr zu lesen.
Der Roman spielt im Mainz des Dreißigjährigen Krieges, direkt zu Beginn der Besetzung durch schwedische Truppen. Durch die Pest, die sieben Jahre zuvor gewütet hat, und durch den Krieg, der Geschäfte zum Stillstand gebracht hat, sind viele Menschen abgestumpft, nehmen Dinge als gegeben hin, während andere hier das Wirken von Dämonen und Hexen sehen wollen. Dieser Hintergrund, insbesondere die teils stoische Akzeptanz von Gräueltaten, wird authentisch beschrieben, ohne, dass hier jedoch zu sehr ins Detail gegangen wird, da der Leser über die meisten der besagten Grausamkeiten nur aus zweiter Hand informiert wird oder diese in einem Nebensatz erwähnt werden. Die Atmosphäre ist bedrückend und unglaublich dicht.
In dieser trostlosen Umgebung setzt die Autorin ihre Geschichte an. Diese umfasst, lässt man den Prolog außen vor, gerade einmal zehn Wochen und beschreibt den Kampf einer Malerin um ihre Identität, welcher plötzlich durch sich entwickelnde Gefühle eine andere Wendung nimmt.
Diese Liebesgeschichte ist an keiner Stelle kitschig beschrieben, auch dominiert sie den Roman nicht, sondern ist stimmig eingebunden, beinahe beiläufig beschrieben.
Die Anklage der Hexerei zu Beginn des Romans dient überwiegend als Aufhänger und ist nicht eigentlich Inhalt des Romans, auch wenn die Gefahr einer erneuten Anklage immer wieder im Raum steht. Wer also einen Roman über Hexenprozesse sucht, ist hier falsch bedient.
Nicht nur die Handlung ist eher kompakt gehalten, auch die Anzahl der handelnden Personen ist nicht sehr groß, so dass auf den gerade einmal 331 Seiten genügend Raum bleibt, um sie ausreichend zu charakterisieren. Selbst Nebenfiguren sind gut herausgearbeitet, selbst wenn sie nur mit wenigen Worten skizziert werden. Auch wenn die Sympathien wohl schnell eindeutig verteilt sein sollten, so wird auf platte Klischees verzichtet, auch ist bei einigen Charakteren eine deutliche Entwicklung zu erkennen.
So ist die Protagonistin Henrietta Güntelein sicher kein Unschuldslamm. Mit 23 Jahren ist sie eine alte Jungfer, die sich damit abgefunden hat, keinen Ehemann zu finden. Sie ist nicht gerade zugänglich, hat in der Stadt mehr Feinde als Freunde, doch sie liebt ihren an Syphilis erkrankten Vater und verhindert, dass er ins Siechenhaus abgeschoben wird. Die Kunst ist ihr Leben, alles dreht sich um sie, doch wie kann sie Künstlerin sein, wenn sie weder malen noch zeichnen darf?
In diesen inneren Zwiespalt tritt nun Thomas Hartenberg, der sie als Gehilfin anstellt und ihr so ein geringes Einkommen verschafft. Thomas hat seine Heimat verloren, hat aber das große Glück, dass er im schwedischen Statthalter Sparre einen Förderer gefunden hat. Auch wenn er seine aktuelle Lage als gegeben hinnimmt und weiß, dass er gegen viele Untaten nichts ausrichten kann, so versucht er, zumindest unnötige Grausamkeit zu verhindern.
Sven Persson ist der Anführer der Rotte Schweden, die in Henriettas Haus einquartiert wird. Man kann ihn nicht gerade als liebevoll bezeichnen, er quält Henrietta aber auch nicht. Vielmehr scheint es, als sei er durch den Krieg so weit abgestumpft, dass er manche Dinge als völlig normal sieht, die Besatzer den Bewohner antun, und sieht Gewalt als Mittel zum Zweck, nicht aber als Selbstzweck an. Im Vergleich zu seinem Bruder Ole, der bekannt dafür ist, Frauen zu bedrängen und gerne einen über den Durst zu trinken, ist Sven noch sehr gemäßigt.
Ob es nun die Magd Priska ist, die einarmige Trosshure Jette, der stumme Junge Jörg, man erfährt genügend, um zu erfahren, wieso sie handeln wie beschrieben.
Der Schreibstil ist dem Hintergrund angemessen eher nüchtern gehalten, man findet keine romantische Verklärung der Situation vor, vielmehr wird diese mit knappen Worten treffend beschrieben, so dass die Geschichte ohne Längen erzählt wird. Einzig über Details der Malerei verliert Sabine Wassermann ein paar mehr Worte, was für mich in diesem Zusammenhang völlig in Ordnung ist.
Leider weist der Roman keinerlei Zusatzausstattung auf, über eine Karte der Stadt Mainz oder ein Nachwort zum historischen Kontext hätte ich mich schon gefreut.

Fazit
Ein unglaublich dichter Roman über das Leben und die Liebe zu Kriegszeiten, der keinesfalls kitschig, aber auch nicht übertrieben grausam geschrieben ist.

Nicole Steyer – Das Pestkind

Autor Nicole Steyer
Titel Das Pestkind
Seitenzahl 591
Verlag Knaur
ISBN 978-3-426-51439-9
Bewertung

Inhalt
Rosenheim, 1648: Die siebzehnjährige Marianne hat es nicht leicht. Wie eine Magd schuftet sie in der Brauerei ihrer Ziehmutter, und von den Städtern erfährt sie nur Ablehnung uns Hass, ist sie doch die einzige Überlebende einer Pestepidemie einige Jahre zuvor und gilt als Unglücksbringer.
Als Marianne eines Tages zwei Männer belauscht, die den Tod ihrer Ziehmutter Hedwig planen, weiß sie nicht, an wen sie sich wenden kann, denn die Mönche des nahegelegenen Klosters haben durch den Krieg mit größeren Problemen zu kämpfen. Doch als Hedwig tatsächlich stirbt, wird deren Sohn Anderl des Mordes verdächtigt. Der Krieg nähert sich mit großen Schritten, und plötzlich findet sich Marianne im Tross der Schweden wieder…

Meine Meinung
Mit Das Pestkind hat Nicole Steyer einen Roman über das Ende des Dreißigjährigen Krieges geschrieben, über die Menschen, die unter dem Krieg leiden, wie auch denjenigen, die von ihm abhängig sind und die gar nicht wissen, wovon sie in Friedenszeiten leben sollen. Parallel dazu werden die Ermittlungen im Mordfall beschrieben, die durch die Mönche vorgenommen werden, um den unschuldigen Anderl zu entlasten.
Mir hätte es besser gefallen, wenn sich die Autorin auf den ersten Handlungsstrang konzentriert hätte, denn die Handlung um Anderl und Pater Franz fand ich einfach unnötig. Abgesehen davon, dass hier wieder bekannte Klischees bedient werden, ist das Ende stark konstruiert, zu viele Zufälle spielen hier mit hinein. Die Zeit und die Seiten hätten eher dafür genutzt werden können, mehr über Marianne zu schreiben.
Hier gibt es nämlich immer mal wieder Lücken von mehreren Wochen, was an sich ja nicht verkehrt ist, wenn nichts passiert, jedoch war mir alles, was hier geschehen ist, doch sehr oberflächlich gehalten. Freundschaften waren eben einfach entstanden, aber diese wurden nur erwähnt und nicht tiefer gehend beschrieben. Vielleicht ist das auch gut so, denn Freunde Mariannes leben gefährlich, und nicht selten sterben sie genauso schnell, wie sie in Mariannes Leben auftauchen. Ist dies die ersten paar Male noch erschreckend, nutzt sich dieser Schockmoment bald ab. Und selbst die obligatorische Liebesgeschichte leidet unter einer gewissen Oberflächlichkeit, ein romantisches Knistern ist nur ganz selten zu vernehmen. Grundsätzlich kann man sagen, dass mich Mariannes Erlebnisse, ihr Freud und Leid, kaum berühren konnten.
Dabei ist die Handlung selbst sehr interessant, denn das Leben im Tross ist nicht nur Kulisse, sondern man erhält schon tiefere Einblicke. Der Zusammenhalt im Tross, entstehende Freundschaften, die Hierarchien, die diese Freundschaften unterbinden wollen, und nicht zuletzt die Motive, die die Soldaten und Offiziere in den Krieg getrieben haben und die Kriegshandlungen selber werden beleuchtet.
Auch die Charaktere bleiben eher oberflächlich gezeichnet, die meisten kann man schon nach wenigen Sätzen ihrer Rolle als Freund oder Feind zuordnen, die sich im Laufe des Romans auch nicht verändert.
Mariannes Rolle als Opfer ist dabei klar definiert, sie ist immer rechtschaffen und muss trotzdem ständig leiden, so dass sie bald selbst daran glaubt, dass sie Unglück bringt.
Einen Teil ihres Unglücks, nämlich ihre Anwesenheit im Schwedentross, verdankt sie Albert Wrangel. Als Offizier im Regiment seines Bruders Carl Gustav fällt er dadurch auf, dass er exzessive Gewalt, besonders Frauen und Kindern gegenüber, ablehnt. Er will Krieg gegen Soldaten führen, nicht gegen Unschuldige.
Sehr negativ gezeichnet sind vor allem der Büttel August Stanzinger, der sich erpressbar gemacht hat, aber auch der Soldat Friedrich, der sich durch Grausamkeit gegenüber Frauen und Kindern auszeichnet und sich auch nicht zu fein ist, Alberts Verfehlungen dessen Bruder zu melden.
Der Schreibstil ist sehr flüssig gehalten, auf sprachliche Besonderheiten wird weitestgehend verzichtet, nur eine Französin bekommt eine grammatikalisch nicht korrekte Sprache in den Mund gelegt. Allerdings ist die Rede davon, dass sich die Deutschen, die aus unterschiedlichen Teilen des Landes kommen, aufgrund ihrer unterschiedlichen Dialekte kaum untereinander verständigen können, was durch die Schriftsprache nicht deutlich wird. Da eine Umsetzung dieser Dialekte in die Schriftsprache aber kaum möglich ist, ziehe ich diese Lösung allen anderen Möglichkeiten vor.
Das Buch weist recht wenig Zusatzmaterial auf, einzig ein kurzes Nachwort und ein kleiner Überblick über die historisch belegten Charaktere finden sich im Anhang. Eine Karte über die Route des Trosses und die letzten Kriegsschauplätze wären allerdings sehr hilfreich gewesen, und ich hätte gerne mehr darüber erfahren, was es mit dem tatsächlichen „Pestkind“ auf sich hatte, ob es tatsächlich die Rolle eingenommen hat, die hier beschrieben ist.

Fazit
Die Handlung um Marianne und den Schwedentross ist grundsätzlich sehr interessant, leidet jedoch unter der Oberflächlichkeit der Charaktergestaltung, die Krimihandlung ist dazu in meinen Augen unnötig. Einen eher seichten Roman mit Schwerpunkt auf der Liebesgeschichte sollte man hier nicht erwarten, für Interessierte am Dreißigjährigen Krieg könnte dieser Roman aber durchaus lesenswert sein.

Sabine Weiß – Das Geheimnis von Stralsund

Autor Sabine Weiß
Titel Das Geheimnis von Stralsund
Seitenzahl 624
Verlag Bastei Lübbe
ISBN 978-3-404-17146-0
Bewertung

Inhalt
Rügen, 1627: Zusammen mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester lebt Sina bei Mönchgut auf der Insel Rügen. Bisher sind sie vom Krieg, der schon neun Jahre tobt, verschont geblieben, und Sinas größte Sorge ist, dass ihr Vater, der Kapitän eines Handelsschiffs, auf See verunglücken könnte.
Dieses Mal jedoch bringen die Seeleute beunruhigende Neuigkeiten mit: Das kaiserliche Heer ist im Anmarsch!
Tausende Söldner werden auf der Insel einquartiert, auf der es weder genügend Nahrung noch ausreichend Brennstoff gibt. Und so lassen auch die ersten Übergriffe nicht lange auf sich warten… Ist eine Flucht nach Stralsund vielleicht doch die bessere Wahl?

Meine Meinung
Dieser Roman beginnt mit einem Paukenschlag, denn anders als gewohnt spielt der Prolog nicht zeitlich vor dem ersten Kapitel, sondern ein paar Monate später. Die beschriebene Szene ist nach etwa hundert Seiten einzuordnen. Am Anfang stehend wirkt sie sehr verwirrend, kennt man doch die handelnden Personen nicht und weiß nicht, was da eigentlich genau beschrieben ist. Dies ist ein geschickter Schachzug, denn so war ich gespannt, wie es überhaupt dazu kommen konnte.
Die ersten Kapitel dagegen sind eher beschaulich, sehr ausführlich beschreibt die Autorin das Leben auf der Insel und charakterisiert einzelne Personen. Ohne die spannende Szene zu Beginn hätte ich diese Beschreibungen wohl als langatmig aufgefasst, doch so hat es einfach gepasst.
Sina erscheint hier direkt als verantwortungsbewusste ältere Schwester an der Schwelle zum Erwachsenenalter, die aber auch gelegentlich noch kindliche Züge zeigt. Schiffe faszinieren sie sehr, und ein kleines Boot, das sie selbst repariert hat, ist ihr großes Geheimnis. Die kleine Dorthie ist ein kleines Kind, das schnell zu begeistern ist und sich auch an neue Situationen schnell gewöhnt.
Leif ist erster Steuermann auf einem Handelsschiff, eine verantwortungsvolle Position, die er sehr jung erreicht hat. Er hat dazu ein großes Herz und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
So ganz ohne Stereotype kommt dieser Roman aber doch nicht aus, denn insbesondere in den Reihen der Söldner finden sich so einige Charaktere, die ohne offensichtlichen Grund einfach nur böse sind oder aber unmoralisch und niederträchtig handeln.
Schwerpunkt dieses Romans ist das Leben, das Leid der Menschen und die Liebe. Letztere spielt eine wichtige Rolle, ist aber nicht so dominant, dass sie alles andere überlagert, wie es in vielen anderen Romanen der Fall ist. Außerdem ist dies die Geschichte zweier Schwestern, die auf sich alleine gestellt sind und mit der Situation zurechtkommen müssen.
Während mir die Geschichte über weite Teile sehr gut gefallen hat, fällt das Ende hier leider ein wenig ab. Das war mir dann doch ein wenig zu viel, ohne den Epilog hätte mir der Roman möglicherweise besser gefallen.
Der historische Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges ist immer präsent. Die Gründe für den Krieg sind dabei nebensächlich, wichtig ist, was gerade in der Gegend passiert. So werden die Einquartierung der Söldner auf Rügen und die Belagerung Stralsunds anschaulich beschrieben, sie tragen wesentlich zur Handlung bei, verkommen also nicht zur Kulisse. Auch die Haltung der anderen Länder und der Hanse während dieses Konflikts wird anschaulich beschrieben. Vorwissen wird nicht benötigt, kann aber keinesfalls schaden.

Fazit
Mir hat dieser Roman überraschend gut gefallen, auch denn das Ende ein wenig überzogen ist. Dabei wird der historische Hintergrund überzeugend dargestellt, aber nicht haarklein beschrieben, die Liebesgeschichte nett ausgearbeitet, aber nicht zu dominant. Wer sich für das Thema interessiert, aber nicht allzu tief in die Wirren des Krieges einsteigen will, sollte hier einen Blick riskieren.

Vielen Dank an Bastei Lübbe und Lovely Books für das Leserunden-Exemplar!

Thomas Ziebula – Die Hure und der Spielmann

Autor Thomas Ziebula
Titel Die Hure und der Spielmann
Seitenzahl 687
Verlag Bastei Lübbe
ISBN 978-3-404-16997-9
Bewertung

Inhalt
Stockholm, 1618: Kristina soll mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet werden, um die Familie, die vor dem wirtschaftlichen Ruin steht, zu retten. Doch die junge Frau widersetzt sich und will zu ihrer Tante nach Prag fliehen.
Doch die Reise verläuft nicht wie geplant, denn das Schiff wird angegriffen und sie entkommt nur knapp dem Tod durch Ertrinken – nur um kurz darauf gefangen genommen zu werden.
Böhmen, 1618: Tonda ist von Herzen Musiker, auf seiner Panflöte kann er die schönsten Melodien zaubern. Doch sein Stiefvater verachtet den Jungen. In dem neuen Lehrer findet Tonda eine väterliche Bezugsperson.
Dann bricht ein Krieg aus, und Kristina und Tonda werden in die Wirren hineingezogen…

Meine Meinung
Nach Der Gaukler ist Die Hure und der Spielmann Thomas Ziebulas zweiter Roman, der während des Dreißigjährigen Krieges spielt. Die Romane verlaufen weitestgehend parallel, aus einigen Nebenfiguren des einen Bandes werden Hauptfiguren des anderen und anders herum. Es ist nicht notwendig, den ersten Roman zu kennen, ich würde aber dazu raten, ihn vorher zu lesen, denn Die Hure und der Spielmann umfasst einen größeren Zeitraum, man erfährt in Ansätzen, was mit den Hauptpersonen aus dem Gaukler nach dem Ende des Romans geschieht.
Kristina war mir bekannt und hat mich schon zuvor fasziniert. Hier erfährt man also, wie sie in die Wirren des Krieges hineingeraten und was ihr eigentliches Ziel ist. Kam sie mir am Anfang noch ein wenig wie ein trotzköpfiges, verwöhntes Kind vor, hat sich das nach und nach gegeben und sie wurde als starke Frau dargestellt, die sich in der kriegerischen Männerwelt so gut wie möglich behauptet.
Tonda dagegen war mir zu Beginn sehr sympathisch, war er doch der ungeliebte Stiefsohn, dessen Talent nicht beachtet wurde. Doch je länger er den Einflüssen von Franz ausgesetzt war, umso weniger mochte ich ihn, auch wenn ich verstehen kann, warum Tonda sich so entwickelt. Ähnlich erging es mir mit Franz, der am Anfang nett und verständnisvoll erschien, mit dem Verlauf des Romans aber immer unsympathischer wurde.
Die Charaktere sind überwiegend glaubwürdig und wenig stereotyp dargestellt. Jeder hat seine guten und schlechten Seiten und handelt aus nachvollziehbaren Gründen, auch wenn diese aus heutiger Sicht schwierig nachzuvollziehen sind. Auf kitschige Darstellungen wird verzichtet, vieles spielt sich eher zwischen den Zeilen ab und wird nicht explizit beschrieben. Dadurch bleibt viel Spielraum für Spekulationen.
Auch sonst ist der Roman sehr glaubwürdig. Im Umfeld der Hauptpersonen sterben Menschen, deren Tod beeinflusst das Leben von Tonda und Kristina maßgeblich. Manche Menschen verschwinden aus der Erzählung, ihr Schicksal ist ungewiss, wie es auch im wirklichen Leben passiert. Vielleicht tauchen einige von ihnen auch in einem weiteren Roman des Autors auf…
Auffällig ist auch hier, dass auf die Nennung einzelner Namen verzichtet wird. So wird beispielsweise ein Soldat nie beim Namen genannt. Dies hat mich zwischenzeitlich irritiert, sind es doch wichtige Personen.
Während ich beim Gaukler meine Probleme damit hatte, die zeitliche Orientierung zu behalten, weil Jahreszahlen sehr spärlich angegeben waren, sind hier die einzelnen Abschnitte mit genaueren Angaben überschrieben, was das Lesen sehr vereinfacht hat. Auch das Personenregister war eine große Hilfe.
Allerdings waren mir die zeitlichen Sprünge zum Teil zu groß. So wird beispielsweise über die Schiffsreise und die erste Zeit von Kristinas Gefangenschaft nur rückblickend und zusammenfassend berichtet, obwohl das doch ein wichtiges Ereignis und eine prägende Zeit ist.
Immer wieder erfährt man nebenbei etwas über den Verlauf des Krieges. Fand ich die einzelnen Stationen im Gaukler schwer durchschaubar, ist es mir hier leichter gefallen, den Überblick zu behalten. Dabei wird der Krieg in all seinen Facetten beleuchtet, ohne dass allzu sehr auf grausame Details eingegangen wird.
Auch hier gilt, dass man nach Möglichkeit den Klappentext nicht genau lesen sollte, da ziemlich viel aus späteren Abschnitten des Romans vorweggenommen wird, allerdings ist es hier nicht ganz so extrem wie bei Ziebulas Gaukler.

Fazit
War Der Gaukler noch eine große positive Überraschung für mich, hatte ich hier eigentlich fest damit gerechnet, dass dieser Roman mir gefallen würde. Und ich wurde nicht enttäuscht.
Wer sich über die Liebesgeschichte hinaus für das Thema des Dreißigjährigen Krieges interessiert kann hier gerne genauer hinschauen.

Vielen Dank an Bastei Lübbe und Lovely Books für das Leserunden-Exemplar!