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Charlotte Roth – Wenn wir wieder leben

AutorCharlotte Roth
TitelWenn wir wieder leben
Seitenzahl604
VerlagKnaur
ISBN978-3-426-52030-7
Bewertung

Inhalt
Berlin, 1963: Wanda ist friedlich mit ihrer Mutter, ihrer Tante und ihren zwei Schwestern aufgewachsen. Doch an der Uni lernt sie Andras kennen, einen jüdischen Studenten, der durch den Holocaust viele Familienangehörige verloren hat und unbequeme Fragen stellt. Wanda wird bewusst, dass sie nichts über die Vergangenheit ihrer Eltern weiß und setzt ihre Mutter unter Druck.
Zoppot bei Danzig, 1927: Gundi ist ein fröhliches Mädchen, das am liebsten mit Musik ihr Geld verdienen würde. Die passende Band hat sie schon gefunden, nur fehlt ihr das eine besondere Lied. Kann sie es schreiben, wenn sie das Gefühl der Liebe empfindet?

Meine Meinung
Unter ihrem richtigen Namen Charlotte Lyne hat sie Romane geschrieben, die zeitlich etwas länger zurück liegen, als Charlotte Roth beschäftigt sich die Autorin nun mit der jüngeren Geschichte. Wer mich kennt, weiß, dass mich Romane über diese Zeit nicht ganz so sehr ansprechen, doch hier mache ich gerne eine Ausnahme.
Wer schon Romane von Charlotte Lyne kennt, kann auch hier den besonderen Sprachstil ausfindig machen, der die Werke dieser Autorin von anderen abhebt. Er ist mal poetisch, dann wieder derb, manchmal auch schwülstig, in der Gesamtheit ist er einfach anders, einzigartig, ohne, dass ich dies immer an konkreten Punkten festmachen könnte. Auffällig ist in diesem Roman, dass viele Begriffe, Redewendungen und sprachliche Besonderheiten aus dem Danziger Sprachraum verwendet werden, die für meine hessischen Ohren doch eher ungewohnt klingen, jedoch wunderbar zu einem Buch passen, in dem es zumindest zum Teil auch um Identitätsfindung geht, wenn diese Sprache doch einen Teil von Wanda ausmacht.
Der Klappentext des Romans lässt einen Liebesroman vermuten. Doch auch wenn Liebe nicht selten ein Thema ist, so sind kaum Elemente eines typischen Liebesromans enthalten. Es geht mehr um das Gefühl der Liebe, die Auswirkungen, die diese auf die Menschen hat, als um die Beschreibung zwischenmenschlicher Beziehungen.
Der Schwerpunkt der Handlung liegt jedoch auf dem Werdegang von Gundis Band, die sich plötzlich, als die Nazis die Macht übernehmen, nicht mehr Band nennen darf. Es geht um junge Menschen, die prinzipiell unpolitisch sind, die mit der Ideologie der Nationalsozialisten nichts anfangen können, sich aber trotzdem für deren Zwecke einspannen lassen, weil sie darin nichts Schlimmes erkennen können, in diesem Fall eben der Unterhaltungsindustrie.
Hier steht deutlich Gundi im Zentrum des Geschehens, von ihr konnte ich mir ganz gut ein Bild machen, während andere Mitglieder der Band, insbesondere Lore, deutlich in den Hintergrund treten. Gundi ist eine junge Frau, die von ihrem Großvater verwöhnt wird und kaum Verpflichtungen hat, die in den Tag hinein leben kann, während ihre Freunde es schwer haben und selten richtig satt werden. Mir war sie nicht sonderlich sympathisch, viele ihrer Entscheidungen haben mir gar nicht gefallen, dennoch waren diese weitestgehend nachvollziehbar, so dass ich Gundi zwar als etwas überzeichneten, aber dennoch glaubwürdigen Charakter wahrnehme.
Es gibt größere Zeitsprünge, hier ein paar Monate, dort etliche Jahre, jedoch erscheint die Handlung aus einem Guss. Ist in der Zwischenzeit etwas geschehen, das für die Handlung relevant ist, erfährt man davon früh genug.
Neben dem Werdegang der Band werden kleinere Einblicke in die Verwaltung der NSDAP gegeben, in die Abläufe, die letzten Endes zum Anschluss Danzigs an das Reich geführt haben. Diese sind sinnvoll, um einen Überblick über die politische Situation über die Jahre hinweg zu erhalten.
Der Handlungsstrang, der sich mit Wanda beschäftigt, fällt dagegen deutlich kürzer aus und ist zudem ein wenig zerklüftet. Auch wenn hier die zeitlichen Sprünge deutlich kürzer ausfallen, hätte ich mir mehr Informationen über die Zeitspannen dazwischen erhofft. Insbesondere gegen Ende hätte ich mir ausführlichere Beschreibungen erhofft, ich hatte meine Schwierigkeiten damit, mir vorzustellen, wie Wanda an die ganzen Informationen gekommen ist.
Wer Romane über die NS-Zeit liest, sollte sich bewusst sein, dass auch schon mal drastische Beschreibungen enthalten sein können. So auch hier. Zwar wälzt die Autorin dies nicht breit, aber es kommt zu der einen oder anderen gewaltsamen Szene, es gibt Tote und Verletzte.
In einem sehr persönlichen Nachwort geht Charlotte Roth auf ihre Beziehung zu Danzig und Zoppot ein und erklärt, warum sie dieses Buch schreiben musste, auch ein paar Hinweise zu den tatsächlichen Ereignissen lassen sich hier finden. Daneben gibt es auch ein Glossar, das insbesondere für Begriffe in Missingsch hilfreich ist, sowie im vorderen Einband eindrucksvolle Fotos von Danzig vor und nach dem Krieg.

Fazit
Hier stehen nicht die Täter, Opfer oder Widerständler im Zentrum der Handlung, sondern normale Menschen, die durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten Vorteile erhalten, selbst aber politisch uninteressiert sind. Für mich eine Sichtweise, über die ich noch nicht allzu viel gelesen habe. Die etwas überzogen dargestellten Charaktere haben bei mir für eine gewisse Distanz gesorgt, trotzdem würde ich diesen Roman gerne weiter empfehlen.

Eric Walz – Die Sternjägerin

AutorEric Walz
TitelDie Sternjägerin
Seitenzahl413
VerlagBlanvalet
ISBN978-3-442-37133-4
Bewertung

Inhalt
Danzig, 1622: Als Kind erliegt Elisabeth Koopmann der Faszination des Sternenhimmels. Dies ist in ihrem protestantischen Elternhaus nicht gerne gesehen. Der einzige Ausweg aus dem strengen Regime ihrer Tante scheint eine baldige Heirat zu sein.
Bald gibt es Gespräche über eine Verlobung zwischen Elisabeths Schwester Lil und dem Soldaten Marek, woraufhin entschieden wird, dass Elisabeth unverheiratet bleiben und im Haushalt helfen soll.
Marek jedoch will gar nicht heiraten, stattdessen geht er eine heimliche Beziehung zu Elisabeth ein, die nicht daran denkt, sich im Haus einsperren zu lassen.
Dann jedoch bietet sich eine neue Gelegenheit, die sie den Sternen näherbringen kann…

Meine Meinung
Bei diesem Buch handelt es sich um einen biografischen Roman um die Astronomin Elisabeth Hevelius, über die allerdings nicht viel bekannt ist. Doch das, was belegt ist, dient hier als Gerüst für einen unterhaltsamen und glaubwürdigen Roman.
Die Hauptpersonen Hevelius und Elisabeth sind beide sehr authentisch und als Menschen ihrer Zeit dargestellt, er als Mann, der sich nicht vorstellen kann, dass eine Frau zu wissenschaftlichem Arbeiten in der Lage ist, sie, die unbedingt aus ihrem Leben voller Vorschriften ausbrechen will und vom Himmel fasziniert ist, im Leben aber auch Anerkennung sucht.
Auch Marek, der Soldat, der nicht recht weiß, was er vom Leben will, hat mir gut gefallen. Als Gegenpol zu Hevelius und seiner trockenen Art passt er zu der beschriebenen jungen Frau, dadurch wird es leichter, Elisabeths Entscheidung für die Ehe zu verstehen.
Weniger überzeugend fand ich dagegen die boshafte Tante Hemma und Elisabeths Schwester Lil. Die Gründe, warum sie sind, wie sie sind, und entsprechend handeln, waren einfach für mich nicht schlüssig.
Besonders viel Spannung darf man nicht erwarten, sie beschränkt sich meist darauf, ob bzw. wann Elisabeths Affäre aufgedeckt wird. Auch der Prolog, der gegen Ende des Buches wieder aufgegriffen wird, nimmt einiges an Spannung vorweg. Abgesehen davon plätschert die Geschichte so vorn sich hin.
In einem Nachwort wird noch einmal erklärt, was über Elisabeth Hevelius nun tatsächlich bekannt ist und welche tatsächlichen Ereignisse als Inspiration gedient haben, auch über ihr Leben nach dem Ende des Romans wird noch einmal kurz eingegangen

Fazit

Ein leicht zu lesender, dabei aber interessanter Roman über die Astronomie im 17. Jahrhundert, in dem die Liebesgeschichte einen nicht zu vernachlässigenden Raum einnimmt. Als seichten Frauenroman würde ich dieses Buch aber nicht bezeichnen.