Vor ein paar Monaten habe ich mich mit meinem Vater über Anachronismen in Romanen unterhalten, über Dinge, die es zu dem Zeitpunkt, zu dem der Roman spielt, am jeweiligen Handlungsort nachweislich noch nicht in der Form gegeben hat.
Ich war der Meinung, dass nicht jeder Anachronismus gleichwertig negativ gesehen werden darf. Eine Kartoffel im Mittelalterroman beispielsweise stört mich mehr als eine Baumart, die erst ein Jahrhundert später in diesem Land heimisch geworden ist, und Gegenstände, die für die Handlung wichtig sind, finde ich schlimmer als solche, die eigentlich nur beiläufig erwähnt werden. Über die Kartoffel ärgere ich mich regelrecht, schließlich gehört das meiner Meinung nach zur Allgemeinbildung, dass sie aus Amerika stammt und somit allerfrühestens Ende des 15. Jahrhunderts nach Europa gekommen sein kann – dass es dann noch einmal ein paar Jahrhunderte gedauert hat, bis sie auch auf dem Speiseplan stand, kommt dann noch dazu. Wann aber nun bestimmte Pflanzensorten sich wie innerhalb Europas verbreitet haben ist dagegen Spezialwissen.
Mein Vater dagegen meinte, dass sich der Autor bei jedem einzelnen Gegenstand sicher sein sollte, ob er denn wirklich zu dieser Zeit schon existiert hat, und im Zweifelsfall sollte man lieber darauf verzichten, ihn zu erwähnen.
Manche Anachronismen kommen auch häufiger vor, wie beispielsweise die Kutsche. Zwar hatten die Römer schon etwas Ähnliches entwickelt, doch ist die Erfindung in Vergessenheit geraten. Erst gegen Ende des Mittelalters wurde sie neu erfunden. In nicht wenigen Romanen, die früher spielen, kommt aber eine Kutsche vor, nicht selten spielt sie für die Handlung eine wichtige Rolle, weil die Kutsche überfallen wird, dort ungestört geredet werden kann, in ihr Rollen getauscht werden und so weiter.
Ebenfalls häufiger bin ich schon über Falkenhauben gestolpert, diese kleinen Lederkäppchen, die den Greifvögeln bei der Beizjagd über den Kopf gezogen werden. Diese sind erst mit Kaiser Friedrich II. nach Europa gekommen, vorher gab es sie nur im Orient. Zwar werden diese Hauben in den Romanen meist nur beiläufig erwähnt und sind für die Handlung nicht wichtig, dennoch stolpere ich jedes Mal darüber, seit ich durch einen anderen Roman darauf aufmerksam geworden bin.
Und dann gibt es ja auch noch Dinge, die es früher schon gab, die man aber nicht mit dem heutigen Begriff benannt hat. Im engeren Sinne bezeichnet Tee einen Aufguss mit Bestandteilen der Teepflanze, die erst im 17. Jahrhundert in Europa bekannt geworden ist, doch der Begriff wird heute auch für andere heiße Aufgüsse verwendet. Mich stört dieser Begriff in Mittelalterromanen eher weniger, denn wenn jedes Wort gestrichen würde, das es damals nicht gegeben haben kann, wären die Romane wohl wesentlich anstrengender zu lesen.
Was denkt ihr? Stört ihr euch überhaupt an Anachronismen? Und wenn ihr über welche stolpert, ärgert ihr euch darüber oder lest ihr einfach weiter? Welche sind euch schon begegnet?