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Tom Finnek – Unter der Asche

AutorTom Finnek
TitelUnter der Asche
SerieLondon Band 1
Seitenzahl655
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-16051-8
Bewertung

Inhalt
London, 1666: Nachdem ein Großteil der Stadt in Flammen aufgegangen ist, wird ein Franzose als Brandstifter ausgemacht und kurz darauf hingerichtet. Doch Geoffrey Ingram, ein Straßenjunge aus Southwark, weiß, dass der Franzose unschuldig ist. Er weiß besser als jeder Andere, wie das Feuer ausbrechen konnte, denn er ist dabei gewesen! Auf Anraten seines Lehrers, des Eremiten von St. Olave’s, schreibt er seine Geschichte nieder, die an dem Tag begann, als seine Schwester verschwand und sein Vater starb, eine Geschichte voller Lügen, Tod, unerwiederter Liebe, Misstrauen, Hass und jeder Menge Geheimnisse.

Meine Meinung
Das Auffälligste an diesem Roman ist der Aufbau, denn dieser Roman wird immer wieder aus anderen Perspektiven erzählt, der Schreibstil dabei an den jeweiligen Erzähler angepasst. Über einige längere Abschnitte ist Geoffrey Ingram der Ich-Erzähler, ein dreizehnjähriger Junge, der seine Sicht der Dinge so darstellt, wie sie ihm gerade einfallen, sprunghaft, von einem Thema zum anderen wechselnd, und immer wieder spricht der Junge seine Leser auch direkt an. Die anderen Abschnitte werden dagegen von einem personalen Erzähler beschrieben, der tatsächlich immer auch nur die Dinge wiedergibt, die die jeweilige Hauptperson des Abschnitts erfährt. Dadurch kommt es gelegentlich zu kurzen Überschneidungen der Handlung, wenn eine Szene mehrfach beschrieben wird, doch diese Überschneidungen sind nie überflüssig, immer erfährt man dadurch etwas Neues, was für die Handlung wesentlich ist.
Eine weitere Eigenart des Romans ist, dass er nicht zwingend chronologisch fortschreitet, sondern es immer wieder Sprünge in die Vergangenheit gibt, mal hier ein paar Monate zurück, da ein paar Jahre, um die aktuellen Entwicklungen erklären zu können. Immer wieder erwirbt der Leser dabei neue Erkenntnisse, die aber gelegentlich schon bald wieder umgeworfen werden, wenn sich ein neues Puzzleteil ins Gesamtbild fügt. Manche dieser Wendungen haben sich schon früh angedeutet, manche wiederum kamen für mich sehr überraschend.
Auch wenn der große Brand von London der Ausgangspunkt dieses Romans ist, so steht er jedoch nicht im Zentrum des Geschehens, vielmehr wird eine Geschichte gesponnen, wie es möglicherweise dazu gekommen sein könnte.
Unter der Asche ist eine Geschichte über eine Familie, in der es keinen Zusammenhalt gibt und die am Rande der Gesellschaft lebt. Jeder lebt und arbeitet überwiegend für sich, und als nach und nach alle Mitglieder der Familie nach und nach verschwinden denkt sich kaum jemand etwas dabei.
Die einzelnen Personen sind extrem vielschichtig aufgebaut, man weiß nie, woran man eigentlich mit ihnen ist. Aus der Sicht der einen Person werden sie so beschrieben, eine andere Person sieht sie dagegen völlig anders. So wirkt Geoff zunächst sehr pfiffig, ist er doch zu Beginn der eigentlichen Geschichte erst zwölf Jahre alt, dennoch reimt er sich nach und nach alles zusammen. Seine Schwester Jezebel dagegen sieht ihn als eine Nervensäge an, die immer viel zu neugierig ist und nichts für sich behalten kann. So manches Mal wird auch ein schon gefasstes Bild mal eben wieder umgeschmissen, so dass man hier kaum von Schwarz-Weiß-Malerei reden kann.
Nebenbei werden verschiedene andere Themen erwähnt. So erfährt man etwas über diverse reformatorische Strömungen wie die Quäker oder auch die Digger, die sich zur Zeit des Protektorats gebildet haben. Doch nicht nur religiöse Themen werden bedacht, so ganz nebenbei wird hier auch der Mord an einem Pfarrerssohn aufgeklärt, und auch ein Serienmörder, der als Southbank Slasher bekannt ist, spielt eine nicht unwichtige Rolle. Um einen Krimi handelt es sich allerdings nicht, weil diese Verbrechen nicht gezielt bekämpft, sondern eher beiläufig thematisiert werden.
Fiktive Personen werden gekonnt mit realen Personen und Ereignissen verwoben, so dass sich daraus ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Nicht alle Geheimnisse werden zum Ende vollständig aufgeklärt, einige Fragen bleiben völlig offen, andere werden nur zum Teil gelöst. Trotzdem war das Ende für mich zufriedenstellend gelöst.
Auch wenn die Familie Ingram und damit die Ereignisse, die zur Brandnacht führen, fiktiv sind, so werden sie doch so stimmig beschrieben, dass man glauben könnte, dass es so und nicht anders gewesen sein muss. Nur gelegentlich hatte ich den Eindruck, dass der Zufall nun doch eine etwas zu große Rolle eingenommen hat, doch im Großen und Ganzen konnte mich die Handlung überzeugen.
Historische Nachbemerkungen in dem Sinne gibt es nicht, so bleibt leider unklar, was nun tatsächlich passiert und was erfunden ist. Am Ende des Buches findet man Anmerkungen, die nach Seitenzahl sortiert sind und Erklärungen zu Ereignissen, Personen und Worten bieten. Leider ist im Roman selbst nicht vermerkt, zu welchen Begriffen man Anmerkungen finden kann, so dass ich diese oft erst im Nachhinein gelesen habe.

Fazit
Bei Unter der Asche handelt es sich um einen Roman, der sich nicht in irgend welche Schubladen stecken lässt. Er vermag immer wieder zu überraschen und mit neuen Wendungen aufzutrumpfen und widerspricht sich dabei nie selbst. Eine klare Empfehlung für London-Fans, die auch verwirrenderen Geschichten etwas abgewinnen können, einen Roman über den großen Brand selbst sollte man hier allerdings nicht erwarten.

Sabine Weiß – Das Geheimnis von Stralsund

AutorSabine Weiß
TitelDas Geheimnis von Stralsund
Seitenzahl624
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-17146-0
Bewertung

Inhalt
Rügen, 1627: Zusammen mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester lebt Sina bei Mönchgut auf der Insel Rügen. Bisher sind sie vom Krieg, der schon neun Jahre tobt, verschont geblieben, und Sinas größte Sorge ist, dass ihr Vater, der Kapitän eines Handelsschiffs, auf See verunglücken könnte.
Dieses Mal jedoch bringen die Seeleute beunruhigende Neuigkeiten mit: Das kaiserliche Heer ist im Anmarsch!
Tausende Söldner werden auf der Insel einquartiert, auf der es weder genügend Nahrung noch ausreichend Brennstoff gibt. Und so lassen auch die ersten Übergriffe nicht lange auf sich warten… Ist eine Flucht nach Stralsund vielleicht doch die bessere Wahl?

Meine Meinung
Dieser Roman beginnt mit einem Paukenschlag, denn anders als gewohnt spielt der Prolog nicht zeitlich vor dem ersten Kapitel, sondern ein paar Monate später. Die beschriebene Szene ist nach etwa hundert Seiten einzuordnen. Am Anfang stehend wirkt sie sehr verwirrend, kennt man doch die handelnden Personen nicht und weiß nicht, was da eigentlich genau beschrieben ist. Dies ist ein geschickter Schachzug, denn so war ich gespannt, wie es überhaupt dazu kommen konnte.
Die ersten Kapitel dagegen sind eher beschaulich, sehr ausführlich beschreibt die Autorin das Leben auf der Insel und charakterisiert einzelne Personen. Ohne die spannende Szene zu Beginn hätte ich diese Beschreibungen wohl als langatmig aufgefasst, doch so hat es einfach gepasst.
Sina erscheint hier direkt als verantwortungsbewusste ältere Schwester an der Schwelle zum Erwachsenenalter, die aber auch gelegentlich noch kindliche Züge zeigt. Schiffe faszinieren sie sehr, und ein kleines Boot, das sie selbst repariert hat, ist ihr großes Geheimnis. Die kleine Dorthie ist ein kleines Kind, das schnell zu begeistern ist und sich auch an neue Situationen schnell gewöhnt.
Leif ist erster Steuermann auf einem Handelsschiff, eine verantwortungsvolle Position, die er sehr jung erreicht hat. Er hat dazu ein großes Herz und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
So ganz ohne Stereotype kommt dieser Roman aber doch nicht aus, denn insbesondere in den Reihen der Söldner finden sich so einige Charaktere, die ohne offensichtlichen Grund einfach nur böse sind oder aber unmoralisch und niederträchtig handeln.
Schwerpunkt dieses Romans ist das Leben, das Leid der Menschen und die Liebe. Letztere spielt eine wichtige Rolle, ist aber nicht so dominant, dass sie alles andere überlagert, wie es in vielen anderen Romanen der Fall ist. Außerdem ist dies die Geschichte zweier Schwestern, die auf sich alleine gestellt sind und mit der Situation zurechtkommen müssen.
Während mir die Geschichte über weite Teile sehr gut gefallen hat, fällt das Ende hier leider ein wenig ab. Das war mir dann doch ein wenig zu viel, ohne den Epilog hätte mir der Roman möglicherweise besser gefallen.
Der historische Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges ist immer präsent. Die Gründe für den Krieg sind dabei nebensächlich, wichtig ist, was gerade in der Gegend passiert. So werden die Einquartierung der Söldner auf Rügen und die Belagerung Stralsunds anschaulich beschrieben, sie tragen wesentlich zur Handlung bei, verkommen also nicht zur Kulisse. Auch die Haltung der anderen Länder und der Hanse während dieses Konflikts wird anschaulich beschrieben. Vorwissen wird nicht benötigt, kann aber keinesfalls schaden.

Fazit
Mir hat dieser Roman überraschend gut gefallen, auch denn das Ende ein wenig überzogen ist. Dabei wird der historische Hintergrund überzeugend dargestellt, aber nicht haarklein beschrieben, die Liebesgeschichte nett ausgearbeitet, aber nicht zu dominant. Wer sich für das Thema interessiert, aber nicht allzu tief in die Wirren des Krieges einsteigen will, sollte hier einen Blick riskieren.

Vielen Dank an Bastei Lübbe und Lovely Books für das Leserunden-Exemplar!

Maren Winter – Das Lied des Glockenspielers

AutorMaren Winter
TitelDas Lied des Glockenspielers
Seitenzahl447
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-24993-8
Bewertung

Inhalt
Lübeck, 1665: Früher ein aktives, vorlautes Mädchen, ist die junge Kaufmannstochter Cäcilie seit einigen Jahren verstummt und nach außen hin völlig verrückt. Ihr Onkel ist bestrebt, sie in ein Kloster zu stecken, während ihr Vater sie gerne an ihren Vetter Thiedemann verheiraten würde, der sie allerdings wie eine Schwester liebt.
Liron Dulcius, ein musikalischer Habenichts, ist nach Lübeck gekommen, um in der Kirche St. Marien um Arbeit als Kalkant oder gar Glockenspieler zu bitten. Als er auf Cäcilie trifft, ist er sofort fasziniert. Er erkennt, dass sie nicht wirklich stumm ist und hofft, ihr durch seine Musik ihre Stimme zurückzugeben.

Meine Meinung
Normalerweise bin ich jemand, der bei einem Roman hauptsächlich auf den Inhalt und weniger auf den Schreibstil achtet. Über Details lese ich in der Regeln einfach hinweg, Aufmerksamkeit schenke ich dem Stil meist nur dann, wenn er sehr kompliziert und dadurch das Buch schwer zu lesen ist.
Hier jedoch konnte ich kaum anders, denn der Roman handelt nicht nur von Musik, sondern man kann sie zwischen den Zeilen fast hören. Es werden immer wieder Geräusche beschrieben, selbst die ganz leisen Töne haben hier eine große Wirkung. Auch die Namen der Hauptpersonen leiten sich von den Bezeichnungen für verschiedene barocke Instrumente ab. Dies fand ich im Nachhinein ein wenig übertrieben, doch da mir die meisten Begriffe nicht bekannt waren, obwohl ich selbst Barockmusik sehr gerne mag, hat es mich während des Lesens nicht weiter irritiert.
Zudem wird immer wieder beschrieben, wie musiziert wird. Hier geht es um die Orgel, da um das Glockenspiel. Ich kann mir vorstellen, dass diese Szenen für Menschen, die sich wenig mit Musik und den Instrumenten dieser Zeit auskennen, langweilig oder gar verwirrend sein könnten, auch wenn die Fachbegriffe im Anhang erklärt werden.
Die Handlung selbst ist jetzt nicht groß überraschend und beinhaltet eigentlich wenig Neues: Durch Musiktherapie soll eine junge Frau ein Trauma überwinden. Doch was genau damals eigentlich passiert ist bleibt lange im Dunkeln, niemand scheint etwas zu wissen. Aufmerksame Leser werden aber schon früh erste Hinweise entdecken, wodurch die Auflösung recht vorhersehbar wird. Trotzdem ist die Geschichte zu Beginn nett zu lesen und wird gegen Ende immer spannender. Sie verläuft über etwa ein Jahr mit gelegentlichen Pausen. Leider gibt es nur selten Angaben zur Jahreszeit, so dass man genau lesen muss, um zu erkennen, wie viel Zeit zwischen den Kapiteln vergangen ist.
Gut gefällt mir, dass die Charaktere nicht einseitig beschrieben werden, sondern verschiedene Seiten zeigen. Ein Beispiel dafür ist die Magd Trine, die gerne mit Männern zusammen ist, Cäcilie aber auch eine gute Freundin ist. Und Thiedemann ist auch sehr schwer einzuordnen, mal verhält er sich absolut standesgemäß, hochnäsig den niedriger Gestellten gegenüber, dann wiederum pflegt er einen sehr kameradschaftlichen Umgang mit ihnen, so dass diese nie wissen, woran sie gerade mit ihm sind.
Liron als Hauptperson hat mir besonders gut gefallen. Er ist extrem musikalisch und kann kleinere Ungenauigkeiten heraushören, obwohl er erst spät an die Musik herangeführt wurde. Zudem ist er ein guter, geduldiger Zuhörer, der auch in die Menschen hineinhört, wenn diese stumm bleiben – eine gute Voraussetzung bei der Arbeit mit einem stummen Mädchen.
Cäcilie selbst ist eine sehr interessante Person. Nach außen hin gibt sie sich gelegentlich extra sehr verwirrt, da ihre Gedanken aber dem Leser bekannt sind wird klar, dass sie ihre Ziele verfolgt.
Aus dieser Zusammenstellung wird klar, dass es hier wohl zu einer Liebesgeschichte kommen wird. Diese steht aber auch eher im Hintergrund, nur gegen Ende wird mehr Gewicht darauf gelegt.
Eingebettet ist die Handlung in die Geschichte Lübecks, die Konflikte zwischen den Handwerkern und den Händlern spielen eine größere Rolle und dienen nicht bloß als historische Kulisse. Die Stadt selbst ist lebendig beschrieben, man trifft auf Menschen aus den verschiedensten Schichten.

Fazit
Inhaltlich bietet der Roman wenig Neues, ist dabei aber sehr nett und auch spannend erzählt. Ich hatte meine Freude mit diesem Buch, kann mir aber vorstellen, dass es für Leser ohne Musikkenntnisse eher uninteressant sein könnte.

Thomas Ziebula – Die Hure und der Spielmann

AutorThomas Ziebula
TitelDie Hure und der Spielmann
Seitenzahl687
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-16997-9
Bewertung

Inhalt
Stockholm, 1618: Kristina soll mit einem wesentlich älteren Mann verheiratet werden, um die Familie, die vor dem wirtschaftlichen Ruin steht, zu retten. Doch die junge Frau widersetzt sich und will zu ihrer Tante nach Prag fliehen.
Doch die Reise verläuft nicht wie geplant, denn das Schiff wird angegriffen und sie entkommt nur knapp dem Tod durch Ertrinken – nur um kurz darauf gefangen genommen zu werden.
Böhmen, 1618: Tonda ist von Herzen Musiker, auf seiner Panflöte kann er die schönsten Melodien zaubern. Doch sein Stiefvater verachtet den Jungen. In dem neuen Lehrer findet Tonda eine väterliche Bezugsperson.
Dann bricht ein Krieg aus, und Kristina und Tonda werden in die Wirren hineingezogen…

Meine Meinung
Nach Der Gaukler ist Die Hure und der Spielmann Thomas Ziebulas zweiter Roman, der während des Dreißigjährigen Krieges spielt. Die Romane verlaufen weitestgehend parallel, aus einigen Nebenfiguren des einen Bandes werden Hauptfiguren des anderen und anders herum. Es ist nicht notwendig, den ersten Roman zu kennen, ich würde aber dazu raten, ihn vorher zu lesen, denn Die Hure und der Spielmann umfasst einen größeren Zeitraum, man erfährt in Ansätzen, was mit den Hauptpersonen aus dem Gaukler nach dem Ende des Romans geschieht.
Kristina war mir bekannt und hat mich schon zuvor fasziniert. Hier erfährt man also, wie sie in die Wirren des Krieges hineingeraten und was ihr eigentliches Ziel ist. Kam sie mir am Anfang noch ein wenig wie ein trotzköpfiges, verwöhntes Kind vor, hat sich das nach und nach gegeben und sie wurde als starke Frau dargestellt, die sich in der kriegerischen Männerwelt so gut wie möglich behauptet.
Tonda dagegen war mir zu Beginn sehr sympathisch, war er doch der ungeliebte Stiefsohn, dessen Talent nicht beachtet wurde. Doch je länger er den Einflüssen von Franz ausgesetzt war, umso weniger mochte ich ihn, auch wenn ich verstehen kann, warum Tonda sich so entwickelt. Ähnlich erging es mir mit Franz, der am Anfang nett und verständnisvoll erschien, mit dem Verlauf des Romans aber immer unsympathischer wurde.
Die Charaktere sind überwiegend glaubwürdig und wenig stereotyp dargestellt. Jeder hat seine guten und schlechten Seiten und handelt aus nachvollziehbaren Gründen, auch wenn diese aus heutiger Sicht schwierig nachzuvollziehen sind. Auf kitschige Darstellungen wird verzichtet, vieles spielt sich eher zwischen den Zeilen ab und wird nicht explizit beschrieben. Dadurch bleibt viel Spielraum für Spekulationen.
Auch sonst ist der Roman sehr glaubwürdig. Im Umfeld der Hauptpersonen sterben Menschen, deren Tod beeinflusst das Leben von Tonda und Kristina maßgeblich. Manche Menschen verschwinden aus der Erzählung, ihr Schicksal ist ungewiss, wie es auch im wirklichen Leben passiert. Vielleicht tauchen einige von ihnen auch in einem weiteren Roman des Autors auf…
Auffällig ist auch hier, dass auf die Nennung einzelner Namen verzichtet wird. So wird beispielsweise ein Soldat nie beim Namen genannt. Dies hat mich zwischenzeitlich irritiert, sind es doch wichtige Personen.
Während ich beim Gaukler meine Probleme damit hatte, die zeitliche Orientierung zu behalten, weil Jahreszahlen sehr spärlich angegeben waren, sind hier die einzelnen Abschnitte mit genaueren Angaben überschrieben, was das Lesen sehr vereinfacht hat. Auch das Personenregister war eine große Hilfe.
Allerdings waren mir die zeitlichen Sprünge zum Teil zu groß. So wird beispielsweise über die Schiffsreise und die erste Zeit von Kristinas Gefangenschaft nur rückblickend und zusammenfassend berichtet, obwohl das doch ein wichtiges Ereignis und eine prägende Zeit ist.
Immer wieder erfährt man nebenbei etwas über den Verlauf des Krieges. Fand ich die einzelnen Stationen im Gaukler schwer durchschaubar, ist es mir hier leichter gefallen, den Überblick zu behalten. Dabei wird der Krieg in all seinen Facetten beleuchtet, ohne dass allzu sehr auf grausame Details eingegangen wird.
Auch hier gilt, dass man nach Möglichkeit den Klappentext nicht genau lesen sollte, da ziemlich viel aus späteren Abschnitten des Romans vorweggenommen wird, allerdings ist es hier nicht ganz so extrem wie bei Ziebulas Gaukler.

Fazit
War Der Gaukler noch eine große positive Überraschung für mich, hatte ich hier eigentlich fest damit gerechnet, dass dieser Roman mir gefallen würde. Und ich wurde nicht enttäuscht.
Wer sich über die Liebesgeschichte hinaus für das Thema des Dreißigjährigen Krieges interessiert kann hier gerne genauer hinschauen.

Vielen Dank an Bastei Lübbe und Lovely Books für das Leserunden-Exemplar!

Neal Stephenson – Quicksilver

AutorNeal Stephenson
TitelQuicksilver
OriginaltitelQuicksilver
ÜbersetzerJuliane Gräbener-Müller und Nikolaus Stingl
SerieBarock-Trilogie Band 1
Seitenzahl1147
VerlagGoldmann
ISBN978-3-442-46183-7
Bewertung

Inhalt
England, Mitte des 17. Jahrhunderts: Wenn es nach seinem Vater, einem Puritaner, ginge, sollte Daniel Waterhouse Priester werden. Dieser interessiert sich aber viel mehr für die Mathematik und die Naturphilosophie. Schon bald freundet er sich mit seinem Studienkollegen Isaac Newton an, der immer öfter in seiner eigenen Welt zu versinken scheint.
Mitteleuropa, zur gleichen Zeit: Jack Shaftoe ist ein Tunichtgut, wie er im Buche steht, ein Landstreicher, Betrüger, gelegentlich auch Soldat und bald darauf Deserteur, wie es ihm gerade gelegen kommt. Durch die Syphilis ist er nicht immer klar im Kopf.
Während eines Kriegszugs gen Wien trifft er auf Eliza, die als Sklavin bei den Sarazenen lebt…

Meine Meinung
Dieser Roman besteht aus drei Büchern. In dem ersten geht es um Daniel Waterhouse und die Naturphilosophie, im zweiten um Jack und Eliza und um Handel, im dritten Buch dann um Daniel und Eliza und Politik.
Der Schreibstil ist dabei wenig konsequent. Mal wird einfach nur spannend erzählt, welche Abenteuer die Hauptpersonen erleben, mal ernst, mal humorvoll beschrieben. Dann wiederum gibt es seitenlange Beschreibungen der Forschungen, die von Newton oder der Royal Society durchgeführt werden, die ich nicht selten einfach nur langweilig fand. Einige Szenen sind in Form eines Theaterstücks oder eines Protokolls geschrieben, und insbesondere im dritten Buch gibt es viele Briefe. Ein Kapitel endet sogar mitten im Satz, so dass ich zunächst gedacht habe, dass es sich um einen Fehldruck handelt. Man kann sich also nie sicher sein, was einen auf der nächsten Seite erwartet.
Mit der Geschichte Englands im 17. Jahrhundert kenne ich mich wenig aus, insbesondere, was die diversen religiösen Strömungen angeht. Und so war es für mich nicht immer leicht, den Handlungen insbesondere im ersten Buch zu folgen. Ausführliche Fußnoten helfen ein wenig, für mich waren sie jedoch nicht ausreichend, so dass ich mich über das Buch hinaus informieren musste.
Und so war insbesondere das erste Buch für mich sehr schwer und eher langweilig zu lesen. Die nächsten beiden Bücher sind dagegen wesentlich ansprechender, obwohl auch diese ihre drögen Passagen hatten. Jacks Beschreibungen seiner Abenteuer sind gelegentlich etwas wirr, was aber wohl auch gewollt ist, denn seine Syphilis in einem späten Stadium sorgt dafür, dass er nicht ganz Herr seiner Sinne ist. Allerdings ist seine Geschichte hier nicht zu Ende erzählt, sie hängt ein wenig in der Luft und wird seine Fortsetzung wohl im zweiten Band, Confusion, finden.
Eliza ist eine Person, aus der ich nicht schlau werde. Sie stammt aus dem fiktiven Land Qwghlm, ist sehr gewitzt und vollführt einen ungeheuren Aufstieg, der wenig glaubwürdig ist. Doch scheint dieser Roman in einer Art alternativer Geschichte zu spielen, da es neben dem fiktiven Land Qwghlm eben auch andere Dinge gibt, die einfach als Tatsachen aufgestellt werden, die ich mir aber schwer vorstellen kann. Leider gibt es kein Nachwort, in dem der Autor über Abweichungen von der tatsächlichen Historie informiert hätte.

Fazit
Bei diesem Buch handelt es sich um einen Wälzer, der sich mit einigen verschiedenen Themen beschäftigt, keinen einheitlichen Stil aufweist und mit einem offenen Ende aufwartet. Wer leichte Lektüre für Nebenbei sucht, ist hier völlig falsch. Man sollte sich schon für einige der Themen interessieren, sonst wird man diesen Wälzer möglicherweise schon bald gelangweilt zur Seite legen.