Schlagwort-Archive: 16. Jh.

Maren Winter – Der Stundensammler

AutorMaren Winter
TitelDer Stundensammler
Seitenzahl495
VerlagHeyne
ISBN978-3-453-40146-4
Bewertung

Inhalt
Worzeldorf in der Nähe von Nürnberg, 1502: Severin ist erst elf Jahre alt, doch groß und kräftig gebaut. Eigentlich sollte er seinen Pflegeeltern eine große Hilfe bei der Führung des Hofes sein, doch passt er nicht so recht in die Familie. Sein hohes mechanisches Verständnis sorgt oft für Unverständnis, zudem hat er kein Verhältnis zur Zeit: Immer entrinnt sie ihm und er verpasst oft den richtigen Zeitpunkt.
Als seine Familie ums Leben kommt, gibt sich Severin die Schuld an ihrem Tod, weil er zum Zeitpunkt ihres Todes nicht anwesend war. Und so verbeißt er sich in den Wunsch, eine eigene Uhr zu besitzen, damit er wichtige Momente nicht mehr verpassen kann…

Meine Meinung
Dieses Buch ist wieder ein Beispiel dafür, dass man Klappentexten nicht immer trauen sollte. Der Roman beginnt nicht, wie man auf dem Buch lesen kann, 1492, sondern etwa zehn Jahre später.
Vom allgemeinen Aufbau ist Der Stundensammler ein historischer Roman wie viele andere auch: Die Lebensgeschichte einer mehr oder weniger fiktiven Person wird in historische Ereignisse und das Leben historischer Persönlichkeiten eingebaut. Und trotzdem hatte ich hier das Gefühl, dass dieser Roman doch irgendwie anders ist.
Dies fängt damit an, dass er besonders zu Beginn sprachlich heraussticht, indem sehr häufig mit Begriffen zur Zeit gespielt wird, sodass schnell klar wird, was das Fassen der Zeit für Severin bedeutet und welche Schwierigkeiten er damit hat.
Diese Schwierigkeit wird dem Leser auch dadurch verdeutlicht, indem innerhalb des Romantextes nahezu komplett auf die Nennung von Zeitangaben verzichtet wird. Wie viele Tage, Monate oder Jahre seit dem letzten Kapitel vergangen sind wird nicht erwähnt und ist auch aus dem Zusammenhang nur selten erkennbar, gelegentlich kann man es sich durch die äußerlichen Beschreibungen der Heranwachsenden erschließen. Zwar gibt es eine Zeittafel im Anhang, jedoch ist die Gefahr, sich dadurch zu Spoilern, recht groß, weshalb ich davon abraten würde.
Die Rahmenhandlung des Romans ist durch den Lebenslauf der historischen Personen Herman und Peter Henleins vorgegeben. Dass es einen Severin Henlein gegeben hat, ist durch Dokumente belegt, doch ist über ihn weiter nichts bekannt, weshalb die Autorin hier ihrer Phantasie freien Lauf lassen und Severin nach ihren Vorstellungen gestalten konnte. Und so erzählt Maren Winter hier die spannende Geschichte eines Jugendlichen, der seinen Platz in der Welt sucht, aber nirgends richtig dazugehört, der über eine hohe Intelligenz verfügt, aber durch sein Verhalten immer irgendwo aneckt, dem es schwer fällt, Freundschaften zu schließen und sie auch zu halten, und dem der Besitz einer Taschenuhr mehr bedeutet als alles andere auf der Welt.
Besonders zu Beginn hatte ich meine Probleme mit Severin, ist sein Verhalten doch mehr als nur ein wenig absonderlich. Doch je länger ich mich mit dem Buch beschäftigt habe, um so wahrscheinlicher war es für mich, dass Severin leicht autistisch sein könnte, was es mir erleichtert hat, ihn zu verstehen, auch wenn es ihn nicht unbedingt sympathischer macht.
Auch viele der anderen Charaktere sind keine Sympathieträger. Besonders Peter und Herman Henlein sind richtig unangenehme Zeitgenossen, mit denen sich Severin allerdings mit der Zeit zu arrangieren lernt.
Thematisch liegt der Schwerpunkt dieses Romans, wie schon erwähnt, auf der Erfindung der Taschenuhr, die Peter Henlein zugeschrieben wurde – inzwischen ist sich die Forschung anscheinend nicht mehr ganz sicher, jedoch geht Maren Winter noch von dieser These aus, lässt Severin aber eine Große Rolle darin spielen. Dabei ist diese Geschichte durchweg glaubwürdig beschrieben, trotz oder vielleicht auch gerade wegen Severins Andersartigkeit.
Im Anhang gibt es neben der schon zuvor erwähnten Zeittafel zum Leben der Henleins noch weiteres Zusatzmaterial wie ein Glossar, ein kurzes Personenregister sowie kurzen Erläuterungen zum Handlungsort und zur Erfindung der Taschenuhr an sich. Zudem gibt es zwei Karten zu Nürnberg und der weiteren Umgebung, die leider so gut wie unlesbar sind und so nur der groben Orientierung dienen.

Fazit
Mit Der Stundensammler hat Maren Winter einen weiteren historischen Roman geschrieben, der aus der Masse heraussticht. Empfehlen würde ich ihn technisch Interessierten, die auch Bücher über Hauptpersonen lesen mögen, die nicht gerade sympathisch oder als strahlende Helden beschrieben sind.

Rebecca Gablé – Der Palast der Meere

AutorRebecca Gablé
TitelDer Palast der Meere
SerieWaringham Band 5
Seitenzahl956
VerlagLübbe Ehrenwirth
ISBN978-3-431-03926-9
Bewertung

Inhalt
England, 1560: Nachdem der Erbe des Hauses Waringham an den Pocken erkrankt und erblindet ist, soll sein Onkel, der vierzehnjährige Isaac, dessen Stelle als Erbe des Earls einnehmen. Doch Isaac fühlt sich auf Waringham nicht wohl, und so entschließt er sich, als blinder Passagier nach Frankreich überzusetzen und dort ein neues Leben zu beginnen. Doch hat er sich dazu das falsche Schiff ausgesucht, denn Kapitän Hawkins ist auf dem Weg nach Afrika…
Isaacs ältere Halbschwester Eleanor ist gar nicht begeistert, als die von Isaacs Flucht erfährt, ist sie doch als Vertraute und Auge der Königin eine vielbeschäftigte Frau. Besonders das Auftreten immer wieder neuer möglicher Heiratskandidaten für die Königin stellt sie vor eine besondere Herausforderung…

Meine Meinung
Der fünfte Band über die Familie Waringham beginnt knapp sieben Jahre nach dem Ende von Der dunkle Thron, so dass viele der Personen aus dem Hause Waringham bereits bekannt sind. Auch wenn Der Palast der Meere sehr gut als eigenständiges Buch funktioniert, würde ich empfehlen, den vierten Band zuerst zu lesen, um sämtliche Zusammenhänge besser verstehen zu können.
Hauptpersonen in diesem Roman sind Isaac und Eleanor, über deren Erlebnisse abwechselnd berichtet wird.
Isaac ist ein freiheitsliebender Junge an der Grenze zum Erwachsenenalter. Er lässt sich ungern vorschreiben, was er zu tun hat, und seine lose Zunge bringt ihn das eine oder andere Mal in Bedrängnis. Trotzdem ist er bereit, zu helfen, wenn Hilfe benötigt wird, auch wenn es ihm gelegentlich schlecht vergolten wird. Er ist eben ein typischer Waringham, ein Pferdenarr, auch wenn er nicht über die besondere Gabe der Familie verfügt.
Dagegen ist Eleanor mit ihrem Leben zufrieden. Bei Hofe ist sie eine der engsten Vertrauten der Königin, ist sie doch seit ihrer gemeinsamen Kindheit kaum längere Zeit von ihr getrennt gewesen. Sie genießt ihren Status als unverheiratete Frau, die sich keinem Mann unterordnen muss. Zudem verfügt sie über ein großes Spionagenetzwerk, um ihre Freundin immer bestens beraten zu können, und nicht selten ist sie selbst mitten im Geschehen.
Wie gewohnt kommt hier auch eine Vielzahl an historischen Persönlichkeiten vor. So trifft Isaac schon früh auf den noch jungen Francis Drake, und auch William Shakespeare hat einen frühen Auftritt, aber auch zahlreiche fiktive Charaktere treten in Aktion. Manche der Personen sind früh als Freunde oder Feinde der Hauptpersonen erkennbar, doch manches Mal trügt auch der Schein und die Gesinnung ändert sich im Laufe der Zeit.
An den vorherigen Romanen der Autorin über englische Geschichte hat mir besonders gefallen, dass man einerseits mit der fiktiven Hauptperson dicht am englischen Königshaus ist und dabei ist, wenn Geschichte geschrieben wird, man die politischen Zusammenhänge nahegebracht bekommt und man dadurch so einiges lernen kann, aber andererseits die Hauptperson auch ein eigenständiges Leben fernab des Hofes hat, eine eigene Geschichte, die es zu erleben gilt.
In diesem Roman ist dies aufgeteilt, mit Isaac erlebt man Abenteuer, mit Eleanor erfährt man, was politisch gerade wichtig ist. Gut 28 Jahre werden so in diesem Roman behandelt, in dem Freibeuterei, der Konflikt mit Spanien, Sklavenhandel oder auch die Bedrohung durch Mary Steward thematisiert werden. Dabei haben mir Isaacs Erlebnisse besser gefallen als Eleanors, weil ich das Gefühl hatte, dass bei Hofe meist nur über Politik gesprochen wird und Ergebnisse selten sichtbar sind, zudem sind es eher wenige Themen, die über die Jahre hinweg immer und immer wieder aufkommen.
Dabei sind es meist einzelne Episoden mit kleinen Spannungsbögen und Höhepunkten, weniger die eine große Geschichte, die es mit den Protagonisten zu erleben gilt. Immer wieder kommt es zu Zeitsprüngen, die bei einer so großen Zeitspanne kaum vermeidbar sind. Während die meisten dieser Sprünge passend waren und ich nicht das Gefühl hatte, viel verpasst zu haben, ist es gerade der letzte, der für mich zu lang war. Zu viel hat sich geändert, Kinder sind erwachsen geworden und haben eine eigene Persönlichkeit entwickelt, die ich so nie erwartet hätte.
Der Zeitpunkt für das Ende des Romans ist meiner Meinung nach nicht ideal gewählt. Zwar sind die meisten Handlungsstränge zu einem befriedigenden Ende gekommen, auf politischer Ebene dagegen ist wenig gelöst.
Einer meiner großen Kritikpunkte am vierten Band der Reihe war das zufällige, glückliche Auftauchen sehr vieler entfernter Warinham-Cousins. Zwar ist auch dieser Roman nicht frei von Verwandten, doch spielen die meisten von ihnen eher untergeordnete Rollen, so dass es mir hier nicht negativ aufgefallen ist. Dafür treten Mitglieder der Familien Durham und Helmsby, die in anderen Romanen der Autorin eingeführt wurden, etwas weiter in den Vordergrund.
Der Schreibstil ist gewohnt flüssig, an einigen wenigen Stellen war er mir ein wenig zu umgangssprachlich oder modern, weitestgehend habe ich mich aber an ihm nicht gestört.
Abgerundet wird der Roman wie gewohnt durch ein ausführliches Nachwort, in dem die Autorin auf Realität, Fiktion und Spekulationen eingeht. Auf ein Personenregister, das allerdings nicht alle Personen auflistet, wurde genauso wenig verzichtet wie auf Kartenmaterial.

Fazit
Auch wenn mit diesem Roman teilweise neue Wege beschritten werden und Waringham, das Heim vieler Generationen, in den Hintergrund rückt, gibt es dennoch viel Gewohntes. Wer die bisherigen Romane der Autorin mag, wird möglicherweise auch an diesem Buch seine Freude haben.

Vielen Dank an Bastei Lübbe und die Lesejury für das Leserunden-Exemplar!

Guido Dieckmann – Die Stadt der schwarzen Schwestern

AutorGuido Dieckmann
TitelDie Stadt der schwarzen Schwestern
Seitenzahl511
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-25937-1
Bewertung

Inhalt
Oudenaarde, 1582: Die flämische Stadt wird nach einem Aufstand von den Spaniern eingenommen, die meisten Ratsherren hingerichtet. Einzig Frans Marx, ein alter, kranker Teppichweber, wird verschont. Schon bald verbreitet sich das Gerücht, dass die Familie Marx mit den Besatzern gemeinsame Sache macht, und besonders Griet, Frans‘ verwitwete Schwiegertochter, hat darunter zu leiden.
Doch während ihre angeheiratete Familie in Oudenaarde keine Zukunft mehr sieht, nutzt Griet die Gelegenheit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Unterstützung erhält sie dabei von unerwarteter Seite. Doch schon bald gerät ihr kleines Unternehmen in große Schwierigkeiten…

Meine Meinung
Über den Achtzigjährigen Krieg wusste ich bisher recht wenig, einzig, dass es ihn gab und dass Glaubensfragen auch eine Rolle gespielt haben. Umso gespannter war ich auf dieses Buch, bietet es doch zumindest einen kleinen Einblick auf die Lebensumstände während des Krieges.
Die ersten Kapitel waren hier durchaus interessant, erfährt man doch ein wenig über das Leben der Menschen unter den spanischen Besatzern, über Schwierigkeiten und Willkür. Doch schon bald ändert sich die Richtung, und aus dem Roman wird vielmehr ein historischer Krimi, den ich hier so nicht erwartet hatte.
Leider ist dieser überwiegend vorhersehbar, denn auch wenn nicht direkt von Beginn an bekannt ist, womit Griet es hier zu tun hat, so war ich doch gedanklich immer mindestens zwei Schritte voraus. Und auch der Gegenstand, hinter dem alle her sind, spielt eigentlich für sich genommen keine große Rolle, vielmehr dient er alleine dazu, die Handlung voranzutreiben. Schade eigentlich, hier hätte man mehr daraus machen können.
Ein Großteil des Romans verbringen die Hauptpersonen mit dieser Suche, immer wieder werden hier Hintergrundinformationen zur Situation in den Niederlanden eingeflochten, so dass der historische Bezug nicht verloren geht. Diese sind allerdings nicht immer leicht zu durchschauen, manches Mal war ich mir nicht ganz sicher, welcher Fraktion nun die Bewohner der jeweiligen Stadt angehörten.
Die Hauptperson Griet ist eine zwar schüchterne, aber entscheidungsfreudige junge Frau, die trotz eines lahmen Arms bereit ist, ihr Leben selbständig zu meistern und dabei Verantwortung nicht nur für sich, sondern auch für ihren Sohn zu übernehmen.
Eine weitere Hauptperson ist Don Luis, ein Spanier mit niederländischen Wurzeln, der mehr über Griet zu wissen scheint, als er zugibt. Gerne steht er ihr zur Seite, kann Griet doch mit ihrem gelähmten Arm kaum alleine auf die Suche gehen, doch auch er hat eine Mission. Schnell wird klar, dass sich die beiden Hauptpersonen perfekt ergänzen, und so ist auch in dieser Hinsicht keine große Überraschung zu erwarten.
Neben den beiden offensichtlichen Hauptpersonen gibt es noch einige Nebencharaktere, welche aber überwiegend einzig in ihren festgelegten Rollen agieren und darüber hinaus kaum Entwicklung zeigen, erst in den letzten Kapiteln ändert sich dies ein wenig. Auch dies ist schade, unterstützt dies doch die Vorhersehbarkeit der gesamten Handlung.
Sprachlich ist der Roman wenig auffällig. Einzig einige niederländische Namen haben mir Schwierigkeiten bereitet, sind sie für mich doch eher ungewohnt.
In einem kurzen Nachwort geht der Autor auf den historischen Hintergrund ein und erklärt auch, was es mit diesem mysteriösen Gegenstand auf sich hat. Leider gibt es kein weiteres Zusatzmaterial, zumindest eine Karte wäre hilfreich gewesen, um die Grenze zwischen den einzelnen Fraktionen und Griets Reiseroute nachzuvollziehen.

Fazit
Ein Kriminalfall, dessen Auflösung kaum jemanden interessiert, eine Suche nach einem MacGuffin, der nur Leid zu bringen scheint. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Jeremiah Pearson – Die Täuferin

AutorJeremiah Pearson
TitelDie Täuferin
OriginaltitelThe Brethren
ÜbersetzerAxel Merz
SerieDer Bund der Freiheit Band 1
Seitenzahl607
VerlagLübbe
ISBN978-3-7857-2537-5
Bewertung

Inhalt
Kunwald in Böhmen, 1517: Kristina ist Mitglied einer Gemeinschaft, die sich die Böhmischen Brüder nennt, deren Ziel es ist, die Menschen im Lesen zu unterweisen, damit diese die Heilige Schrift lesen und verstehen können. Dies ist jedoch der Kirche ein Dorn im Auge, will sie doch vorschreiben, was die Menschen zu glauben haben, und so werden die missionierenden Mitglieder dieser Gemeinde als Ketzer verfolgt.
Zur gleichen Zeit südlich von Wien: Unter den verpflichteten Leibeigenen, die sich auf einem Feldzug gegen die Türken befinden, ist auch Lud aus Giebelstadt, der schon mehrfach im Krieg war und nun die Verantwortung für zwölf Spießträger aus seinem Dorf trägt. Doch sie sind nur Spielbälle in den Händen der Obrigkeit…

Meine Meinung
Als ich von diesem Roman, der den Auftakt einer Trilogie bildet, das erste Mal gehört habe, war mein Interesse sofort geweckt, finde ich die angesprochenen Themen wie Bauernaufstand und Reformation doch sehr spannend. Doch schon bald musste ich feststellen, das dieses Buch nicht ganz meine Erwartungen erfüllen konnte.
So hatte ich erwartet, dass das Buch, wenn es schon diesen Titel trägt, auch von einer Anhängerin der Gruppierung handelt, die auch tatsächlich als Täufer bezeichnet wird. Stattdessen scheint es sich bei dem Titel aber um eine Fehlübersetzung oder -interpretation zu handeln, denn Täufer, auch als Wiedertäufer oder Anabaptisten bezeichnet, gab es zum Zeitpunkt der Romanhandlung noch gar nicht. Stattdessen wird im Roman explizit gesagt, dass es sich um die Gruppierung der Böhmischen Brüder handelt. Nun ist eine Fehldarstellung dieser Art kein allzu großes Problem, über das ich gerne hinweg sehe, wenn denn der Rest stimmt. Leider dämpfen zudem diverse Anachronismen den Lesespaß, so dass meiner Meinung nach von guter Recherche keine Rede mehr sein kann.
Inhaltlich bietet der Roman noch nicht allzu viel, obwohl er mit gut 600 Seiten nicht gerade dünn ist. Bauernaufstand und Reformation sind nicht direkt Thema des Buches, vielmehr wird hier der Grundstein für die Fortsetzungen gelegt. Und so geht es hier überwiegend um den Krieg mit den Türken und machtlose Leibeigene, die der Willkür der Obrigkeit ausgesetzt sind sowie die Verfolgung der Ketzer, die ständig in Angst leben müssen, verraten und hingerichtet zu werden. Und obwohl auch diese Themen Spannung versprechen, kommt diese nur gelegentlich auf, oft genug plätschert die Handlung nur so vor sich hin und verliert sich in Details. Zusätzlich werden noch andere Themen angesprochen, die Pocken in Zeiten des Krieges oder auch die Vertreibung der Juden und Marranen aus Spanien, doch finde ich die Darstellung beider Themen nicht sehr gelungen.
Auch die Charaktere hätten besser dargestellt sein können. Sehr schnell wird klar, welche Rolle hier wem zugedacht worden ist. So ist Kristina die gütige junge Frau, die fest in ihrem Glauben ist, ihr Mann Berthold ein Maulheld, der sich über seine Glaubensbrüder stellt, Lud der äußerlich hässliche, innerlich aber reine Leibeigene, der besonders unter den Hänseleien der Mitmenschen zu leiden hat, und Dietrich Geyer der edle Ritter, der sich, im Gegensatz zu seinen Standeskollegen, für seine Leibeigenen einsetzt. Obwohl ihre Rollen selbst klar definiert sind und sie meist wie vorhergesehen handeln, hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich auch ein wenig Persönlichkeit bei ihnen entdecken konnte und halbwegs mit ihnen warm wurde. Das wurde durch die Vielzahl an Charakteren, von denen man kaum mehr als den Namen erfährt, noch unterstützt.
Der Schreibstil ist für einen historischen Unterhaltungsroman passend, die Übersetzung konnte mich nicht komplett überzeugen, da hier Begriffe verwendet werden, die in der deutschen Sprache nicht üblich sind oder waren, beispielsweise Villani für die Leibeigenen.
Zwar gibt es ein kurzes Vorwort und ein noch kürzeres Nachwort, in denen auf die Mission der Böhmischen Brüder und auf Dietrich Geyer eingegangen wird, doch fehlt eine Erklärung dazu, wie historisch korrekt das Erzählte wohl tatsächlich ist. Ein sehr ausführliches Personenregister und zwei Karten bieten eine sinnvolle Ergänzung.

Fazit
Ein eher schwacher Reihenauftakt, der vermuten lässt, dass die Geschichte erst im zweiten Band so richtig beginnt. Wer etwas über die Gemeinschaft der Täufer lesen will, ist mit diesem Roman nicht allzu gut beraten, wer sich dagegen einfach unterhalten lassen möchte und nicht viel Wert auf historische Genauigkeit und vielschichtige Charaktere legt, könnte möglicherweise seine Freude mit diesem Buch haben.

Vielen Dank an Bastei-Lübbe und Literaturschock für das Leserunden-Exemplar!

Rebecca Gablé – Der dunkle Thron

AutorRebecca Gablé
TitelDer dunkle Thron
SerieWaringham Band 4
Seitenzahl956
VerlagLübbe
ISBN978-3-431-03840-8
Bewertung

Inhalt
Waringham, 1529: Mit vierzehn Jahren muss Nicholas of Waringham zusehen, wie sein Vater verhaftet wird. Ihm wird vorgeworfen, an der Verbreitung einer ketzerischen Schrift beteiligt zu sein. Im Tower stirbt er an den Folgen der Folter, aber nicht, ohne noch einmal mit seinem Sohn geredet zu haben.
Zurück auf Waringham muss Nick nicht nur mit dem Tod seines Vaters zurechtkommen, auch die finanzielle Lage der Baronie und des Gestüts ist verheerend. Doch schon bald wird er in die Wirren der Politik einbezogen, denn was sein Vater ihm auf dem Totenbett mitgeteilt hat, kann schwerwiegende Folgen für das ganze Königreich haben…

Meine Meinung
Mit diesem vierten Roman über die Familie Waringham verlässt die Autorin das Mittelalter und beschreitet neue Wege. Auf Kampfbeschreibungen wird hier fast völlig verzichtet, obwohl es bestimmt die Möglichkeit gegeben hätte, Nicholas in den Krieg ziehen zu lassen. Stattdessen beschäftigt sich dieser Roman sehr viel mit der Innenpolitik des Landes, viel mehr, als es bei den vorhergehenden Bänden der Reihe der Fall ist. Schließlich geht es unter anderem um die Reformation in England sowie die Ehen von König Henry VIII. Es ist nicht zwingend notwendig, Vorkenntnisse zu dieser Zeit zu besitzen, um der Handlung zu folgen, doch hat dies das Lesen ein wenig erleichtert. Nicht selten rollen hier Köpfe,
Anders als bei den anderen Englandromanen Gablés sind die Waringhams hier nicht Vertraute des Königs. Stattdessen ist es Prinzessin Mary, der Nicholas‘ Loyalität gehört. Diese wurde überwiegend sympathisch und als Opfer ihres Vaters dargestellt, meiner Meinung nach ein wenig zu positiv, wenn man bedenkt, welchen Beinamen Mary Tudor im späteren Verlauf ihres Lebens erhalten hat.
Trotz der Veränderungen, die Waringham in den letzten Jahren durchgemacht hat, ist Nicholas ein typischer Spross der Familie. Er ist hitzköpfig und handelt aus dem Bauch heraus, auch wenn er dadurch so manchen Leuten vor den Kopf stößt. Über den Verlauf des Romans, der immerhin 24 Jahre umfasst, lernt er allerdings in Bezug auf Zurückhaltung nichts dazu, was ihn das eine oder andere Mal in Schwierigkeiten bringt, auch hat er anscheinend seine Probleme, erwachsen zu werden. Die Spitznamen, mit denen er seiner Stiefmutter und Stiefschwester bedacht hat, sind nicht gerade schmeichelhaft und recht kindisch, werden allerdings bis zum Ende des Buches beibehalten, was mich nach einer Weile doch sehr genervt hat. Auch ist Nicholas Träger der Waringham’schen Gabe, durch die er ein besonderes Gespür für Pferde hat, jedoch spielt diese Gabe in diesem Roman nur eine untergeordnete Rolle.
Schon im dritten Band über die Waringhams ist mir aufgefallen, wie sehr die Autorin sich doch auf Charaktere bezieht, die Nachkommen von Protagonisten ihrer anderen Romanen sind. Dies ist hier noch viel mehr der Fall, nicht nur, dass mehr als nur ein paar Cousins und Cousinen aus verschiedenen Nebenlinien der Waringhams gerade dann ins Spiel kommen, wenn sie gerade mal hilfreich sind, auch Durhams spielen eine wichtige Rolle, und selbst ein Helmsby hat einen kleinen Gastauftritt. Auch wenn ich es ganz nett finde, hier und da mal eine kleine Verbindung zwischen den einzelnen Büchern entdecken zu können, war mir das hier eindeutig zu viel. Nun kenne ich sämtliche Vorgänger, habe sie noch gut in Erinnerung und kann deshalb mit diesen Beziehungen etwas anfangen, doch für einen Neueinsteiger mag dies alles recht verwirrend sein, auch wenn ein Stammbaum der Waringhams dem Buch beigefügt ist.
Der Schreibstil ist wie gewohnt flüssig und auch so spannend beschrieben, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte, obwohl ich doch das eine oder andere Mal von Nick und seinem gelegentlich kindischen Verhalten genervt war. Karten, Personenregister und ein ausführliches Nachwort runden das Buch ab.

Fazit
Auch wenn die Waringhams in der Neuzeit angekommen sind, handelt es sich hier um einen typischen Gablé-Roman. Wer die anderen Bücher der Autorin kennt, wird hier auch möglicherweise seine Freude haben, auch wenn Nick sich manchmal recht kindisch verhält, Neueinsteigern würde ich den Roman wegen der vielen Bezüge allerdings nicht empfehlen.