Rebecca Gablé – Hiobs Brüder

AutorRebecca Gablé
TitelHiobs Brüder
SerieHelmsby Band 2
Seitenzahl909
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-16069-3
Bewertung

Inhalt
England, 1147: Von Mönchen weggesperrt und von der Außenwelt abgeschnitten, leben sie auf einer Insel: Männer mit körperlichen und geistlichen Gebrechen, die von der Außenwelt nicht selten als besessen angesehen werden. Unter ihnen sind auch der Normanne Simon de Clare, der unter Fallsucht leidet, die zusammengewachsenen angelsächsischen Zwillinge Wulfric und Godric sowie Losian, ein normannischer Edelmann ohne Erinnerung an sein früheres Leben.
Als eine Sturmflut über die Insel hereinbricht und die Palisaden niederreißt, können die Überlebenden aufs Festland entkommen. Von nun an sind sie auf der Suche nach einem Ort, wo sie willkommen sind. Doch dies erweist sich als schwerer als gedacht, denn das Land ist vom Bürgerkrieg erschüttert…

Meine Meinung
Bisher ist es eher selten vorgekommen, dass ich in historischen Romanen über Menschen mit Behinderungen gelesen habe, und noch seltener, dass es sich bei diesen um die Hauptpersonen handelt. Umso spannender fand ich da den Beginn dieses Romans, bei dem gleich mehrere Männer, die durch ihre Andersartigkeit von der Gesellschaft ausgestoßen wurden, im Mittelpunkt stehen. Dabei sind sie alle unterschiedlich, selbst ein Psychopath und Mörder befindet sich in dieser Gruppe. Doch es dauert nicht allzu lange, bis klar wird, dass zwei Mitglieder dieser Gesellschaft besondere Beachtung finden und die anderen eher Nebenrollen spielen. Losians Gedächtnisverlust ist zwar zunächst ein zentrales Thema, gerät dann aber nach und nach in den Hintergrund, im gleichen Maße, in dem sein früheres Leben ihn einholt. Ebenso wird die Gemeinschaft immer unwichtiger, während sich das Leben der beiden Hauptpersonen normalisiert.
Wer schon andere historische Romane von Rebecca Gablé kennt, weiß, dass Politik dort eine nicht zu verachtende Rolle spielt. Und so ist dies auch hier der Fall. Eine Einführung in die Situation, in der sich England gerade befindet, erhält der Leser in dem Moment, in dem sich auch Losian von seinen Mitgefangenen über die Außenwelt aufklären lässt – ein geschickter Zug, da so die ersten Hintergrundinformationen recht kompakt übermittelt werden. Zusätzliche Informationen werden nach und nach geliefert, in kleinen Dosen, so dass der Informationsgehalt überschaubar bleibt und nicht überfordert. Dabei nimmt die Politik aber nie so viel Raum ein, wie es beispielsweise in Das zweite Königreich oder Das Lächeln der Fortuna der Fall ist. Die Anzahl an Personen bleibt verhältnismäßig klein und überschaubar, so dass das Register der historischen Personen zwar hilfreich, aber im Gegensatz zu anderen Romanen der Autorin nicht zwingend notwendig ist.
Ungewöhnlich ist die Liebesgeschichte, die sich schon ziemlich früh entwickelt und dann weitreichende Folgen hat. Diese Entwicklung hat mir ehrlich gesagt nicht ganz so gut gefallen, weil sie einfach recht weit hergeholt wirkt, schaut man sich die Umstände an. Zwar lässt sich die Einstellungen der Beteiligten durch das Erlebte erklären, ist aber trotzdem weit davon entfernt, normal zu sein und der Zeit zu entsprechen.
Ein mystisches Element gibt es auch hier, wobei nicht ganz klar wird, ob es sich tatsächlich um ein solches handelt oder es aber eine natürliche Erklärung gibt.
Bei dem Buch handelt es sich um eine indirekte Fortsetzung zu Das zweite Königreich. Es ist nicht notwendig, diesen Roman vorher gelesen zu haben, aber durchaus hilfreich, um einige Zusammenhänge, auch in Bezug auf diverse Verwandtschaftsgrade, besser nachvollziehen zu können.

Fazit
Wieder einmal ein sehr gut lesbarer Roman von Rebecca Gablé, der sich aber durch die Personenkonstellationen doch irgendwie von ihren anderen Romanen unterscheidet. Mir hat dieser Roman nicht ganz so gut gefallen wie die anderen Romane der Autorin, die ich bisher kenne, dafür war mir das mit der Liebesgeschichte im Mittelteil einfach zu viel. Trotzdem konnte er mich wieder sehr gut unterhalten.

8 Gedanken zu „Rebecca Gablé – Hiobs Brüder

  1. Neyasha

    Die Liebesgeschichte hat mir bei diesem Roman auch nicht so zugesagt. Und ehrlich gesagt, war er mir auch allgemein etwas zu schwarz-weiß gezeichnet: Die Sympathieträger waren natürlich völlig aufgeschlossen gegenüber jeglicher Andersartigkeit; die „Bösen“ dagegen waren natürlich alle intolerant und engstirnig und haben die Untergebenen schlecht behandelt. Es hat mich auch ein wenig irritiert, dass fast jeder schon jemand mit einer ähnlichen Behinderung wie bei den Hauptfiguren kannte (was ja in einer mittelalterlichen Gesellschaft doch nicht so wahrscheinlich ist).
    Schade, da ich den Roman sonst vom Ansatz her sehr interessant fand. Nur die Umsetzung fand ich dann nicht allzu glaubwürdig. Ich muss aber auch zugeben, dass ich zu dem Zeitpunkt schon einige Romane von Gablé kannte und von den immer ähnlichen Strukturen und Figuren etwas genervt war. Daher hatte ich vielleicht schon eine etwas negative Grundeinstellung. :-(
    „Das zweite Königreich“ war übrigens mein Lieblings-Gablé, den Roman fand ich ganz großartig!

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    1. Rissa Beitragsautor

      Hiobs Brüder gefällt mir ehrlich gesagt von den bisher gelesenen historischen Gablé-Romanen (alle bis auf Der dunkle Thron) neben Die Siedler von Catan am wenigsten. Die Kritikpunkte, die du nennst, teile ich größtenteils. Trotzdem denke ich, dass der Roman immer noch ganz oben mitspielt und besser als sehr viele andere historische Romane ist, die ich in letzter Zeit gelesen habe.
      Das mit den ähnlichen Strukturen stimmt schon, ich bin auch sehr gespannt, wie sich dann Der dunkle Thron schlägt, den die Autorin nach Hiobs Brüder geschrieben hat.

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      1. Neyasha

        Ich hatte eigentlich nach „Hiobs Brüder“ mit Rebecca Gablé abgeschlossen. Schon vorher fand ich „Das Lächeln der Fortuna“ sehr vorhersehbar und nicht so toll und „Hiobs Brüder“ hatte mich nur wegen der interessanten Ausgangssituation interessiert.
        Nun habe ich aber doch „Das Haupt der Welt“ noch zuhause stehen, da mir das eine Freundin geschenkt hat. Ich bin also gespannt, wie mir der Roman zusagen wird – immerhin freue ich mich dort auf den anderen Schauplatz.

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        1. Rissa Beitragsautor

          Das Haupt der Welt habe ich auch schon gelesen, mir hat es wieder sehr gut gefallen, aber mir gefallen die Romane von Rebecca Gablé auch sehr. Der neue Schauplatz ist mal etwas Anderes, über diese Zeit gibt es nicht so viele Romane, es gibt aber trotzdem einige Parallelen zu den England-Büchern.
          Probier es einfach, abbrechen kannst du ja immer noch.

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  2. BuecherFahe

    Bücher von Rebecca Gablé wollte ich eigentlich auch schon längt einmal lesen. Aber da fange ich wohl lieber mit einem anderen Roman von ihr an. Die Idee des Romans an sich klingt aber ganz interessant – hatte auch noch nie mit Behinderten als Protagonisten zu tun.

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    1. Rissa Beitragsautor

      Oh ja, wenn dir historische Romane liegen, solltest du dir auf jeden Fall die Romane von Rebecca Gablé anschauen.
      Mit welchem man anfängt, ist wohl Geschmackssache. Man könnte chronologisch herangehen, also bei Das zweite Königreich anfangen, dann Hiobs Brüder lesen und über Der König der purpurnen Stadt zur Waringham-Reihe gehen (das mache ich gerade). Man kann aber auch Hiobs Brüder als Einstieg nehmen, weil die Anzahl an Personen einen nicht erschlägt und die politischen Verhältnisse nicht so sehr im Zentrum stehen.

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  3. Birthe

    Ich habe von Rebecca Gablé bisher nur „Das Lächeln der Fortuna“ gelesen, das wurde damals so ziemlich gleich bei Erscheinen gekauft. Meine Mutter hat noch mehr Bücher von ihr, aber gelesen habe ich immer noch keins davon. Das „Lächlen der Fortuna“ las sich gut, hat mich aber auch nicht völlig vom Hocker gerissen, schon weil mir die Helden schon damals etwas zu heldenhaft und die Bösewichte zu böse waren – und inzwischen bin ich da noch anspruchsvoller geworden …

    Und wenn du hier auch bei „Hiobs Brüdern“ wieder von mystischen Elementen sprichst – das kann ich ja immer gar nicht leiden. Wenn ich Fantasy lesen möchte, dann lese ich Fantasy und keinen historischen Roman, das reißt mich dann immer total raus. Schade, dabei fand ich die Prämisse mit den Behinderten auch toll und mal was anderes …

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    1. Rissa Beitragsautor

      Kleinere mystische Elemente kommen in mehreren Gablé-Romanen vor. Bei den Waringhams ist es die Pferdeflüsterei, die ja wohl auf jeden Fall nicht normal ist, hier bei Hiobs Brüder und auch bei Das Haupt der Welt ist offen, ob es sich um übernatürliche Elemente handelt oder sie der Einbildungskraft der Menschen entspringen.
      Solange solche Dinge nicht Überhand nehmen, finde ich es noch in Ordnung. Aber da nicht jeder so denkt, weise ich dann doch lieber darauf hin.

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