Christopher Whyte – Die stumme Sängerin

AutorChristopher Whyte
TitelDie stumme Sängerin
OriginaltitelThe Cloud Machinery
ÜbersetzerHanna van Laak
Seitenzahl367
VerlagFischer
ISBN978-3-596-16315-1
Bewertung

Inhalt
Venedig, 1761: Vor sieben Jahren ist der adelige Theaterbesitzer Alvise Contarini während einer Vorstellung ermordet worden, nun endlich wurden die Erbstreitigkeiten geschlichtet.
Der neue Besitzer plant, das Teatro Sant‘ Igino so schnell wie möglich wieder zu öffnen und stellt dazu Ansaldo Limentani ein, der die Leitung übernehmen soll.
Doch das Theater umgibt ein Geheimnis, denn es ist nicht völlig verlassen, denn zwei Gestalten sind dort mehrfach gesichtet worden.
Unterdessen ist der Naturphilosoph Andreas Hofmeister auf der Suche nach dem Magier Goffredo Negri und einer jungen Frau, die etliche Jahre zuvor aus Neapel verschwunden ist…

Meine Meinung
Die stumme Sängerin ist einer der Romane, die ich mir wahrscheinlich nicht genauer angeschaut hätte, wäre er mir nicht aus zweiter Hand zugefallen. Und so habe ich ihn kürzlich vorgenommen, als ich ein schnelles Buch für zwischendurch gesucht habe, an das ich ohne Erwartungen herangehen konnte.
Der historische Hintergrund des Romans ist eigentlich recht interessant, denn es wird einiges über das Theater und die Oper des 18. Jahrhunderts in Italien vermittelt, sei es der Aufbau der Bühne mit seinen Maschinerien, Information über die Kastratensänger oder einfach nur, wie das Theater von vielen Besuchern wahrgenommen wurde, nämlich als Bühne, um sich selbst zu präsentieren. Allerdings sind diese Informationen eher beiläufig enthalten, Beschreibungen, insbesondere zur Wolkenmaschine, einer bestimmten Art der Bühnenmaschinerie, kratzen an der Oberfläche, so dass man sich ohne Vorwissen viele Dinge nur schwer vorstellen kann.
Die Handlung, die in diesen Hintergrund eingebettet ist, konnte mich schon zunächst interessieren. Zwar ist der Aufbau recht ungewöhnlich gestaltet, da immer mehr und mehr Charaktere eingeführt werden und zudem ständig zwischen diesen hin- und hergesprungen wird, so dass ich bis weit in das Buch hinein noch kaum eine Vorstellung hatte, worum es gehen sollte. Zudem bestehen manche Kapitel fast nur aus wörtlicher Rede, und es werden viel zu viele Dinge beschrieben, die für die weitere Handlung völlig unwichtig sind, wie beispielsweise eine Prozession durch die Pfarrgemeinde, die zu Beginn immer wieder aufgegriffen wird. Hätte der Autor auf einige unwichtige Nebencharaktere und Beschreibungen verzichtet, so wäre der Roman an sich möglicherweise um einiges verständlicher.
Dennoch war es spannend, zu erleben, wie innerhalb weniger Tage nicht nur ein Ensemble angeworben wird, sondern zusätzlich noch mehrere Opern einstudiert werden sollen. Dabei steht natürlich immer die Frage im Raum, wie Contarini Jahre zuvor umgekommen ist. Und auch der zweite Handlungsstrang, die Suche nach Goffredo Negri, schien nicht uninteressant zu sein, auch wenn die Verbindung zunächst unklar ist. Spätestens nach den ersten einhundert Seiten hatte ich hier einen netten Musikroman mit einem Krimianteil erwartet.
Doch etwa ab der Mitte des Buches driftet der Roman durch okkulte Praktiken ins Fantasygenre ab, eine Entwicklung, die vorher durch nichts erkennbar war, nicht durch die Aufmachung des Buches, auch nicht durch den Klappentext oder eine irgendwie geartete Kennzeichnung, selbst in den wenigen Rezensionen, die ich zu dem Buch finden konnte, wird es nicht erwähnt. Und es handelt sich hier nicht um Kleinigkeiten, sondern große, handlungsbestimmende Themen: Echte Magie wie Nekromantie, Verbannung in andere Sphären, diverse Verzauberungen, Beschwörung von Naturgewalten sind nur einige Beispiele. Somit wird aus dem wörtlichen Deus ex Machina, also dem Erscheinen eines Gottes durch eine Theatermaschine, ein sprichwörtlicher.
Dies ist schade, denn dadurch wurde die Spannung, die zuvor aufgebaut wurde, völlig zerstört, logische Erklärungen braucht man von nun an nicht mehr zu erwarten.
Wie schon erwähnt erscheint auf den doch eher wenigen Seiten eine große Anzahl an Charakteren, was ein hohes Maß an Konzentration erfordert, denn ständig werden neue eingeführt, was zur Folge hat, dass die meisten der vorgestellten Figuren blasse Abziehbilder ohne Persönlichkeit bleiben, nur wenige stechen heraus. Insbesondere der Cembalist Domenico soll hier genannt werden, der unverschuldet in die Armut geraten ist und nun von Limentani als musikalischer Leiter angeworben wird. Domenico ist, obwohl er recht spät eingeführt wird, die tragende Figur des Romans, die letzten Endes unbewusst für die Verbindung der Handlungsstränge sorgt. Er ist ein recht sympathischer junger Mann, der seine Homosexualität verbirgt, um einer Strafe zu entgehen. Nur wer ihn kennt weiß von seiner sexuellen Ausrichtung.
Hier entwickelt sich auch eine Liebesgeschichte, die für den Verlauf des Romans wichtig ist, aber nicht im Detail beschrieben wird.
Zusatzmaterial ist leider überhaupt nicht vorhanden, dabei hätte es mich schon interessiert, was den Autor zu diesem Roman inspiriert hat, und auch ein musikalisches Glossar hätte nicht geschadet.

Fazit
Das war nichts. Zunächst völlig verwirrend, zwar kurzzeitig spannend, dann aber völlig absurd, mit einer Auflösung, die keine Erklärung erfordert, weil hier Magie im Spiel ist. Auf so etwas kann ich bestens verzichten.

Robert Fabbri – Das Schwert des Tribuns

AutorRobert Fabbri
TitelDas Schwert des Tribuns
OriginaltitelTribune of Rome
ÜbersetzerAnja Schünemann
SerieVespasian Band 1
Seitenzahl505
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-27512-8
Bewertung

Inhalt
Römisches Reich, 26 n. Chr.: Der fünfzehnjährige Vespasian ist fern der Hauptstadt aufgewachsen, hat aber in den letzten Jahren viel über die Verwaltung eines großen Gutes gelernt, während der ältere Bruder Sabinus die letzten Jahre im Dienste Roms verbracht hat.
Doch nun soll auch Vespasian als Militärtribun den Ruhm der Familie mehren. Den Weg dazu soll sein Onkel Gaius Vespasius Pollo öffnen.
Doch schon bald erlangt er zufällig die Aufmerksamkeit Antonias, durch die er in die Intrigen der Stadt Roms hineingezogen wird.
Er muss fliehen, doch zuvor hat Antonia ihm einen Posten in Thrakien verschaffen können…

Meine Meinung
Lange Zeit hat man kaum Romane über Themen der Antike in den Buchhandlungen finden können. Doch aktuell erscheinen diverse Romane und Romanreihen, die in dieser Epoche angesiedelt sind. Viele von diesen setzen den Schwerpunkt auf das Militär und scheinen somit an eine vorwiegend männliche Zielgruppe gerichtet zu sein. Dazu gehört auch diese inzwischen abgeschlossene neunbändige Reihe über den späteren Kaiser Vespasian.
Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um den ersten Teil der Reihe, in dem es um Vespasians Einstieg in die Welt des Militärs und der Intrigen Roms geht.
Robert Fabbri betont in seinem Nachwort, dass es sich hier um einen Roman handelt, nicht um eine Biographie, weshalb er sich die eine oder andere Freiheit erlaubt hat, um die Handlung spannender zu gestalten und Lücken in Vespasians Biografie zu füllen. Auch wenn es dadurch zu kleineren Anpassungen kommt, ist die Erzählung dennoch stimmig.
Manches mag ein klein wenig weit hergeholt sein, aber gestört hat mich dies weniger, denn dies sorgt für eine hohe Spannung, und das schon fast von Beginn an, denn der junge Römer wird recht früh in die Intrigen der Mächtigen hineingezogen und erhält schon bald Gelegenheit, sich zu beweisen.
Da die Welt der Römer sich doch deutlich von der unseren unterscheidet beschreibt Fabbri dem Leser diese recht ausführlich und baut dabei eine erstaunlich dichte Atmosphäre auf. Schon alleine die Stadt Rom wird sehr anschaulich beschrieben, das Leben der Armen in den Außenbezirken, der Dreck auf er Straße, auch die Gefahr, der man ausgesetzt ist, wenn man sich ohne Schutz auf den Straßen der Stadt bewegt. Man begleitet Vespasian in den Circus und wird darüber informiert, wie die Wetten dort funktionieren. Doch auch außerhalb der Stadt wird die Zeit lebendig, die Religion wird genauso nebenbei erklärt wie einige Facetten des römischen Lebensstils.
Vespasian wird hier als junger Mann beschrieben, der bisher ein eher gemächliches Leben geführt hat. Er kennt sich mit der Verwaltung des Gutes aus, kann gut planen, militärisches Wissen konnte er sich bisher aber nicht anordnen. Dies ändert sich erst, als sein Bruder Sabinus heimkehrt und sich die Jungen gegenseitig unterweisen sollen. Ab diesem Zeitpunkt zeigt sich Vespasian als fleißiger Schüler, der sehr bald eine erste Gelegenheit erhält, sein Können unter Beweis zu stellen. Er wird hier als sehr sympathischer junger Mann dargestellt, mit dem man als Leser gerne mitfiebert. Und durch die hier beschriebene erste Liebe bekommt er auch noch ein paar zarte Charakterzüge mit auf den Weg.
Doch nicht nur Vespasian wird sehr stimmig beschrieben, auch einige Nebencharaktere erhalten genügend Facetten, um positiv erwähnt zu werden. Besonders erwähnenswert ist hier Magnus, der Anführer einer kleinen Bruderschaft, ein echter Haudegen, der zunächst eher negativ auffällt, im Verlauf des Romans aber eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Ihm und seiner Bande hat Fabbri zudem einige Kurzgeschichten gewidmet, die allerdings bisher noch nicht übersetzt wurden.
Allerdings gibt es eine sehr große Anzahl an Charakteren, so dass doch viele von ihnen nur recht knapp eingeführt werden. Insbesondere gegen Ende des Bandes hatte ich meine Probleme damit, mir die Personen vorzustellen und nicht durcheinander zu bringen.
Erkennt man zu Beginn noch, dass das Töten Vespasian Überwindung kostet, ist dies schon sehr bald nicht mehr der Fall, was für mich einen großen Kritikpunkt am Romans darstellt, denn in diversen Situationen wird hier gemordet, ohne andere Lösungen überhaupt in Betracht zu ziehen. Möglicherweise war der Tod für Römer, die an die brutalen und oft tödlichen Spiele gewöhnt waren, allgegenwärtig und ein gewaltsamer Tod nicht ungewöhnlich, dennoch war es mir dann an einigen Stellen zu viel.
Sprachlich ist der Roman eher schlicht gehalten, der Schwerpunkt liegt deutlich auf dem Transport der Geschichte, die möglichst ohne Längen erzählt werden soll, und das ist hier durchaus gelungen. Die Art und Weise, wie er Autor hier lateinische Begriffe einbringt, gefällt mir dagegen nicht ganz so gut, denn diese werden oft genannt und gleich im Anschluss übersetzt, zum Beispiel in Spiegelstrichen, oder erklärt. Dies hat mich immer mal wieder kurzzeitig aus der Geschichte gerissen, dabei hätte es durchaus elegantere Lösungen gegeben.
An Zusatzmaterial sind eine farbige Karte sowie das zuvor erwähnte Nachwort des Autors vorhanden.

Fazit
Als Reihenauftakt ist Das Schwert des Tribuns durchaus lesenswert. Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass der Gewaltgrad aufgrund des Themas doch recht hoch angesetzt ist.

Bernard Cornwell – Schwertgesang

AutorBernard Cornwell
TitelSchwertgesang
OriginaltitelSwordsong
ÜbersetzerKarolina Fell
SerieSaxon Chronicles Band 4
Seitenzahl479
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-24802-3
Bewertung

Inhalt
Mercien, 885: Im Auftrag König Alfreds kämpft Uhtred gegen die Dänen, die Wessex bedrohen, sowohl zu Lande als auch zu Wasser. Dennoch will der König Uhtred nicht völlig vertrauen, denn dieser ist kein Christ, sondern hängt dem alten Glauben an.
Als Alfreds Neffe Aethelwold Uhtred erzählt, dass ein Toter, aus dem Grab auferstanden, ihnen eine Zukunft als König weissagt, wird er hellhörig und möchte mehr erfahren. Und so trifft er auf die Besatzer Lundenes, die Norweger Sigefrid und Eric.
Doch schon bald muss er erkennen, dass er einem Betrug aufgesessen ist. Und so bleibt er weiterhin Alfred treu, in dessen Auftrag er Lundene und somit den Zugang zur Themse befreien soll…

Meine Meinung
Schwertgesang ist der vierte Band der Reihe um den angelsächsischen Krieger Uhtred. Und auch dieses Mal führt Bernard Cornwell sein bewährtes Rezept fort und bietet dem Leser einen kleinen Abschnitt englische Geschichte, eingebettet in viele Kämpfe.
Wieder einmal ist dieses Ereignis, von dem Cornwell hier berichtet, nämlich die Eroberung Londons unter König Alfred, zwar überliefert, man weiß aber fast nichts darüber, selbst über das Jahr ist man sich nicht sicher, so dass dem Autor viele Freiheiten bleiben, eine spannende Geschichte zu verfassen. Somit ist ein großer Teil der Romanhandlung fiktiv, was aber der Glaubwürdigkeit keinen Abbruch tut, denn man kann sich gut vorstellen, dass es so oder ähnlich durchaus hätte passiert sein können. Doch man erfährt auch genügend Details, die sich tatsächlich ereignet haben. So wird berichtet, wie Alfred eine große Anzahl Orte im Land befestigen lässt, und auch Æthelflaeds Ehe mit Æthelred, im Roman Uhtreds Cousin, spielt eine wichtige Rolle.
Man merkt Uhtred an, dass er, inzwischen rund dreißig Jahre alt, kein ganz junger Spund mehr ist. Noch immer ist er ein großartiger Kämpfer, der zunächst an sich denkt, der auch nicht davor zurückschreckt, Gewalt anzuwenden, um seinen Standpunkt zu bekräftigen und seine Wünsche durchzusetzen. Seine Ehre ist ihm aber sehr wichtig, und so nimmt er einmal gesprochene Eide sehr ernst.
Doch ist er auch zu einem Familienmenschen geworden, der zwei Kinder hat und sich um seine Frau sorgt. Auch um Æthelflaed, die Tochter König Alfreds, empfindet der Krieger viel, liebt er sich doch wie eine Tochter. Somit erscheint Uhtred hier deutlich menschlicher als noch in den vorherigen Bänden, in denen über zartere Gefühle kaum ein Wort verloren wurde.
Dennoch liegt der Schwerpunkt weiterhin auf diversen Kämpfen, von kleinen Scharmützeln, wie sie direkt im Prolog beschrieben werden, bis hin zu Großereignissen. Spannend sind sie alle, aber manche sind eher oberflächlich gehalten, andere schon deutlicher bis in alle brutale Einzelheiten. Insgesamt lässt sich die Handlung in zwei große Spannungsbögen einteilen, die zusammengenommen eine runde Geschichte ergeben. Diese deckt aber nur eine sehr kurze Zeitspanne von wenigen Monaten ab, während es in vorherigen Bänden meist mehrere Jahre waren.
Viele Weggefährten Uhtreds, Freunde wie Feinde, haben in diesem Roman einen weiteren Auftritt, manche nur kurz, andere sind als Krieger in Uhtreds Reihen ständig präsent. Da diese hier nur mit wenigen Worten vorgestellt werden, empfiehlt es sich sehr, die Reihe von Beginn an zu lesen und die Einzelbände nicht für sich zu lesen.
Vielen Autoren scheint es schwer zu fallen, bei Ich-Erzählungen auch die Nebencharaktere lebendig werden zu lassen. Damit hat Cornwell jedoch keine Probleme, denn auch wenn einige wie Bischof Asser sehr einseitig beschrieben werden, kann man sie sich doch sehr gut vorstellen, sie sind mehr als nur eine Ansammlung von Namen auf dem Papier. Auch die Antagonisten, die in diesem Roman auftreten, nämlich die Norweger Sigefrid und Erik, werden hier gekonnt dargestellt. Dabei gelingt der Spagat, Gegenspieler Uhtreds nicht einseitig, sondern durchaus auch mit ihren sympathischen Seiten darzustellen.
Der Schreibstil ist, wie man es von Cornwell gewohnt ist, sehr gut verständlich und zudem so bildlich, dass sich bei mir ein sehr gutes Kopfkino einstellt. Die Ortsnamen sind auch dieses Mal an der damaligen Schreibweise orientiert, eine Auflistung zu Beginn des Buches erleichtert die Orientierung. Daneben gibt es noch eine Karte, die die Gegend um London sowie eine schematische Darstellung der Stadt selbst zeigt. Diese sind für das Verständnis der Beschreibungen im Roman sehr hilfreich. Auch ein Nachwort darf natürlich nicht fehlen.

Fazit
Schwertgesang bietet, wie man es von Bernard Cornwell gewohnt ist, eine spannende Handlung eingebettet in ein Stück englische Geschichte. Für Fans der Reihe absolut lesenswert!

Jan Guillou – Aufbruch

AutorJan Guillou
TitelAufbruch
OriginaltitelVägen till Jerusalem
ÜbersetzerHans-Joachim Maass
SerieDer Kreuzritter Band 1
Seitenzahl510
VerlagHeyne
ISBN978-3-453-47096-5
Bewertung

Inhalt
Westliches Götaland, 1150: Während der Weihe des Doms zu Skara hat Frau Sigrid eine Vision: Sie soll ihr Land Varnhem den Mönchen von Lurö stiften, auf dass diese dort ein neues Kloster gründen können.
Ihr Mann Magnus ist von dieser Idee zunächst nicht begeistert, erkennt jedoch bald die Vorteile, die sich seiner Familie dadurch ergeben. So bringen die Mönche, die aus dem fernen Frankenland stammen, neue Technologien mit, die sie Frau Sigrid und ihren Leibeigenen beibringen.
Als einige Jahre später Sigrids Sohn Arn einen schweren Sturz überlebt, weihen seine Eltern ihn der Arbeit Gottes. Und so beginnt seine Erziehung im Kloster Varnhem…

Meine Meinung
Der Roman Aufbruch ist der erste Band einer Trilogie, die sich mit dem fiktiven Tempelritter Arn Magnusson beschäftigt und die auch verfilmt wurde. Dabei ist zu bemerken, dass der Roman zuvor im Piper-Verlag unter dem Titel Die Frauen von Götaland veröffentlicht wurde. Der neue Titel ist da schon deutlich passender gewählt und auch dichter am schwedischen Original, schürt aber Erwartungen, die mit diesem Band noch nicht ganz erfüllt werden können, da die Hauptperson hier noch gar kein Kreuzritter ist.
Im Zentrum des Romans steht der Junge Arn, der im Kloster erzogen wird. Doch Arn wird nicht nur in Bereichen unterwiesen, die man im einem Kloster erwarten würde, sondern bekommt zudem von einem ehemaligen Tempelritter Unterricht in Bogenschießen und Schwertkampf.
Doch nahezu gleichberechtigt neben den Berichten über Arns Erziehung wird über die politischen Konflikte im westlichen und östlichen Götaland sowie dem Land der Svear berichtet, über König Sverker, Erik Jedwardson, Mord und Intrigen. Eigentlich ist dieses Thema sehr spannend, führen diese politischen Ereignisse doch etliche Jahrzehnte später zur Gründung Schwedens, doch leider war es sehr ermüdend, diesen Schilderungen zu folgen.
Dies liegt vor allen Dingen an Jan Guillous Schreibstil. Anstatt den Leser anwesend sein zu lassen, wird über die meisten Ereignisse des Romans rückblickend erzählt, und das in einer recht nüchternen Art und Weise. Es passiert dies, dann jenes, selbst Gespräche werden oft nur über die indirekte Rede vermittelt, doch wirklich nah am Geschehen ist der Leser nur gelegentlich für kurze Zeit. Dadurch wird sehr viel Potenzial verschenkt, denn Spannung kommt so kaum auf, und auch die Personen gehen einem nicht nahe, da zwar erzählt wird, welche Charakterzüge sie haben sollen, man diese aber kaum erfährt.
Deshalb fällt es mir auch recht schwer, Arn selbst zu verstehen, selbst zu einem Zeitpunkt, zu dem er als erwachsen gilt. Naiv ist hier das erste Wort, das mir zu ihm einfällt, denn über die Welt außerhalb des Klosters weiß der junge Mann überhaupt nichts. Er ist völlig selbstlos und versteht nicht, dass andere Menschen zunächst an sich denken, sei es, dass sie ihn bestehlen oder belügen, und auch Gier ist für ihn unverständlich. Und so gerät er unwillentlich in diverse Situationen, die geradezu lächerlich erscheinen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der Zugang zu so viel Lektüre hat, die Menschen nicht versteht, denn selbst in der Bibel gibt es genügend Beispiele über die Abgründe der Menschen.
Neben Arn gibt es eine ganze Reihe weiterer Charaktere. Viele davon sind fiktiv, andere basieren auf realen Personen, doch zu vielen, die tatsächlich existiert haben, weiß man kaum mehr als den Namen, so dass Guillou hier Beziehungen ehrstellen konnte, die es möglicherweise gegeben hat, möglicherweise auch nicht. In der Darstellung dieser Nebenacharaktere macht Guillou keinen Unterschied, denn fiktive wie reale verharren in der schablonenhaften Darstellung, Sigrid ist schlau, ihr Mann Magnus geschickt mit allem, was mit Geld zu tun hat, Bruder Guilbert ist Arns strenger Lehrer im Bereich der Kampfkünste und Pater Henri der nachsichtige, liebende Prior. Wesentlich mehr erfährt man hier über diese Personen kaum. Und selbst die Liebe, die doch eine so wichtige Rolle für Arns weiteren Lebensweg spielt, ist urplötzlich da, dabei haben sich die jungen Leute gerade erst ein paar Sätze zuvor kennen gelernt. Von Romantik oder Anziehung wurde berichtet, aber zu spüren war sie nicht. Zumindest diese Schlüsselszenen hätten hier besser vermittelt werden können.
Dem Buch vorangestellt ist eine Karte des westlichen Götalands, welche allerdings nicht ganz einfach zu deuten ist. Desweiteren existiert eine Auflistung und Beschreibung der wichtigsten Handlungsorte sowie ein Nachwort, in dem der Autor darlegt, wie er auf die Idee zu diesem Roman gekommen ist und wie der Plan für die Folgeromane aussieht. Auf die tatsächlichen historischen Ereignisse wird nur nebenbei eingegangen. Auch eine kurze Bemerkung des Regisseurs des Films zum Inhalt der kompletten Reihe ist im Anhang zu finden.

Fazit
Selten ist es mir so schwer gefallen, ein Buch zu bewerten, denn während es recht interessant war, Arns Erziehung zu verfolgen, waren die politischen Schilderungen doch eher ermüdend. Die Geschichte hat so viel Potenzial, welches jedoch durch die flachen Charaktere und die erzählende Schreibweise verschenkt wird.

James Aitcheson – Die Ritter des Nordens

AutorJames Aitcheson
TitelDie Ritter des Nordens
OriginaltitelThe Splintered Kingdom
ÜbersetzerBernhard Weber
SerieConquest Band 2
Seitenzahl540
VerlagGoldmann
ISBN978-3-442-47975-7
Bewertung

Inhalt
England, 1070: Nachdem der junge Ritter Tancred a Dinant Ruhm in Eoferwic erworben hat, wird er mit einem kleinen Gut an der Grenze zu Wales belehnt. In letzter Zeit mehren sich die Angriffe der Waliser auf seine neue Heimat, so dass sich Tancred immer öfter zur Wehr setzen muss.
Schon bald benachrichtigt ihn sein Lehnsherr, dass sich die Waliser und die Angelsachsen gegen die Normannen verbündet haben und einen Angriff planen, während gleichzeitig die Küsten von den Nordmännern bedroht werden. Und so bleibt Tancred nichts anderes übrig, als erneut in den Kampf zu ziehen…

Meine Meinung
Bei Die Ritter des Nordens handelt es sich um den zweiten Band einer Trilogie um den fiktiven bretonisch-normannischen Ritter Tancred a Dinant. Kernpunkt des Romans sind die Schwierigkeiten, denen sich die Normannen in England in den Jahren nach der Eroberung ausgesetzt sehen, und die Maßnahmen, die dagegen ergriffen werden. Der deutsche Titel erschließt sich mir hier nicht, er scheint völlig willkürlich gewählt zu sein, denn Ritter aus dem Norden gibt es hier nicht. Der Originaltitel The Splintered Kingdom, zu Deutsch in etwa „Das zersplitterte Königreich“, drückt dagegen treffend aus, worum es geht, nämlich um das von von vielen Splittergruppen bedrängte normannische Reich.
Im Verlauf des Romans wird immer wieder auf vergangene Ereignisse Bezug genommen, ohne dass jedoch explizit zusammengefasst wird, was im ersten Band, Der Pakt der Schwerter, geschehen ist. Aus diesem Grund empfiehlt es sich nicht, diesen zweiten Band für sich oder mit einem großen zeitlichen Abstand zum ersten zu lesen, da einem sonst zu viel entgeht.
Zwischen dem Ende des ersten und dem Beginn des zweiten Bandes liegt etwa ein Jahr, über das der Leser nicht allzu viel erfährt, das aber auch nicht allzu ereignisreich gewesen sein dürfte.
Tancred ist inzwischen in Earnford nahe der walisischen Grenze heimisch geworden. Er hat seine eigenen Ritter, zudem lernt er die englische Sprache, um sich mit seinen Untergebenen verständigen zu können. Und er hat eine Geliebte, die sein Kind erwartet. Doch als sein Lehnsherr ihn ruft, muss der Ritter in den Krieg ziehen.
Als Ich-Erzähler lässt Tancred einen daran teilhaben, wie er diese schwierige Zeit erlebt. Das Warten, die strategische Planung, kleinere Konflikte, die sich aufbauschen und gefährliche Ausmaße annehmen, all das erfährt der Leser aus erster Hand.
Dabei ist Tancred doch sehr von sich selbst eingenommen, obwohl er doch nur ein kleiner Ritter ist. Als großer, starker Mann, der geschickt im Kampf ist und gut taktieren kann, hat er sich einen gewissen Ruf erworben, den es immer wieder zu verteidigen gilt.
Und so verwundert es wohl kaum, dass sich der Roman weitestgehend mit Kämpfen beschäftigt. Er beginnt mit einem kleinen Feldzug gegen walisische Räuber und Plünderer, beschreibt hier einen kleinen Kampf unter wenigen Personen, dann einen großen Kriegszug, einen Überfall hier, eine Kriegslist dort.
Ein wenig erscheint Tancred als Übermensch, dass er so viele große und kleine Kämpfe nahezu unverletzt übersteht, jedoch wird schon deutlich, dass es sich nicht um harmlose Scharmützel handelt.
Dennoch gibt es auch zartere Themen. Zwar nimmt die Liebe keine zentrale Rolle ein, dennoch gibt es hier zwei Frauen, denen Tancred Zuneigung entgegenbringt, und das auf eine verständliche Art und Weise, nicht übertrieben stark, aber auch nicht so, als wäre dieser Aspekt der Handlung völlig unwichtig.
Auch die eine oder andere interessante Wendung darf man hier erwarten, die ich so nicht vorhergesehen hätte, die aber der Handlung gut tut.
Während Tancreds Charakter recht gut dargestellt wird, bleiben nahezu alle anderen Figuren blass oder erscheinen schablonenhaft, insbesondere die Freunde und Untergebenen Tancreds sind absolut austauschbar und sind kaum mehr als Namen auf dem Papier. Manche von ihnen werden im Verlauf des Romans etwas genauer beschrieben, was aber kaum hilft, wenn sie schon über mehrere hundert Seiten gesichtslose Kämpfer nicht näher beschriebenen Alters waren. Dies wird durch die Ich-Erzählung begünstigt, da so einzig Tancreds Sicht berücksichtigt wird. Hier wäre deutlich mehr drin gewesen, was der Geschichte gut getan hätte.
Für eine Ich-Erzählung ist der Schreibstil zudem vergleichsweise nüchtern. Zwar sind die Beschreibungen sehr bildlich, man kann sich die Umgebung oder die Handlungen recht gut vorstellen, diese Erzählperspektive lässt aber auch zu, dass der Erzähler Einfluss auf die Stimmung seiner Geschichte nimmt und die Handlung dadurch emotional einfärbt. Und dies fehlt mir hier doch ein wenig, um wirklich mit Tancred mitfiebern zu können.
Während also die Handlung grundsätzlich viel Spannung aufweist, wird durch die sehr blassen Charaktere viel Potenzial verschenkt.
Um den Leser ein wenig stärker in die Zeit vor knapp tausend Jahren zurückzuführen, hat sich James Aitcheson dazu entschieden, die Ortsnamen in zeitgenössischer Schreibweise zu verwenden. Dazu findet sich auch eine Erklärung im Buch.
Als weiteres Zusatzmaterial gibt es eine Karte Englands sowie ein Nachwort, in dem auf die historischen Ereignisse eingegangen wird.

Fazit
Ein eigentlich spannender zweiter Band einer Trilogie, der sehr auf Kämpfe fokussiert ist, dessen blasse Charaktere aber den Lesespaß deutlich mindern.