Autor | Jeremiah Pearson |
Titel | Die Täuferin |
Originaltitel | The Brethren |
Übersetzer | Axel Merz |
Serie | Der Bund der Freiheit Band 1 |
Seitenzahl | 607 |
Verlag | Lübbe |
ISBN | 978-3-7857-2537-5 |
Bewertung |
Inhalt
Kunwald in Böhmen, 1517: Kristina ist Mitglied einer Gemeinschaft, die sich die Böhmischen Brüder nennt, deren Ziel es ist, die Menschen im Lesen zu unterweisen, damit diese die Heilige Schrift lesen und verstehen können. Dies ist jedoch der Kirche ein Dorn im Auge, will sie doch vorschreiben, was die Menschen zu glauben haben, und so werden die missionierenden Mitglieder dieser Gemeinde als Ketzer verfolgt.
Zur gleichen Zeit südlich von Wien: Unter den verpflichteten Leibeigenen, die sich auf einem Feldzug gegen die Türken befinden, ist auch Lud aus Giebelstadt, der schon mehrfach im Krieg war und nun die Verantwortung für zwölf Spießträger aus seinem Dorf trägt. Doch sie sind nur Spielbälle in den Händen der Obrigkeit…
Meine Meinung
Als ich von diesem Roman, der den Auftakt einer Trilogie bildet, das erste Mal gehört habe, war mein Interesse sofort geweckt, finde ich die angesprochenen Themen wie Bauernaufstand und Reformation doch sehr spannend. Doch schon bald musste ich feststellen, das dieses Buch nicht ganz meine Erwartungen erfüllen konnte.
So hatte ich erwartet, dass das Buch, wenn es schon diesen Titel trägt, auch von einer Anhängerin der Gruppierung handelt, die auch tatsächlich als Täufer bezeichnet wird. Stattdessen scheint es sich bei dem Titel aber um eine Fehlübersetzung oder -interpretation zu handeln, denn Täufer, auch als Wiedertäufer oder Anabaptisten bezeichnet, gab es zum Zeitpunkt der Romanhandlung noch gar nicht. Stattdessen wird im Roman explizit gesagt, dass es sich um die Gruppierung der Böhmischen Brüder handelt. Nun ist eine Fehldarstellung dieser Art kein allzu großes Problem, über das ich gerne hinweg sehe, wenn denn der Rest stimmt. Leider dämpfen zudem diverse Anachronismen den Lesespaß, so dass meiner Meinung nach von guter Recherche keine Rede mehr sein kann.
Inhaltlich bietet der Roman noch nicht allzu viel, obwohl er mit gut 600 Seiten nicht gerade dünn ist. Bauernaufstand und Reformation sind nicht direkt Thema des Buches, vielmehr wird hier der Grundstein für die Fortsetzungen gelegt. Und so geht es hier überwiegend um den Krieg mit den Türken und machtlose Leibeigene, die der Willkür der Obrigkeit ausgesetzt sind sowie die Verfolgung der Ketzer, die ständig in Angst leben müssen, verraten und hingerichtet zu werden. Und obwohl auch diese Themen Spannung versprechen, kommt diese nur gelegentlich auf, oft genug plätschert die Handlung nur so vor sich hin und verliert sich in Details. Zusätzlich werden noch andere Themen angesprochen, die Pocken in Zeiten des Krieges oder auch die Vertreibung der Juden und Marranen aus Spanien, doch finde ich die Darstellung beider Themen nicht sehr gelungen.
Auch die Charaktere hätten besser dargestellt sein können. Sehr schnell wird klar, welche Rolle hier wem zugedacht worden ist. So ist Kristina die gütige junge Frau, die fest in ihrem Glauben ist, ihr Mann Berthold ein Maulheld, der sich über seine Glaubensbrüder stellt, Lud der äußerlich hässliche, innerlich aber reine Leibeigene, der besonders unter den Hänseleien der Mitmenschen zu leiden hat, und Dietrich Geyer der edle Ritter, der sich, im Gegensatz zu seinen Standeskollegen, für seine Leibeigenen einsetzt. Obwohl ihre Rollen selbst klar definiert sind und sie meist wie vorhergesehen handeln, hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich auch ein wenig Persönlichkeit bei ihnen entdecken konnte und halbwegs mit ihnen warm wurde. Das wurde durch die Vielzahl an Charakteren, von denen man kaum mehr als den Namen erfährt, noch unterstützt.
Der Schreibstil ist für einen historischen Unterhaltungsroman passend, die Übersetzung konnte mich nicht komplett überzeugen, da hier Begriffe verwendet werden, die in der deutschen Sprache nicht üblich sind oder waren, beispielsweise Villani für die Leibeigenen.
Zwar gibt es ein kurzes Vorwort und ein noch kürzeres Nachwort, in denen auf die Mission der Böhmischen Brüder und auf Dietrich Geyer eingegangen wird, doch fehlt eine Erklärung dazu, wie historisch korrekt das Erzählte wohl tatsächlich ist. Ein sehr ausführliches Personenregister und zwei Karten bieten eine sinnvolle Ergänzung.
Fazit
Ein eher schwacher Reihenauftakt, der vermuten lässt, dass die Geschichte erst im zweiten Band so richtig beginnt. Wer etwas über die Gemeinschaft der Täufer lesen will, ist mit diesem Roman nicht allzu gut beraten, wer sich dagegen einfach unterhalten lassen möchte und nicht viel Wert auf historische Genauigkeit und vielschichtige Charaktere legt, könnte möglicherweise seine Freude mit diesem Buch haben.
Vielen Dank an Bastei-Lübbe und Literaturschock für das Leserunden-Exemplar!
Oha, das klingt ja nicht sehr gut – mit dem Titel hat wahrscheinlich der deutsche Verlag geschlampt, da wird ja manches nicht so eng gesehen, Hauptsache, das Buch verkauft sich … Ich habe gerade mal nachgesehen: Im Original heißt der Band „Brethren“, also „Brüder“. Das konnten sie so natürlich nicht direkt übersetzen, aber statt dessen einen historisch falschen Begriff zu verwenden … tsss.
Gut, aber über einen schlechten Titel kann man ja wegsehen. Über Anachronismen (was für welche sind das denn? Falls du das ohne Spoiler schreiben kannst) und platte Charaktere kann ich das allerdings genauso wenig wie du, von daher danke für die Warnung!
Ja, Brethren heißt „Brüder“ oder auch „Die Bruderschaft“, das hätte eigentlich auch ganz gut gepasst. Auch so ist im Roman mehrfach von „Täufern“ die Rede, wobei ich eben nicht weiß, ob das auch im Original so steht oder ob die Böhmischen Brüder tatsächlich ebenso wie die Täufer die Kindstaufe abgelehnt haben. So sehr kenne ich mich damit auch nicht aus…
Meist sind es kleine Anachronismen, die eigentlich für die Romanhandlung nicht nötig gewesen wären und die deshalb völlig unnötig sind. Da wird ein Lied gesungen, das noch gar nicht geschrieben war, dort von einem Getränk namens Tee geredet, das man mal ausprobieren könnte und das belebend sein soll, bei dem es sich also offensichtlich nicht um einen Kräuteraufguss handelt, und ein Mann weiß sogar, dass die Pest von Rattenflöhen übertragen wird und ist selbst durch Impfung(!) dagegen immun. Es gibt noch mindestens einen weiteren, der aber für die Handlung relevanter ist, vielleicht aber auch noch mehr. ich habe mir jetzt nicht alle notiert…
In so vielen Rezensionen zu diesem Buch wird behauptet, dass es doch so gut und gründlich recherchiert wäre, spätestens nach dem zweiten Anachronismus war ich aber sehr enttäuscht und habe wesentlich häufiger als bei anderen Romanen diverse Dinge nachgeschlagen.