Archiv der Kategorie: Rezensionen

Ulrike Schweikert – Das Siegel des Templers

AutorUlrike Schweikert
TitelDas Siegel des Templers
Seitenzahl604
VerlagBlanvalet
ISBN978-3-442-36992-8
Bewertung

Inhalt
Pyrenäenpass, 1307: Der Ritter Kraft von Ehrenberg soll einen Tempelritter ermordet haben. Um Buße zu tun, wird er von seinem Beichtvater auf den Jakobsweg geschickt.
Als in Abwesenheit des Vaters merkwürdige Dinge geschehen und die Mutter tatenlos zusieht, entschließt sich das Edelfräulein Juliana, ihrem Vater zu folgen und nach Antworten auf ihre Fragen zu suchen. Um mögliche Verfolger abzuschütteln und die allgemeinen Gefahren zu reduzieren schneidet sie ihr Haar und reist als Junge. Gerne würde sie ganz alleine reisen, doch hat sich eine kleine Reisegruppe zusammengefunden, von denen einige Mitglieder sich recht merkwürdig verhalten und die sie nicht abschütteln kann…

Meine Meinung
Auf den ersten Blick erscheint Das Siegel des Templers als weiterer typischer Hosenroman. Wie bei den meisten Vertretern dieser Gattung werden Probleme, die sich durch diese Verkleidung ergeben, weitestgehend ignoriert, so dass die männlichen Begleiter der jungen Frau keinerlei Verdacht schöpfen. Dies hat mir einen guten Teil der Freude an dem Roman genommen, wird er dadurch doch recht unglaubwürdig.
Durch den ungewöhnlichen Aufbau gewinnt der Roman jedoch wieder ein wenig dazu, denn während die Reise auf dem Jakobsweg von den Pyrenäen bis nach Santiago chronologisch beschrieben wird, werden abwechselnd dazu Kapitel über Erlebnisse aus Julianas Vergangenheit erzählt, die mal viele Jahre zurück liegen, dann aber auch wieder kurz vor der Abreise spielen. Diese Erzählweise kann schon mal verwirren, zumal die Kapitel, die in der Vergangenheit spielen, im Präsens geschrieben sind, während für die spätere Reise die Vergangenheitsform gewählt wurde, jedoch werden so immer wieder aufgekommene Fragen im richtigen Moment beantwortet und die Spannung dadurch hoch gehalten, was durch eine rein chronologische Beschreibung nicht der Fall gewesen wäre. Es erfordert jedoch ein wenig Konzentration und einen Blick auf die Jahreszahl zu Beginn jedes Kapitels, um den Überblick nicht zu verlieren und jedes Puzzleteil an seinen Platz setzen zu können. Zusammengenommen ergeben sie ein grobes Bild darüber, was in der Vergangenheit wirklich geschehen ist und welche Rolle Julianas Vater in der ganzen Geschichte spielt.
Dagegen ist die Beschreibung von Julianas Reise zwar überwiegend spannend, gelegentlich aber auch langatmig erzählt. An manchen Stellen erscheint es mir, als ob die Autorin hier einen Reiseführer über den Jakobsweg im Mittelalter schreiben wollte, mit längeren Passagen, in denen einer der Reisegefährten die Stationen und Sehenswürdigkeiten des nächsten Abschnitts beschreibt. Mir war es etwas zu viel des Guten, das hätte man auch anders umsetzen können. So kamen mir die Reisenden wie Touristen vor, obwohl Juliana doch ihren Vater so dringend finden muss.
Stellenweise war der Roman vorhersehbar, doch immer mal wieder gab es dann, oft durch einen Blick in die Vergangenheit eingeleitet, eine neue Wendung, die ein ganz anderes Licht auf die Ereignisse geworfen hat.
So hatte ich zunächst das Gefühl, es hier doch sehr mit platten, stereotypen Charakteren zu tun zu haben. Da wäre natürlich zuerst Juliana, die locker als junger Mann durchgeht – darüber habe ich mich weiter oben schon ausgelassen. Obwohl sie in ihrer Kindheit viele Freiheiten hatte, kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass sie sich so problemlos in diese Rolle einfinden kann. In den Rückblicken sieht man sie jedoch als das verwöhnte Kind, das ihren Kopf oftmals durchzusetzen weiß.
Ihre Reisegruppe besteht aus zwei Kirchenmännern und zwei Rittern, und alle zeigen in irgend einer Form Interesse an Juliana, so dass sie das Gefühl hat, von allen Seiten bedroht zu werden. Doch nicht alles ist, wie es scheint, und so zeigt sich erst ziemlich am Ende, wer hier mit welchen Motiven auf die Reise gegangen ist. Auch das Ende selbst war so ganz anders als erwartet, was mich doch sehr gefreut hat, zeigt es doch, dass Ulrike Schweikert es nicht nötig hat, bekannten Schemata zu folgen.
Tempelritter selbst spielen in diesem Roman eine untergeordnete Rolle. Sie tauchen hier und da mal auf, abgesehen davon ist der Name des Romans allerdings eher irreführend. Es wird erst ganz zum Schluss deutlich, worum es eigentlich genau bei dem Mord zu Beginn geht und was es mit dem Siegel auf sich hat, wer sich mit der Geschichte der Tempelritter allerdings nicht auskennt, ist möglicherweise auf Aufklärung durch das ausführliche Nachwort angewiesen.
Der Schreibstil war überwiegend gut und flüssig zu lesen, manche Ausdrücke kamen mir jedoch regional geprägt vor und sind mir so in Büchern selten untergekommen. Auffällig ist zudem, dass Städtenamen oft in alter Schreibweise verwendet werden, die aktuellen Namen aber durch Fußnoten deutlich gemacht werden.
Neben dem Nachwort wird der Roman durch ein Personenregister, ein Glossar sowie ein Literaturverzeichnis ergänzt. Eine Karte, durch die man Julianas Weg nachvollziehen kann, fehlt leider – möglicherweise ist sie für diejenigen, die bereits mit dem Jakobsweg vertraut sind, unnötig, mir jedenfalls hätte sie sehr geholfen.

Fazit
Eine überwiegend fesselnde Rahmenhandlung und ein ungewöhnliches Konzept treffen hier mit dem typisch seichten Hosenroman zusammen. Heraus kommt eine Mischung, die ich zwar mit großer Spannung gelesen habe, die mich aber nicht völlig überzeugen konnte.

Maren Winter – Der Stundensammler

AutorMaren Winter
TitelDer Stundensammler
Seitenzahl495
VerlagHeyne
ISBN978-3-453-40146-4
Bewertung

Inhalt
Worzeldorf in der Nähe von Nürnberg, 1502: Severin ist erst elf Jahre alt, doch groß und kräftig gebaut. Eigentlich sollte er seinen Pflegeeltern eine große Hilfe bei der Führung des Hofes sein, doch passt er nicht so recht in die Familie. Sein hohes mechanisches Verständnis sorgt oft für Unverständnis, zudem hat er kein Verhältnis zur Zeit: Immer entrinnt sie ihm und er verpasst oft den richtigen Zeitpunkt.
Als seine Familie ums Leben kommt, gibt sich Severin die Schuld an ihrem Tod, weil er zum Zeitpunkt ihres Todes nicht anwesend war. Und so verbeißt er sich in den Wunsch, eine eigene Uhr zu besitzen, damit er wichtige Momente nicht mehr verpassen kann…

Meine Meinung
Dieses Buch ist wieder ein Beispiel dafür, dass man Klappentexten nicht immer trauen sollte. Der Roman beginnt nicht, wie man auf dem Buch lesen kann, 1492, sondern etwa zehn Jahre später.
Vom allgemeinen Aufbau ist Der Stundensammler ein historischer Roman wie viele andere auch: Die Lebensgeschichte einer mehr oder weniger fiktiven Person wird in historische Ereignisse und das Leben historischer Persönlichkeiten eingebaut. Und trotzdem hatte ich hier das Gefühl, dass dieser Roman doch irgendwie anders ist.
Dies fängt damit an, dass er besonders zu Beginn sprachlich heraussticht, indem sehr häufig mit Begriffen zur Zeit gespielt wird, sodass schnell klar wird, was das Fassen der Zeit für Severin bedeutet und welche Schwierigkeiten er damit hat.
Diese Schwierigkeit wird dem Leser auch dadurch verdeutlicht, indem innerhalb des Romantextes nahezu komplett auf die Nennung von Zeitangaben verzichtet wird. Wie viele Tage, Monate oder Jahre seit dem letzten Kapitel vergangen sind wird nicht erwähnt und ist auch aus dem Zusammenhang nur selten erkennbar, gelegentlich kann man es sich durch die äußerlichen Beschreibungen der Heranwachsenden erschließen. Zwar gibt es eine Zeittafel im Anhang, jedoch ist die Gefahr, sich dadurch zu Spoilern, recht groß, weshalb ich davon abraten würde.
Die Rahmenhandlung des Romans ist durch den Lebenslauf der historischen Personen Herman und Peter Henleins vorgegeben. Dass es einen Severin Henlein gegeben hat, ist durch Dokumente belegt, doch ist über ihn weiter nichts bekannt, weshalb die Autorin hier ihrer Phantasie freien Lauf lassen und Severin nach ihren Vorstellungen gestalten konnte. Und so erzählt Maren Winter hier die spannende Geschichte eines Jugendlichen, der seinen Platz in der Welt sucht, aber nirgends richtig dazugehört, der über eine hohe Intelligenz verfügt, aber durch sein Verhalten immer irgendwo aneckt, dem es schwer fällt, Freundschaften zu schließen und sie auch zu halten, und dem der Besitz einer Taschenuhr mehr bedeutet als alles andere auf der Welt.
Besonders zu Beginn hatte ich meine Probleme mit Severin, ist sein Verhalten doch mehr als nur ein wenig absonderlich. Doch je länger ich mich mit dem Buch beschäftigt habe, um so wahrscheinlicher war es für mich, dass Severin leicht autistisch sein könnte, was es mir erleichtert hat, ihn zu verstehen, auch wenn es ihn nicht unbedingt sympathischer macht.
Auch viele der anderen Charaktere sind keine Sympathieträger. Besonders Peter und Herman Henlein sind richtig unangenehme Zeitgenossen, mit denen sich Severin allerdings mit der Zeit zu arrangieren lernt.
Thematisch liegt der Schwerpunkt dieses Romans, wie schon erwähnt, auf der Erfindung der Taschenuhr, die Peter Henlein zugeschrieben wurde – inzwischen ist sich die Forschung anscheinend nicht mehr ganz sicher, jedoch geht Maren Winter noch von dieser These aus, lässt Severin aber eine Große Rolle darin spielen. Dabei ist diese Geschichte durchweg glaubwürdig beschrieben, trotz oder vielleicht auch gerade wegen Severins Andersartigkeit.
Im Anhang gibt es neben der schon zuvor erwähnten Zeittafel zum Leben der Henleins noch weiteres Zusatzmaterial wie ein Glossar, ein kurzes Personenregister sowie kurzen Erläuterungen zum Handlungsort und zur Erfindung der Taschenuhr an sich. Zudem gibt es zwei Karten zu Nürnberg und der weiteren Umgebung, die leider so gut wie unlesbar sind und so nur der groben Orientierung dienen.

Fazit
Mit Der Stundensammler hat Maren Winter einen weiteren historischen Roman geschrieben, der aus der Masse heraussticht. Empfehlen würde ich ihn technisch Interessierten, die auch Bücher über Hauptpersonen lesen mögen, die nicht gerade sympathisch oder als strahlende Helden beschrieben sind.

Michael Peinkofer – Das Buch von Ascalon

AutorMichael Peinkofer
TitelDas Buch von Ascalon
Seitenzahl846
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-16798-2
Bewertung

Inhalt
London, 1096: Der junge angelsächsische Dieb Conwulf spart eisern, um schon bald seine Geliebte Nia, eine walisische Sklavin an einem normannischen Hof, freikaufen zu können. Doch bevor es dazu kommen kann, stirbt Nia an den Folgen einer Vergewaltigung.
Conn schwört Rache, doch schon bald gerät er in große Gefahr, denn er wird Zeuge eines geheimen Gesprächs…
Zur gleichen Zeit in Köln: Die Juden der Stadt sind besorgt, weil es in Teilen des Landes zu Ausschreitungen gegenüber Glaubensbrüdern gekommen ist. Besonders Isaac ben Salomon fürchtet die Zukunft, wird er doch an ein vor langer Zeit gegebenes Versprechen erinnert…

Meine Meinung
Eigentlich hatte ich keine allzu hohen Erwartungen an diesen Roman, haben mich doch andere Bücher des Autors nicht gerade begeistern können. Umso sehr war ich am Ende überrascht, dass mir diese Geschichte doch sehr gefallen hat.
In dem Roman gibt es mehrere Handlungsstränge, um Conn, Isaac ben Salomon und seine Tochter Chaya, aber auch um Guillaume de Rein, den normannischen Adeligen, der Conns Hass auf sich gezogen hat, und auch ein Armenier kommt zu Wort. Über einen Großteil des Romans laufen diese Handlungsstränge parallel, nur gelegentlich gibt es Überschneidungen. Am Ende jedoch fügt sich alles zusammen.
Das Hauptthema dieses Romans ist der erste Kreuzzug. Die schlechte Versorgungslage und die mangelhafte Organisation werden genauso thematisiert wie die Unstimmigkeiten unter den Anführern des christlichen Heers, und auch die Zwistigkeiten zwischen den muslimischen Herrschern werden angesprochen.
Sehr oft sind es einzelne Episoden, die aneinander gereiht werden und zwischen denen immer mal wieder größere Zeitabstände liegen: Hier eine Belagerung, da ein kleiner Kampf, dort der Versuch, Nahrung zu erwerben oder zu erbeuten. Gelegentlich erfährt man in späteren Szenen, was für Folgen eine bestimmte Handlung hatte. Diese einzelnen Episoden, die sich über mehrere Jahre erstrecken, sind weitestgehend spannend und auch glaubwürdig beschrieben, Peinkofer scheut auch nicht davor zurück, liebgewonnene Charaktere sterben zu lassen. Nur gelegentlich haben einige sehr unwahrscheinliche Zufälle die Glaubwürdigkeit der Romanhandlung ein wenig getrübt.
Überspannt werden diese einzelnen Szenen durch das große Rätsel um das Buch von Ascalon. Worum es sich dabei handelt wird erst ziemlich zum Schluss erklärt, obwohl einzelne Charaktere schon sehr früh davon wissen. Hier geht es, wie ich es von Peinkofer kenne, wieder ein wenig in Richtung Fantasy, jedoch nicht so stark wie in anderen seiner Romane.
Die Darstellung der Charaktere ist mal mehr, mal weniger gut gelungen.
Conn gefällt mir, er ist der Sympathieträger des Romans. Er ist anpassungsfähig, macht aber auch mal Fehler und trifft auch schon mal die falschen Entscheidungen, seine Handlungen konnte ich jedoch immer nachvollziehen.
Die weibliche Hauptperson ist die Jüdin Chaya. Sie fällt ein wenig aus der Rolle, tritt sie doch über weite Teile des Romans als Mann verkleidet auf, wodurch das Reisen zwar sicherer für sie ist, insgesamt halte ich eine solche Verkleidung über so einen langen Zeitraum jedoch für wenig glaubwürdig.
Conns Gegenspieler ist der Normanne Guillaume de Rein, ein Sadist und Egoist. Seine Mutter hat Großes mit ihm vor, und zusammen vollführen sie viele Grausamkeiten. Leider sind die beiden sehr einseitig beschrieben, hier hätte ich mehr erwartet.
Doch es gibt andere wichtige Charaktere, die wesentlich vielschichtiger beschrieben sind, die Geheimnisse mit sich herumtragen, die nach und nach aufgedeckt werden.
Die Romanhandlung wird durch eine farbige Europakarte in der vorderen Klappe und ein Personenregister zu Beginn des Buches ergänzt. Zwar gibt es auch ein kurzer Nachwort, hier wird jedoch nicht auf die Historie eingegangen. Ich kann mir vorstellen, dass der Kreuzzug selbst recht authentisch beschrieben ist, doch inwiefern nun das Buch von Ascalon eine Erfindung des Autors oder Bestandteil jüdischer Überlieferung ist hätte ich schon gerne gewusst.

Fazit
Ein spannender Roman über den ersten Kreuzzug, ein geheimnisvolles Buch und eine gefahrvolle Reise. Mein Lesespaß wurde ein wenig durch einige einseitig beschriebene Charaktere und zu glückliche Zufälle getrübt, doch wurde dies an anderer Stelle wieder ausgeglichen. Wer gerne Abenteuerromane liest und sich für den Kreuzzug interessiert, könnte mit diesem Buch seine Freude haben.

Bernard Cornwell – Das Zeichen des Sieges

AutorBernard Cornwell
TitelDas Zeichen des Sieges
OriginaltitelAzincourt
ÜbersetzerKarolina Fell
Seitenzahl557
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-25255-6
Bewertung

Inhalt
England, 1413: Nick Hook ist seit seiner Kindheit Bogenschütze aus Leidenschaft. Als Forstmann im Dienste von Lord Slayton, der möglicherweise Nicks Vater ist, hat er seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Durch eine Familienfehde, die sich schon über einige Generationen hinzieht, gerät Nick jedoch immer mal wieder in Schwierigkeiten.
Als Bogenschützen aus dem ganzen Land nach London beordert werden, um bei einer Massenhinrichtung an Lollarden zu assistieren, ist auch Nick dabei. Doch schon bald überschlagen sich die Ereignisse aufgrund der Fehde, und Nick muss aus England flüchten. Sein Können am Bogen bietet ihm ein Auskommen, und so findet es sich bald in Diensten der Krone in der Stadt Soissons wieder.

Meine Meinung
Der Originaltitel dieses Romans lautet „Azincourt“, damit trägt er den Namen eines Ortes, an dem eine der bedeutendsten Schlachten des Hundertjährigen Krieges ausgefochten wurde. Somit sollte man sich nicht wundern, wenn auch in diesem Roman von Bernard Cornwell Kriege und detaillierte Kampfhandlungen viel Raum einnehmen. Es wird geflucht, geschossen, gehauen, gefoltert, gemordet, belagert, Verrat geübt und was alles sonst noch dazu gehört. Wer mehr Abwechslung erwartet, sollte zu anderen Büchern greifen. Auch das Thema der Lollarden, das zu Beginn kurzzeitig aufgegriffen wird, wird nicht weiter vertieft, sondern dient nur als Aufhänger für Nicks Beteiligung am Krieg. Dieser ist jedoch keineswegs langweilig beschrieben, vielmehr habe ich von Beginn an mit den englischen Bogenschützen mitgefiebert, und das, obwohl ich den Ausgang der Schlacht bereits kannte und es keine großen Überraschungen gibt.
Von dem Kampf um Soissons über die Belagerung von Harfleur bis nach Azincourt begleitet der Leser den Bogenschützen Nick Hook, den ich nicht gerade als Sympathieträger bezeichnen würde. Nick ist ein begnadeter Bogenschütze, stärker als die meisten seiner Kollegen, so dass er auch den größten Bogen spannen kann, und dabei extrem zielsicher. Diese kämpferischen Eigenschaften sind es, die ihn am ehesten charakterisieren. Sein Charakter sind dagegen eher nebensächlich: Seine Feinde hasst er bis zum Tod, und moralische Bedenken, sie zu töten, scheint er nicht zu haben, seine Freunde sind ihm heilig, und seinem König gegenüber ist er loyal. Er ist eigentlich der perfekte Soldat, als Hauptperson in einem Roman ist er allerdings eher langweilig – wären da nicht die Stimmen in seinem Kopf, in denen er die Heiligen Crispin und Crispinian, die Stadtheiligen von Soissons, zu erkennen meint und die ihm gelegentlich beratend zur Seite stehen. Ob es sich hier um Einbildung oder ein Wunder handelt wird nicht klar, jedoch kann ich mir vorstellen, dass dies im ausgehenden Mittelalter, als noch stark an die Wunderwirkung der Heiligen geglaubt wurde, ein und dasselbe gewesen sein könnte.
Eine weitere wichtige Person ist Melissande, illegitime Tochter eines französischen Ritters, die in Soissons auf Nick trifft und von ihm gerettet wird. Hier kommt es, wie es kommen muss: Die beiden werden ein Paar. Besonders viel Romantik sollte man hier nicht erwarten, für Cornwells Verhältnisse werden auf diese Beziehung jedoch recht viele Worte verwendet.
Als großer Wortkünstler ist Bernard Cornwell nicht gerade bekannt, und so ist auch hier die Sprache recht einfach und zweckmäßig gehalten, auch der verwendete Wortschatz ist nicht sehr hoch, was ich nicht der Übersetzung anlaste. Auf einige Beschimpfungen trifft man alle paar Seiten, besonders einfallsreich wird hier jedenfalls nicht geflucht.
Wie man es heutzutage erwarten kann, ist auch dieser Roman recht gut ausgestattet. Neben Karten zu Nordfrankreich, der Belagerung von Harfleur und der Aufstellung bei Azincourt gibt es noch ein sehr ausführliches Nachwort des Autors, in dem er unter anderem auf das Kräfteverhältnis der Armeen und das Können der Bogenschützen eingeht.

Fazit
Trotz der zweckmäßigen Sprache, den einfachen Charakterdarstellungen und der recht einseitigen Handlung hat mich der Roman sehr gut unterhalten, schafft es Cornwell doch, lebendige Bilder vor meinem Auge entstehen zu lassen.
Wer sich für die Beschreibung von Kriegshandlungen im Allgemeinen und die Schlacht bei Azincourt im Besonderen interessiert, der kann hier bedenkenlos zugreifen. Zartbesaiteten würde ich jedoch vom Lesen dieses Romans abraten.

Patricia Bracewell – Die Normannin

AutorPatricia Bracewell
TitelDie Normannin
OriginaltitelShadow on the Crown
ÜbersetzerAnja Schünemann
SerieEmma von der Normandie Band 1
Seitenzahl633
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-26944-8
Bewertung

Inhalt
Normandie, 1001: Die fünfzehnjährige Emma ist die jüngste Schwester des Herzogs und als solche eine gute Partie auf dem Heiratsmarkt. Als nun Æthelred, der König der Angelsachsen, durch eine Heirat Verbindungen zur Normandie knüpfen will, ist es an ihr, diesen Pakt zu besiegeln, denn sie ist erwachsener als ihre ältere Schwester und zudem sprachbegabt, eine Eigenschaft, die sie in ihrer neuen Heimat dringend benötigen wird.
König Æthelred ist jedoch wesentlich älter als Emma und hat eigene Kinder in ihrem Alter, Söhne, die ihre Stellung als Thronfolger bedroht sehen, sollte die junge Frau ebenfalls Söhne bekommen. Und auch Elgiva, Tochter des Ealdormans von Northumbria, hasst die Normannin, hat sie sich doch bereits in der Rolle der neuen Königin gesehen…

Meine Meinung
Der Titel des Romans ist leider sehr nichtssagend, beinahe hätte ich diesen Roman deshalb übersehen. Der Originaltitel Shadow on the Crown ist dagegen wesentlich aussagekräftiger und deutet an, worum es hier geht, nämlich um eine junge Königin, deren Stand von mehreren Seiten bedroht wird.
Bei diesem Roman handelt es sich um den Auftakt einer Trilogie über Emma von der Normandie. Emma war eine der großen Frauen im Mittelalter, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten viel bewegt haben. Ihre späteren Jahre sind gut dokumentiert, über ihre Jugend und die Zeit an Æthelreds Seite ist allerdings weniger bekannt.
Patricia Bracewell hat gründlich recherchiert und ein stimmiges Bild einer jungen Königin geschaffen, die in einer neuen Umgebung überwiegend Ablehnung erfährt. Die Verbindung zwischen den Angelsachsen und den Normannen, auf die der spätere Thronanspruch von William I. zurückgeht, die Bedrohung der englischen Küsten durch die Wikinger, die Haltung der Normannen in dem Konflikt, all das sind Themen, die hier angesprochen werden. Politische Zusammenhänge werden einfach dargestellt, so dass man kein Vorwissen benötigt, sie machen jedoch einen nicht geringen Teil der Handlung aus. Lücken in Emmas Biografie und im historischen Ablauf wurden gekonnt gefüllt und mit den Tatsachen zu einer spannenden Geschichte verflochten. Das Ende des Romans bietet mit einem Wendepunkt in Emmas Leben einen passenden vorläufigen Abschluss, es wird auf Cliffhanger verzichtet, trotzdem hat er mich neugierig auf die Fortsetzung gemacht.
Alle paar Kapitel ist ein Ausschnitt aus der Angelsächsischen Chronik abgedruckt, der von dem handelt, was auf den folgenden Seiten beschrieben wird. Dadurch weiß man zwar oft schon grob, was passiert, doch gelegentlich stellt die Autorin dies ganz anders dar, als es die Verfasser der Chronik wahrgenommen haben, so dass diese Ausschnitte meine Neugier nur weiter geschürt haben. Wer aber gänzlich ohne Spoiler weiterlesen möchte, kann diese kurzen Absätze aber auch gut überspringen, da sie eindeutig gekennzeichnet sind.
Die meisten Charaktere werden glaubwürdig dargestellt, ohne dass sie schablonenhaft wirken. Dabei sind die Personen überwiegend historisch belegt, selbst bis hin zu den Nebenrollen.
Emma wird hier als recht erwachsene Fünfzehnjährige beschrieben, die versucht, mit ihrer Situation so gut es geht zurechtzukommen. Sie wird sympathisch dargestellt, so dass ich mit ihr über die Ungerechtigkeiten, die ihr widerfahren, mitgefühlt habe. Anstatt sich aber alles gefallen zu lassen, nimmt sie die Zügel, sofern es ihr möglich ist, selbst in die Hand, ohne dabei aber aus ihrer Rolle zu fallen.
König Æthelred dagegen nimmt hier die Position eines Monarchen ein, der aus Angst, seine Stellung könnte bedroht werden, alle Menschen in seinem Umfeld gegen sich aufbringt. Er war mir von Beginn an unsympathisch, jedoch ist auch seine Haltung in sich stimmig.
Einzig Elgiva, die Tochter eines Ealdormans, war mir als Gegenspielerin Emmas zu schablonenhaft dargestellt, um mich völlig überzeugen zu können.
Der Schreibstil in der Übersetzung ist flüssig zu lesen, so dass die Handlung dadurch gut transportiert wird. Übermäßige Längen habe ich keine festgestellt, hier wurde ein gutes Gespür für das richtige Timing gezeigt. Einige spezielle Begriffe kommen zwar im Roman vor und können den Lesefluss unterbrechen, diese werden jedoch in einem Glossar erklärt.
Daneben gibt es noch ein kurzes Personenregister, das Mitglieder von Adel und Klerus listet, eine Karte Englands, in der die wichtigsten Handlungsorte eingezeichnet sind, sowie ein Nachwort zum historischen Kontext.

Fazit
Hinter dem wenig aussagekräftigen Titel steckt für mich eine der großen Überraschungen dieses Jahres, mit ihrem Debütroman konnte mich Patricia Bracewell voll überzeugen. Wer Bücher von Elizabeth Chadwick mag und sich für diesen Zeitraum der englischen Geschichte interessiert, wird möglicherweise auch mit diesem Roman seine Freude haben.