Archiv der Kategorie: Rezensionen

Katherine Allfrey – Das Haus am Deich

AutorKatherine Allfrey
TitelDas Haus am Deich
Seitenzahl157
Verlagdtv Junior
ISBN978-3-423-70294-2
Bewertung

Inhalt
England zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Die fünfzehnjährige Betsy Anne verlässt ihr ärmliches Elternhaus in Bristol, um künftig im Haus ihres Onkels und ihrer Tante zu leben. Wie eine eigene Tochter soll sie aufgenommen werden, mit allem, was dazu gehört.
Doch Tante Emma scheint das Mädchen gar nicht im Haus haben zu wollen und gibt sich große Mühe, sie zu vergraulen, aber Betsy Anne lässt sich nicht unterkriegen, denn dafür fühlt sie sich am Severn viel zu wohl.
Schon bald zeigt sich, dass nicht alles so ist, wie es scheint, denn nachts passieren manchmal merkwürdige Dinge.

Meine Meinung
Als ich dieses Jugendbuch vor vielen Jahren geschenkt bekommen habe, hat es mich eher weniger interessiert, habe ich doch zu dem Zeitpunkt schon meist wesentlich umfangreicherer Romane gelesen. Und so habe ich dieses Buch nach dem Lesen auch bald wieder vergessen. Neulich ist es mir wieder in die Hände gefallen, und weil ich mich so gar nicht mehr daran erinnern konnte, habe ich es mir nochmal genauer angeschaut.
Die Geschichte selbst ist sehr interessant. Geht es zunächst um das Einleben im „Schiefen Wind“, dem Haus am Deich, werden so nach und nach Fragen aufgeworfen, die dann auf den ersten zwei Dritteln doch wieder zugunsten des Alltags in den Hintergrund gedrängt werden. Somit liegt der Schwerpunkt dieses Romans schon sehr auf der Beschreibung des Lebens im frühen 19. Jahrhundert und weniger auf den geheimnisvollen Vorgängen.
Dass die Geschichte hier als Jugendbuch angelegt ist und nur wenige Seiten umfasst, ist dabei allerdings von Nachteil, denn dadurch werden viele Dinge nur oberflächlich angesprochen. Das Ende kommt zwar nicht völlig unerwartet, ist aber auch nicht vollständig stimmig, es kommt sehr abrupt und die Auflösung vieler Fragen erfolgt im Epilog, quasi im Nachschlag, statt im eigentlichen Romanteil. Gerne hätten einzelne Szenen deutlicher ausgebaut sein dürfen.
Auch die Charakterdarstellung leidet ein wenig unter der Kürze, denn für eine ausführliche Entwicklung ist nicht allzu viel Raum vorhanden. Es reicht aber aus, um zu erkennen, dass die Charaktere durchaus glaubwürdig, wenn auch recht einseitig, beschrieben sind.
Die Hauptperson und Identifikationsfigur ist hier die rothaarige Betsy Anne, ein Mädchen, das über die Monate erwachsen wird und lernt, die wichtigen Dinge von den unwichtigen zu trennen. Trotz ihrer schlagfertigen und leicht wilden Art ist sie ein Kind ihrer Zeit, kennt sich mit den Tätigkeiten im Haushalt aus und versucht nicht, aus ihrer Rolle auszubrechen.
Ihr Onkel Joe, ein wortkarger, aber liebenswerter Zeitgenosse, unterstützt das Mädchen, wo er nur kann, und versucht sein Versprechen, ihr ein Zuhause zu bieten, einzuhalten. Emma Ridley ist das ganze Gegenteil von ihm, schnell wird klar, dass sie etwas zu verbergen hat. Weitere wichtige Personen sind der alte Seebär Old Oliver, der mit der eingeschüchterten Haushälterin Mary Gibbs im Kapellenhaus wohnt, Tom, der Joe zur Hand geht, und der tolle Andy, ein Draufgänger, der Betsy Anne schnell gegen sich aufbringt.
Man merkt, dass die deutsche Autorin Katherine Allfrey lange Zeit im englischsprachigen Ausland gelebt hat, denn einige Satzkonstruktionen stammen aus dem englischen Sprachgebrauch und sind im Deutschen so nicht üblich, weshalb ich zunächst von einer schlechten Übersetzung ausgegangen bin. Sprachlich ist wenig davon zu merken, dass dieser Roman für jüngere Leser geschrieben wurde, abgesehen davon, dass einige wenige Begriffe in Fußnoten erklärt werden. Für ältere Kinder oder Jugendliche ist das Buch daher gut zu lesen, für jüngere ist es schon alleine aufgrund der doch sehr kleinen Schrift eher weniger geeignet. Eine genaue Altersempfehlung ist im Buch allerdings nicht zu finden.
Besonders negativ fällt wieder einmal der Klappentext ins Auge. Nicht nur ist der Name der Hauptperson falsch geschrieben, auch werden hier Informationen vorweggenommen und Teile des Inhalts falsch dargestellt, weshalb man ihn möglichst nicht beachten sollte.

Fazit
Die Geschichte ist recht interessant und bietet einen spannenden Einblick in das Leben im frühen neunzehnten Jahrhundert. Als Einstieg in die historischen Romane oder als kleiner Happen zwischendurch ist dieses ältere Jugendbuch einen Blick wert.

Antonia Salomon – Die Heilerin vom Strahlenfels

AutorAntonia Salomon
TitelDie Heilerin vom Strahlenfels
Seitenzahl431
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-16990-0
Bewertung

Inhalt
Burg Strahlenfels, zu Beginn des 16. Jahrhunderts: Katharina von Velden ist die junge Frau des Ritters Thassilo von Wildenstein. Obwohl ihre Ehe schon seit vier Jahren besteht, sind sie noch nicht mit Kindern gesegnet. Für den Inquisitor Bonifatius von Ebenstatt, einen entfernten Verwandten Thassilos, ist dies ein Beweis dafür, dass Katharinas Heilkunst nicht gottgewollt ist, sondern sie eine Hexe sein muss.
Noch ist die Verfolgung von Hexen im Reich noch nicht weit verbreitet, und als Adelige genießt die junge Frau zusätzlichen Schutz. Doch Bonifatius setzt alles daran, um Beweise gegen sie zu sammeln…

Meine Meinung
Bei Die Heilerin vom Strahlenfels handelt es sich um den Debütroman von Antonia Salomon. Auf gut 400 Seiten widmet sich die Autorin dem Thema der frühen Hexenverfolgung im Nürnberger Raum sowie der Heilkunst im 16. Jahrhundert.
Dabei legt sie viel Wert auf die Beschreibung einzelner Anwendungsgebiete der Naturheilkunde. Dies ist zwar interessant, stellenweise war das aber etwas zu ausführlich, wenn mal wieder über einen ganzen Absatz erklärt wird, wie ein Kraut wirkt und wie es zubereitet wird. Bei solch ausführlicher Recherche hätte ich mir zudem gewünscht, dass nicht nur die medizinische Anwendung, sondern auch die Herkunft der Pflanzen recherchiert werden, denn zumindest die Pfefferminze gab es im 16. Jahrhundert nachweislich noch nicht.
Auch wenn die Heilkünste Katharinas in diesem Roman nichts mit Hexenkünsten zu tun haben, so könnte man die junge Frau dennoch als Hexe sehen, denn sie hat gelegentlich Vorahnungen, Träume, die sich schon bald als wahr herausstellen. Aber warum war es hier nötig, die Hauptperson mit diesen Fähigkeiten auszustatten? Reicht es nicht, dass sie eine normale Heilkundige ist, die ihre Künste selbstlos auch den Ärmsten zuteil werden lässt?
Und das ist auch eins der Probleme, die ich mit Katharina habe: Sie ist im Prinzip ein langweiliger Gutmensch, der eben hauptsächlich durch diese beiden Eigenschaften heraussticht. Wenn sie noch andere Eigenschaften hat, dann bleiben sie hier gut verborgen.
Ihr Mann Thassilo bleibt genauso blass. Man erfährt wenig über ihn, hauptsächlich, dass er ständig in den Kampf für seinen Kaiser zieht beziehungsweise ziehen muss und deshalb des Öfteren auf die Heilkünste seiner Frau angewiesen ist. Auch, dass er und seine Frau aus Liebe geheiratet haben, ist bekannt, und dass er sie unterstützt, wenn sie Menschen auch abseits ihres Kräuterwissens helfen will.
Der Inquisitor Bonifatius dagegen ist ein richtiger Bösewicht, der Hexen brennen sehen will. Was ihn aber zu diesen Taten treibt ist mir nicht klar geworden. Ist es der Ruhm, den er sich durch diese Verfolgungen erhofft, das Ansehen des Papstes, möglicherweise ein Aufstieg in der kirchlichen Hierarchie?
Insgesamt waren mir alle Charaktere zu platt, sie lassen sich fast alle eindeutig in gut und böse einteilen, Grauschattierungen gibt es kaum, und wenn, dann nur, weil die Menschen in ihre Rollen gezwungen wurden.
Der Schreibstil ist flüssig, stellenweise wird auch vor brutalen Beschreibungen, beispielsweise in Folterszenen, nicht zurückgeschreckt, nur um dann wieder durch die eingestreuten Informationen zur Naturheilkunde recht trocken zu werden.
Große Romantik sollte man hier übrigens nicht erwarten, dazu hätte der Roman wohl einige Jahre früher ansetzen müssen. So sind Thassilo und Katharina ein Paar, das sich zwar liebt, dessen Liebesbeziehung aber nicht im Mittelpunkt steht.
Die Handlung dieses Romans ist an sich interessant. Man erfährt, wie die Inquisition in Vertretung durch Bonifatius versucht, die Hexenverfolgung zu etablieren und dabei zunächst immer wieder scheitert, wie ihr Widerstand entgegengesetzt wird, aber auch, wie etliche Scheiterhaufen brennen. Dabei behandelt der Roman einen Zeitraum von etlichen Jahren, ohne jedoch Jahreszahlen zu nennen. Nicht nur muss man sich so ständig neu orientieren, wie viel Zeit nun zwischen den recht kurzen Kapiteln vergangen ist, auch zieht sich die Geschichte dadurch sehr, obwohl das Buch doch recht wenige Seiten hat. Der historische Hintergrund neben der Hexenverfolgung könnte auch interessant sein, doch leider bleibt dieser doch recht oberflächlich. Nur selten erfährt man beispielsweise, warum und gegen wen Thassilo nun in den Kampf ziehen muss, und wegen der fehlenden Jahresangaben war es mir zu mühselig, dies im Detail nachzuschlagen.
Leider gibt es auch keinerlei Zusatzmaterial, ein Nachwort, ob nun zum historischen Kontext oder über Heilpflanzen, ist genauso wenig vorhanden wie ein Glossar, eine Zeittafel, ein Personenregister oder eine Karte. Schade, dass der Verlag hier noch immer meint sparen zu müssen, wenn die Leser doch zumindest ein wenig Hintergrundinformation erwarten.

Fazit
Aus der Thematik hätte tatsächlich ein gutes Buch werden können. Doch an der Umsetzung scheitert es wie so oft. Ich bin mir nicht sicher, für wen dieser Roman gedacht ist, denn er ist weder über einen längeren Zeitraum spannend, weil er sich über so viele Jahre hinzieht, noch besonders informativ, denn dazu kratzen die Informationen nur an der Oberfläche, und auch große Romantik sollte man hier nicht erwarten.

Ricarda Jordan – Die Geisel des Löwen

AutorRicarda Jordan
TitelDie Geisel des Löwen
Seitenzahl623
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-16825-5
Bewertung

Inhalt
Kap Arkona, 1163: Vor der Insel Rujana wurde ein Schiff der Tempelritter gekapert. Zwei Überlebende sollen dem Gott Svantevit geopfert werden. Doch die dreizehnjährige Ranin Amra verhilft dem jungen Magnus, dem Neffen des dänischen Königs, zur Flucht. Ihr Einsatz ist allerdings nicht unbemerkt geblieben und hat schlimme Folgen für das Mädchen.
Fünf Jahre später: Wieder ist Magnus nach Rujana unterwegs, diesmal im Heer Heinrichs des Löwen. Das Ziel des Herzogs ist es, das Heiligtum auf Arkona zu zerstören und die Slawen zu christianisieren. All die Jahre hat Magnus Amra nicht vergessen können. Wird er sie nun wiedersehen?

Meine Meinung
Wer schon einmal auf Rügen war, wird bestimmt auch dem Kap Arkona einen Besuch abgestattet und auch davon gehört haben, dass hier früher mal ein Heiligtum der Ranen stand, das dem slavischen Gott Svantevit gewidmet war. Auch ich habe so ein wenig über die Geschichte der Insel erfahren.
Als ich also einige Monate später über diesen Roman gestolpert bin, musste ich ihn auch unbedingt lesen. Mich hat besonders interessiert, wie Ricarda Jordan sich das Heiligtum und die Verehrung des Gottes vorstellt und die Zerstörung des Tempels schildert.
Diese Schilderungen empfand ich als sehr interessant und in sich stimmig, sie nehmen allerdings nur einen kleinen Teil der Handlung ein, denn schon bald verlagert sich die Handlung an den Hof Heinrichs des Löwen. Während mir das Hofleben in seiner Darstellung ebenfalls glaubwürdig erschien, waren es gerade Amras Stellung und ihre Erlebnisse, mit denen ich so meine Schwierigkeiten hatte.
Sie ist die Tochter eines jüdischen Kaufmanns mit seiner slawischen Haushälterin. Er bekennt sich zwar nicht zu ihr, hat ihr aber viel Wissen vermittelt, so kann sie mehrere Sprachen sprechen und auch lesen und schreiben, auch ist sie sehr schlau und durchschaut die Tricks der Priester innerhalb kürzester Zeit. Zudem zieht sie mit ihren roten Haaren und grünen Augen die Aufmerksamkeit der Männer auch sich, selbst im Alter von dreizehn Jahren. Trotz ihrer Bildung ist sie schrecklich naiv, nicht nur zu Beginn, sondern auch noch Jahre später.
Wie aber gerät eine junge Frau, die offiziell nur die Tochter einer Haushälterin ist, an den Hof Heinrichs des Löwen, und noch dazu nicht als Magd, sondern als hochgestellte Geisel? Dieser Weg war mir dann doch etwas weit hergeholt. Und dass Amra, die ja so hübsch ist, es über die Jahre schafft, unberührt zu bleiben, erstaunt dann noch mehr. Hier wurde eine Heldin geschaffen, die alles kann, durch ihre Naivität aber immer wieder in Schwierigkeiten oder unglückliche Situationen gerät.
Magnus ist dann der passende Partner für sie, denn schon von Beginn an wird deutlich, dass er ihre große Liebe sein wird, obwohl sie doch nur ein paar Worte miteinander wechseln. Er ist natürlich ebenfalls gutaussehend, mit blonden Haaren und blauen Augen, dabei aber wesentlich weniger naiv, nachdem er erkennen musste, wie knapp er dem Tod entronnen ist. Als Ritter ohne Land ist er darauf angewiesen, bei seinen Herren im guten Licht dazustehen, und so entsteht hier genügend Konfliktpotential, um die Geschichte immer wieder voranzutreiben.
Auch andere Charaktere sind sehr stereotyp beschrieben, sei es nun der geldgierige, machtbesessene ranische Priester Muris, der gütige jüdische Kaufmann Baruch oder die verzogene Königstochter Mathilde, die klar in ihren Rollen als Freund oder Feind festgelegt sind.
Die Handlung selbst ist meist überwiegend spannend, wenn auch, wie bereits angesprochen, nicht immer glaubwürdig. Hier stand wohl eher die Liebesgeschichte im Zentrum, auch wenn der historische Hintergrund mir recht gut recherchiert erscheint und auch nicht uninteressant ist. Ich habe den Roman so innerhalb kurzer Zeit durchgelesen, einerseits angezogen von der doch recht spannenden Geschichte, andererseits aber auch wenig begeistert von den beschriebenen Abenteuern, die Amra hier erlebt.
In einem Nachwort geht die Autorin auch noch einmal auf die historischen Tatsachen und die Quellenllage ein, auf die Situation der Ranen, die Christianisierung der Slawen, aber auch auf Heinrich den Löwen selbst. Weiteres Zusatzmaterial ist nicht vorhanden, dabei wäre eine Karte der Gebiete um Vitt und Arkona zur damaligen Zeit schon sehr interessant gewesen.
Sprachlich ist der Roman wenig auffällig, der flüssige Schreibstil ermöglicht es, den Roman zügig zu lesen. Einige wenige slawische Namen sind gewöhnungsbedürftig und leicht zu verwechseln, dies geht jedoch weniger zu Lasten der Autorin.

Fazit
Wer hier mehr über die Ranen und die Geschichte Rügens lernen möchte, wird hier wahrscheinlich enttäuscht werden, weil dies doch eher kurz kommt. Wer sich dagegen von einer spannenden Liebesgeschichte unterhalten lassen und nebenbei ein wenig Hintergrundwissen über diese Zeit aufnehmen möchte, der ist mit diesem Buch sicher gut bedient.

Peter Prange – Die Principessa

AutorPeter Prange
TitelDie Principessa
Seitenzahl499
VerlagKnaur
ISBN978-3-426-63923-8
Bewertung

Inhalt
Rom, 1623: Clarissa Whetenham, eine junge Katholikin, befindet sich kurz vor ihrer geplanten Hochzeit auf einer Bildungsreise durch Europa. In Rom kommt sie bei ihrer Cousine Olimpia Pamphili unter, obwohl ihr als Engländerin der Besuch der Ewigen Stadt eigentlich verboten ist.
Durch eine Begegnung mit dem englischen Botschafter ist ihr eine Rückkehr in die Heimat verwehrt, was ihr nur Recht ist, denn so hofft sie, die arrangierte Heirat doch noch abwenden zu können.
Schon bald trifft die junge Frau, die von allen nur Principessa genannt wird, auf zwei faszinierende junge Männer und begnadete Künstler, die kaum unterschiedlicher sein könnten: Lorenzo Bernini und Francesco Castelli…

Meine Meinung
In diesem ersten Band der ursprünglichen Weltenbauer-Trilogie nimmt sich Peter Prange der Architektur und Bildhauerei zur Zeit des Barocks an. Im Mittelpunkt steht hier der Streit zwischen den bekannten Künstlern Lorenzo Bernini und Francesco Castelli, der besser unter dem Namen Francesco Borromini bekannt ist. Als Bindeglied zwischen den beiden Männern dient mit Clarissa Whetenham ein fiktiver Charakter, jedoch passt sie hier sehr gut ins Bild.
Sämtliche Charaktere, ob nun fiktiv oder historisch, werden sehr gut dargestellt. Nicht wenige von ihnen machen eine Wandlung durch, die glaubwürdig beschrieben ist. Auch Stereotype findet man hier nicht.
Dabei ist Clarissa zunächst eine leicht naive junge Adelige, die künstlerisch interessiert ist und über eine ausgezeichnete Bildung verfügt. Im Lauf der Jahre reift sie heran, ihre Einstellungen ändern sich, doch bleibt sie weitestgehend sympathisch, ihre Entscheidungen nachvollziehbar, auch wenn sie mir manches Mal nicht gefallen haben.
Dagegen konnte ich mich so manches Mal über Lorenzo Bernini aufregen. Der Künstler ist extrem von sich selbst eingenommen und zögert auch nicht davor zurück, den Ruhm einzuheimsen, der eigentlich anderen gebührt. Dennoch hat er auch seine positiven, liebenswerten Seiten, die erklären, weshalb die Freundschaft zwischen ihm und Clarissa Bestand hat.
Auch Francesco Borromini ist kein einfacher Charakter, er ist aufbrausend und in sich gekehrt, seine Kunst sehr speziell, weshalb er viel Kritik einstecken muss. Von seinen Visionen lässt er sich jedoch nicht abbringen.
Die Personenkonstellation lässt vermuten, dass hier auch die Liebe eine große Rolle spielt. Dies ist jedoch eher eingeschränkt der Fall, einen romantischen Liebesroman sollte man hier nicht erwarten.
Vielmehr werden hier wohl überwiegend die Leser angesprochen, die künstlerisch und architektonisch interessiert sind und möglicherweise auch schon einige der angesprochenen Gebäude in Rom besucht haben. Wer sich dafür aber weniger begeistern kann, könnte sich hier möglicherweise langweilen, weil die Arbeit der Künstler sehr ausführlich beschrieben wird und dabei auch diverse Fachbegriffe verwendet werden.
Den Mächtigen Roms wird ebenfalls viel Aufmerksamkeit gewidmet, sind es doch die Päpste, die die Künstler fördern oder aber vernichten können. Doch nicht jeder Papst nutzt seine Macht für edle Zwecke, viel zu häufig spielt auch Eitelkeit und Einfluss eine große Rolle.
Auffallend ist, dass der Roman nahezu ausschließlich in Rom spielt. Clarissa verlässt die Stadt zwar hin und wieder, doch werden diese Zeiten, meist mehrere Monate oder sogar Jahre, dann einfach übersprungen. Wie es der jungen Frau in dieser Zeit ergangen ist und was die anderen Charaktere in der Zwischenzeit erlebt haben, wird dann nur kurz angerissen. So werden recht ereignislose Monate problemlos übersprungen, gerne hätte ich aber an mancher Stelle mehr erfahren. Dies hätte aber wohl den Rahmen des Romans gesprengt.
Der Schreibstil hat mir dagegen nicht ganz so gut gefallen, er ist sehr förmlich und gestelzt. Dies wird dadurch verstärkt, dass die Charaktere sich untereinander siezen, was mir schon ein wenig merkwürdig vorgekommen ist, denn im deutschen Sprachgebrauch war diese Anrede zu dieser Zeit noch nicht üblich. Da ich aber nicht weiß, wie es in der italienischen Sprache aussah, habe ich es einfach so hingenommen und mich nach einiger Zeit auch daran gewöhnt.
Zusätzlich ist das Buch noch mit einer Karte Roms sowie einer Erklärung über die Zeitabläufe, wie sie heute bekannt sind, ausgestattet.

Fazit
Dafür, dass ich keine allzu hohen Erwartungen an diesen Roman hatte, bin ich positiv überrascht worden. Auch wenn ich wenig von Architektur verstehe und mir so einige Beschreibungen nicht gerade bildlich vorstellen konnte, hat mich der Roman schon nach wenigen Seiten fesseln können.

Ulf Schiewe – Die Hure Babylon

AutorUlf Schiewe
TitelDie Hure Babylon
SerieMontalban Band 4
Seitenzahl576
VerlagDroemer
ISBN978-3-426-19930-5
Bewertung

Achtung: Diese Rezension enthält Spoiler zu Die Comtessa!

Inhalt
Narbona, 1147: Die Vizegräfin Ermengarda und Arnaut könnten eigentlich zufrieden mit ihrem Leben sein, wäre da nicht die Scheinehe, die eine legitimierte Verbindung zwischen den beiden verhindert.
Als die Kirche zu einem Kreuzzug aufruft und Ermengarda kurz darauf eine Fehlgeburt erleidet, sieht Arnaut dies als einen Wink des Himmels, für seinen Ehebruch Buße zu tun, indem er sich dem Heer anschließt.
Aber Arnaut reist nicht allein, auch einige der Gefährten, die ihm schon zuvor auf seinen Abenteuern beigestanden haben, begleiten ihn auf diese Reise. Doch selbst die schlimmsten Erzählungen seines Großvaters haben ihn nicht auf das vorbereiten können, was ihm bevorsteht…

Meine Meinung
Bei diesem Roman handelt es sich um den vierten Band über die fiktive Familie Montalban. Während es nur wenige Querverweise zu Der Bastard von Tolosa gibt, besteht eine direkte Verbindung zu Die Comtessa, denn viele der Hauptpersonen aus dem zweiten Band treten auch hier wieder auf. Auch wenn der vorliegende dritte Band eine unabhängige Geschichte erzählt, die man ohne Vorkenntnisse verstehen kann, so hilft es doch sehr, wenn man die Charaktere durch den zweiten Band bereits genauer kennt, denn eine detaillierte Einführung erfolgt nicht.
Arnaut, die Hauptperson des Romans, ist nicht der typische Held. Schon alleine der Grund für die Teilnahme am Kreuzzug ist aus heutiger Sicht schwer nachzuvollziehen. Und auch wenn er während der Reise gen Osten die eine oder andere Heldentat erledigt und dadurch die Aufmerksamkeit mancher Befehlshaber auf sich lenkt, so ist er doch ein schwieriger Charakter.
Er wird begleitet von Jori, einem ehemaligen Straßenjungen, der sich in den letzten Jahren ordentlich gemausert hat, seinem besten Freund Severin und dem Mönch Fraire Aimar, der als Chronist den Zug begleitet. Zusätzlich nehmen auch einige weibliche Charaktere wichtige Rollen in diesem Roman ein, nämlich eine Marketenderin, eine Prostituierte sowie eine junge Kämpferin, die mit dem Schwert sehr gut umzugehen weiß.
Während ich mir die meisten Charaktere gut auf dem Kreuzzug vorstellen konnte, hatte ich mit der Amazone Constansa so meine Probleme, in meinen Augen passt sie hier nicht hin. Dass es durch sie auch zu bestimmten Problemen kommt, kann man sich vielleicht vorstellen.
Auch die eine oder andere historische Person hat hier einen größeren Auftritt. Insbesondere Alienor, die Herzogin von Aquitanien und Königin Frankreichs, nimmt eine wichtige Rolle ein, die einem aber auch schon in anderen Romanen über ihre Person begegnet sein könnte.
Der Kreuzzug wird in diesem Roman keinesfalls glorifiziert, die schlechte, ja geradezu miserable Organisation und die nicht vorhandene Führung, die Streitereien und Fehleinschätzungen werden gnadenlos beschrieben, und besonders die Probleme, die durch den Tross und insbesondere die adeligen Frauen, die über den gesamten Weg mitgeschleppt werden, haben mich das eine oder andere Mal schon fragen lassen, ob denn die Menschen damals keine Vorstellung davon hatten, auf was sie sich dort einlassen würden. Denn daran, dass Ulf Schiewe hier gründlich recherchiert hat und nichts übertreibt oder beschönigt, habe ich keine Zweifel. Kampfbeschreibungen kommen auch immer mal wieder vor, so dass dem Leser wenig erspart wird, dies wird jedoch nicht übertrieben.
Und so sollte man nicht unbedingt erwarten, dass alle Teilnehmer diesen Krieg unbeschadet überstehen. So hatte ich das Ende nicht erwartet, aber insgesamt ist es doch sehr stimmig.
Neben der Schilderung des Kreuzzugs gibt es zu jedem Abschnittsbeginn ein Kapitel, in dem in der Ich-Perspektive aus Ermengardas Sicht beschrieben wird, was in der Heimat, in Narbonne geschieht und was für Informationen die Vizegräfin erreichen. Einerseits haben mich diese Abschnitte beim Lesen ein wenig gestört, schließlich wollte ich wissen, wie es mit Arnaut und seinen Freunden weiter geht, andererseits bekommt der Leser die eine oder andere nützliche Information dadurch mitgeteilt.
Die Sprache ist überwiegend passend gewählt und lässt sich flüssig lesen. Einzig diverse Wörter aus der okzitanischen Sprache, die immer wieder in den Text eingestreut werden, fallen störend auf.
Ergänzt wird der Roman durch Karten, auf denen die Route des Kreuzzugs eingezeichnet ist, ein Glossar, ein Personenregister sowie ein Nachwort zum historischen Kontext, so dass hier kaum Wünsche offen bleiben.

Fazit
Ein lesenswerter Roman über den Zweiten Kreuzzug, der ohne romantische Verklärung daher kommt. Als Abschluss der Tetralogie über die Familie Montalban ist dieser Roman unbedingt lesenswert, zumindest aber sollte man den direkten Vorgänger gelesen haben, um die Ausgangssituation besser verstehen zu können.