Archiv der Kategorie: Rezensionen

Juliet Marillier – Heart’s Blood

AutorJuliet Marillier
TitelHeart's Blood
Seitenzahl485
VerlagTor
ISBN978-0-330-45112-3
Bewertung

Inhalt
Irland, im 12. Jahrhundert: Die Schriftgelehrte Caitrin befindet sich auf der Flucht vor ihren entfernten Verwandten, die es auf das Erbe der jungen Frau abgesehen haben. Von einem Kutscher mitten in der Wildnis alleine gelassen findet sie sich plötzlich an einem unheimlichen Ort wieder, an dem sie nicht besonders freundlich aufgenommen wird.
Als sie erfährt, dass der Grundbesitzer einen Schreiber sucht, entschließt sie sich dazu, bei diesem vorzusprechen, obwohl sie von den Dorfbewohnern vor schrecklichen Gestalten gewarnt wird, die den Hügel bewohnen.
Während Caitrin dies zunächst als Hirngespinst abtut, muss sie schon bald erkennen, dass die Warnungen nicht übertrieben waren. Doch sieht Cait dies als Chance, denn hier scheint sie vor ihren Verwandten sicher…

Meine Meinung
Wie schon in Die Tochter der Wälder hat sich Juliet Marillier hier an einem Märchen orientiert – an welchem verrate ich an dieser Stelle nicht – und die Handlung nach Irland verlegt. Doch während die Welt der Sevenwaters-Romane überwiegend hell und freundlich erscheint, ist die Welt um Whistling Tor düster und unheimlich.
Wie häufig bei Romanen von Juliet Marillier handelt es sich auch hier wieder um eine Erzählung aus der Ich-Perspektive. Der Leser erfährt hautnah, wie Caitrin Stück für Stück in die Geheimnisse von Whistling Tor eintaucht und auch die Bewohner der Burg besser kennen lernt. Dabei teilt Caitrin dem Leser nicht alles über sich direkt mit, auch ihre Vorgeschichte wird erst mit der Zeit vorgestellt.
Die Darstellung der Charaktere ist eine der Stärken Marilliers. Obwohl es bei Ich-Erzählungen häufig der Fall ist, dass Nebencharaktere sehr oberflächlich beschrieben werden, sind sie hier sehr lebendig dargestellt, so dass ich sie bildlich vor mir sehen konnte. Reine Schwarz-Weiß-Zeichnungen findet man bei ihr sehr selten, so auch hier, denn wenig ist so, wie es scheint.
Die Ich-Erzählerin Caitrin ist eine gebildete junge Frau, die von ihrem Vater als Schriftgelehrte ausgebildet wurde. Dies mag für die Zeit nicht alltäglich gewesen sein, ist aber im Zusammenhang stimmig beschrieben und wirkt nicht aufgesetzt. Auch wenn sie nun gezwungener Maßen auf eigenen Beinen stehen muss, ist sie unsicher. Dennoch kann sie sich im richtigen Moment behaupten.
Anluan ist der Herr von Whistling Tor. Er ist verwachsen und seine Stimmungen schwanken innerhalb kürzester Zeit, und so ist es nicht leicht, mit ihm zu leben. Doch ein Geheimnis umgibt ihn und sein Heim, so dass Caitlin trotz Allem gewillt ist, den Auftrag zu erfüllen.
Neben dem Herrn leben nur wenige weitere Personen auf Whistling Tor, die alle mehr oder weniger ungewöhnlich sind.
Und dann ist da noch der „Host“, die Schar, eine nicht näher definierte Anzahl an Geistwesen, deren Herkunft unklar ist und vor denen die Bewohner der Umgebung sich fürchten.
Den historischen Hintergrund bildet die Eroberung Irlands durch die Normannen. Genaue Jahreszahlen und Details werden nicht genannt, so dass der Roman auch zu einer anderen Zeit hätte spielen können. Der Schwerpunkt liegt hier deutlich mehr auf der leicht romantischen Fantasy als auf dem History-Anteil.
Die Liebesgeschichte in diesem Roman entwickelt sich sehr gemächlich und wird sehr dezent beschrieben, dabei ist die meiste Zeit eine romantische Grundstimmung zu erahnen, obwohl der Schwerpunkt eher auf der Suche nach einer alten Schrift und der Lösung eines Problems liegt als auf der Liebesgeschichte.
Sprachlich ist der Roman ebenfalls sehr gefühlvoll gehalten. Leider ist dieses Buch bisher nicht ins Deutsche übersetzt worden, das verwendete Englisch ist allerdings recht leicht verständlich.

Fazit
Wieder einmal ein wunderschöner, wenn auch recht düsterer Roman von Juliet Marillier. Für Leser historischer romantischer Fantasy, die des Englischen mächtig sind, auf jeden Fall zu empfehlen!

Julia Kröhn – Distel und Rose

AutorJulia Kröhn
TitelDistel und Rose
Seitenzahl575
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-17306-8
Bewertung

Inhalt
Schottland, 1791: Die junge Engländerin Magdalene hat ihre vertraute Heimat verlassen, um in die schottischen Highlands zu ziehen, zu ihrem Ehemann, den sie kaum kennt und mit dem sie nichts verbindet. Der Kontakt zu den Bewohnern der Highlands lässt ihre Vorurteile der Wildnis gegenüber schrumpfen, doch die Kluft zu ihrem Mann wird immer größer. Doch dann entdeckt sie in der Bibliothek ein altes Pergament, das viele Fragen aufwirft.
1078: Die junge Northumbrierin Aelswith wächst am Hof der schottischen Königin Margaret auf. Doch eines Tages wird sie nach einem Streich von zwei Wanderheilern entführt. Was führen die beiden im Schilde?

Meine Meinung
Romane mit zwei verschiedenen Handlungssträngen zu verschiedenen Zeiten, die durch einen bestimmten Gegenstand miteinander verbunden sind, gibt es nicht gerade wenige. Solche, bei denen beide weit in der Vergangenheit liegen, findet man dagegen eher selten. Doch genau so ein Roman liegt mit Distel und Rose vor.
Während der frühere Handlungsstrang auch für sich gelesen werden kann, nimmt der spätere immer wieder Bezug auf diesen, jedoch nicht in einem solchen Maße, dass er völlig davon abhängig wäre, vielmehr wird hier eine eigene Geschichte erzählt, die auch ohne diesen Bezug funktioniert hätte. Dadurch, dass sich beide Geschichten abwechseln und die Kapitel immer wieder mit Cliffhängern enden, bleibt die Spannung stets auf einem hohen Niveau.
Beide Teile der Handlung behandeln interessante Zeiten, zu denen ich jedoch bisher wenig gelesen habe.
So beschäftigt sich der später spielende Teil mit der Zeit der Clearances, der Umsiedlung der Highlander an die Küsten und der Nutzung der ehemaligen Ackerflächen als Weiden, während der frühere sich mit der Aufklärung eines Geheimnisses beschäftigt, das mit der Nachfolge Macbeth‘ zu tun hat.
In beiden Handlungssträngen scheinen die Rollen klar verteilt zu sein: David als Vertreter der Oberschicht, der die Armen unterdrückt, Seòras als deren Sprachrohr, als Rebell, der in Magdalene, dem naiven Bücherwurm, romantische Vorstellungen weckt. Und im 11. Jahrhundert lernen wir Aelswith als junge, manchmal etwas vorlaute junge Frau kennen, die gegen ein kleines Abenteuer nichts einzuwenden hat, Taraín als jungen, gutaussehenden Wanderheiler, der sehr sympathisch erscheint, aber auch Hlothere, den angelsächsischen Ritter, der die Gruppe verfolgt.
Doch nicht immer ist alles so, wie es zu Beginn den Anschein erweckt, die zu erwartenden Liebesgeschichten eingeschlossen, man darf sich also auf die eine oder andere interessante Wendung freuen. Julia Kröhn spielt hier mit den Erwartungen der Leser, die durch Klischees und typische Romanelemente geprägt sind, und erzählt so eine ganz eigene Geschichte, die weitestgehend stimmig ist, wenn auch die eine oder andere falsche Fährte recht weit hergeholt oder nicht ganz in sich passen zu scheint. Eine für die Handlung sehr wichtige Frage wird auch nur am Rande beantwortet, so dass man diese sehr schnell überlesen kann. Hier hätte ich mir eine deutlichere Aufklärung gewünscht.
Auch zum Thema Macbeth hätte ich mir mehr erhofft. Es wird zwar gesagt, dass dieser schottische König als sehr grausam beschrieben wird – so erinnert sich Magdalene an Vorführungen von Shakespeares Stück, die ihr Schauer über den Rücken laufen lassen, und Aelswith wird über Ströme von Blut unterrichtet, für die Macbeth verantwortlich gewesen sein soll -, Genaueres wird jedoch nicht gesagt, also wie genau seine Grausamkeit sich geäußert haben und welche Untaten er vollbracht haben soll. Dies muss man selbst nachlesen, insbesondere bei Shakespeare, weil dieser das Bild maßgeblich geprägt hat, um eben dieses zu kennen. Kennt man es aber nicht, kann auch dieser Ansatz der Rehabilitation nicht funktionieren, der eben genau dieses Bild zum Ausgang nimmt.
An Zusatzmaterial bietet das Buch eine farbige Karte Schottlands, kurze Hinweise zur Aussprache einiger Namen sowie historische Anmerkungen.

Fazit
Eine interessante Verquickung von zwei Geschichten, die beide ihren Reiz haben und auch alleine stehen könnten. Gerne hätte es bei beiden mehr Details zum historischen Hintergrund geben dürfen. Man sollte sich zumindest am Rande für schottische Geschichte interessieren, denn wer den Roman liest, weil er nette Liebesgeschichten erwartet, könnte enttäuscht werden.

Vielen Dank an Bastei Lübbe und Leserunden.de für das Leserundenexemplar!

Edith Beleites – Die Hebamme von Glückstadt

AutorEdith Beleites
TitelDie Hebamme von Glückstadt
SerieDie Hebamme von Glückstadt Band 1
Seitenzahl283
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-22674-8
Bewertung

Inhalt
London, 1612: Während eines längeren Aufenthaltes in London wird die Hebamme Henriette um Hilfe gebeten. Doch Henriette kommt zu spät, die Mutter stirbt, und nur das Kind, eine Tochter, überlebt, während sich der Vater aus dem Staub gemacht hat. Die Hebamme beschließt, das Mädchen als ihre Tochter anzunehmen.
Hamburg, zwanzig Jahre später: Am Sterbebett Henriettes erfährt Clara, inzwischen selber Hebamme, dass sie nicht deren leibliche Tochter ist. Enttäuscht beschließt sie, in der aufstrebenden Stadt Glückstadt ein neues Leben zu beginnen, fern all der Leute, die sie als Henriettes Tochter ansehen. Doch für eine ledige Frau ist der Neuanfang in Glückstadt nicht so einfach wie erwartet…

Meine Meinung
Bei Die Hebamme von Glückstadt handelt es sich um den Auftakt einer fünfteiligen Reihe um die Hebamme Clara.
Clara ist eine junge Frau, die als alleinstehende Hebamme gewohnt ist, selber zu handeln und ihr Leben nicht von Männern bestimmen zu lassen. Und so lässt sie sich ihre einmal getroffene Entscheidung auch nicht mehr ausreden. Anstatt Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, konfrontiert sie ihre Widersacher lieber, um die Probleme aus der Welt zu schaffen. Sie ist aufgeklärt, gebildet und findet überall schnell Freunde.
Ihre erste und beste Freundin in Glückstadt ist Lene, die Wirtstochter, die ihr gleich nach ihrer Ankunft herzlich begegnet und immer ein offenes Ohr für ihre Nöte hat.
Der Erfinder Willem, der bei ihrer ersten Begegnung einen wenig passablen Eindruck auf Clara macht, und der Arzt Olsen, der zunächst auf Konfrontationskurs mit ihr geht, sind ebenfalls wichtige Personen in diesem Roman.
Da der Roman nur knapp 300 Seiten umfasst, sollte man nicht erwarten, dass die Charaktere sehr genau ausgearbeitet sind. Manche sind doch recht stereotyp wie die Laienhebamme Greetje Skipper, die Clara als Konkurrentin sieht, viele aber einfach zu oberflächlich beschrieben, so dass man sich kaum eine genaue Vorstellung von ihnen machen kann.
Schon recht bald ist mir aufgefallen, dass sich die Personen untereinander siezen. Dies war zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges aber noch längst nicht üblich und hat mich über weite Teile des Romans irritiert.
Auch sonst hätte man glauben können, dass der Roman wesentlich später spielt, wären es nicht einige historische Details wie eben die Besiedelung Glückstadts oder die Erwähnung Wallensteins, die mich wieder daran erinnert haben, in welcher Zeit wir uns befinden. Clara redet hier vom Hexenglauben, als wäre der Höhepunkt der Hexenverfolgung längst vorbei, und auch die übrigen Wissenschaften betrachtet sie aus recht aufgeklärter Perspektive.
Aufgrund des bereits erwähnten geringen Umfangs des Romans wundert es nicht, dass auch die Handlung nicht allzu komplex ist. Eine junge Hebamme kommt in eine neue Stadt, und da sie etliche neue Ideen mitbringt, von denen die Laienhebammen und Bürger Glückstadts noch nicht gehört haben, ist der Start in ihr neues Leben nicht gerade einfach. Und während sie mit ihren eigenen Nöten kämpft, löst sie ganz nebenbei noch einen Betrugsfall auf.
Während der Hauptteil der Handlung ganz nett, wenn auch nichts Besonderes, ist, war mir dieser Ausflug in Richtung Kriminalroman dann doch zu viel. Er passt einfach nicht in die sonstige Handlung und wirkt nur aufgesetzt, wie nachträglich eingefügt, um noch ein paar mehr Seiten zu füllen.
Ganz informativ fand ich dagegen die Beschreibungen der Hebammenarbeit, was den Geburtshelferinnen erlaubt war und was nicht und was es damals für Vorstellungen über die Kindesentwicklung im Mutterleib gegeben hat. Dieser Aspekt erscheint mir schon recht authentisch, wenn es der Rest des Romans schon nicht ist.
Der Schreibstil ist flüssig, nur gelegentlich haben mich einzelne Worte wie „Orders“ anstelle von „Anordnungen“ aus dem Text gerissen. Auch fällt auf, dass sehr viele Absätze mit dem Namen der Protagonistin beginnen: Clara lachte, Clara seufzte, Clara musste schmunzeln.
Vorne im Buch findet sich eine Karte, die Glückstadt ein paar Jahre nach der Romanhandlung abbildet. Im Innern finden sich zudem paar weitere Bilder, was mich zunächst überrascht hat, weil diese in den Fließtext eingebettet sind, statt vor oder nach dem Romanteil eingefügt zu sein. Weiteres Zusatzmaterial findet sich hier nicht, dies war jedoch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auch nicht üblich.

Fazit
Dieses dünne Büchlein kann man, muss man aber nicht lesen. Es ist nicht wirklich schlecht, aber eben auch nicht gut, und ins siebzehnte Jahrhundert habe ich mich überhaupt nicht versetzt gefühlt. Um es mal eben nebenbei zu lesen und kurz abzuschalten ist es in Ordnung, mehr aber auch nicht.

Ricarda Jordan – Die Pestärztin

AutorRicarda Jordan
TitelDie Pestärztin
Seitenzahl636
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-15990-1
Bewertung

Inhalt
Mainz, 1330: Lucia wächst unter ungewöhnlichen Bedingungen auf: Ihre Tage verbringt sie im Haushalt der reichen jüdischen Familie von Speyer, zusammen mit ihrer Ziehschwester Lea, die am selben Tag geboren wurde wie sie und die ihr auch noch sehr ähnlich sieht. Dort wird sie unterrichtet und unterstützt, doch die Nächte muss sie als Tochter einer christlichen Mutter unter Christen verbringen.
Und so lebt Lucia zwischen den Welten, keiner Gemeinschaft fühlt sie sich zugehörig. Von den Christen wird sie wegen ihrer Verbundenheit zu den Juden abgelehnt, von den Juden wegen ihrer christlichen Herkunft nur geduldet.
Als sich David, der Sohn des Hauses, in Lucia verliebt, hat dies verheerende Folgen…

Meine Meinung
Mit dem Mittelalterroman Die Pestärztin hat die Autorin Christiane Gohl, die besser als Sarah Lark bekannt ist, ihren ersten Roman unter dem Pseudonym Ricarda Jordan herausgebracht. Der Titel dieses Romans ist jedoch ein wenig irreführend, denn als Pestärztin tritt Lucia nur einen recht kleinen Teil des Buches auf.
Vielmehr geht es eben um Lucia selbst, um ihre ungewöhnliche Jugend, ihr Interesse an der Medizin, aber insbesondere ihrer Vorteile und Probleme, die ihr Leben in zwei Welten mit sich bringt. Es gibt auch eine Liebesgeschichte, doch nimmt diese längst nicht so viel Raum ein und entwickelt sich in eine andere Richtung, als ich zunächst erwartet hatte.
Lucia ist eine recht interessante Person, wissbegierig, mit einer schnellen Auffassungsgabe. Sie spricht mehrere Sprachen und kann diese auch lesen. Sie kann anpacken und ergreift Gelegenheiten, die sich ihr bieten, beim Schopf. Für mich denkt und handelt die junge Frau schon ein wenig zu modern, aber nicht völlig unwahrscheinlich, wenn man ihre Kindheit betrachtet.
Ihre Ziehschwester Lea sieht sich dagegen als zukünftige Hausfrau und Mutter und interessiert sich deshalb für häusliche Dinge, mit Lucias Interesse an den Wissenschaften kann sie wenig anfangen.
Die wichtigste Bezugsperson in Lucias Kindheit und Jugend ist jedoch Al Shifa, eine maurische Sklavin, die für Lucia die Mutterstelle einnimmt und sie in ihrem Wissensdurst bestärkt, da sie selbst ebenfalls über eine sehr gute Bildung verfügt.
Während der Roman über weite Teile nicht nur unterhaltsam, sondern auch spannend war, hatte ich dennoch so meine Probleme mit ihm. So stellt sich mir als erstes die Frage, ob so ein Leben, wie Lucia es hier führt, überhaupt möglich gewesen wäre, nachts Christin, tags unter Juden, dazu noch von einer maurischen Haushälterin betreut und unterwiesen. Genau weiß ich es nicht, würde es aber eher unter dichterischer Freiheit verbuchen.
Doch auch wenn dies tatsächlich zugelassen worden wäre, gibt es noch einige andere Aspekte, die mir weniger gefallen haben. Die Pest mit ihrem Verlauf und Behandlungsmethoden wird hier mit einer Selbstverständlichkeit diskutiert, als ob diese Krankheit lange bekannt wäre, dabei war sie relativ neu, die letzte Pestwelle mehrere hundert Jahre zuvor wohl längst vergessen.
Auch lebt die Romanhandlung sehr vom Zufall, nicht nur ein Mal trifft die Hauptperson zufällig auf Personen, die ihr bekannt sind oder, in einer Situation, das Pferd kennen, das sie reitet. Das Ende selbst konnte mich auch nicht überzeugen, das ging mir alles zu glatt und war mir dann auch zu dick aufgetragen.
Andere Themen wie das Judenpogrom in Mainz oder die Pesterkrankungen werden dagegen sehr eindringlich dargestellt, diese Schilderungen fand ich überzeugend und sehr bedrückend. Dass Lucia dies nicht ohne Verluste übersteht war abzusehen, das Ausmaß jedoch hat mich zunächst doch überraschen können und war auch recht glaubhaft beschrieben
Zusatzmaterial sucht man in meiner Ausgabe leider vergebens. Durch ein Nachwort hätten zumindest ein paar der Fragen, die ich am Ende noch hatte, geklärt werden können, schade, dass der Verlag und die Autorin diese Chance nicht genutzt haben.

Fazit
Für mich war die Handlung zu sehr vom Zufall bedingt, manche Wendungen zwar zunächst unerwartet, im Großen und Ganzen war die Geschichte dann jedoch recht vorhersehbar. Trotzdem war das Buch nicht langweilig, und Lucias Leben zwischen den Welten, so unwahrscheinlich ich es halte, doch recht interessant.

Martha Sophie Marcus – Herrin des Nordens

AutorMartha Sophie Marcus
TitelHerrin des Nordens
Seitenzahl764
VerlagGolmann
ISBN978-3-442-48106-4
Bewertung

Inhalt
Haithabu, 1044: Die vierzehnjährige Ingunn ist die Tochter des angesehenen Händlers Sigmund. Wie ihr Vater glaubt auch sie an die alten Götter, während ihre Mutter Godelind sich den Christen angeschlossen hat, was gelegentlich zu Unfrieden im Haus führt.
Als eines Tages die Brüder Torge und Jostein aus England eintreffen, verliebt sich Ingunn in den nur wenig älteren Torge. Das Mädchen überglücklich, als dieser um ihre Hand anhält, doch Torge und Jon stehen im Dienst des Jarls von Northumbria, viele Meilen entfernt.
Um Ingunn, sein einziges überlebendes Kind, abzusichern, beschließt Sigmund, sie als Nachfolgerin auszubilden.
Doch der kleinen Stadt Haithabu stehen unruhige Zeiten bevor…

Meine Meinung
Mit diesem Roman beschäftigt sich Martha Sophie Marcus mit dem Schicksal der Stadt Haithabu, die immer wieder Opfer von Überfällen wurde. Anhand fiktiver Personen schildert sie, wie die Menschen in dieser Zeit des Umbruchs gelebt haben.
Der Schwerpunkt liegt hier zu Beginn klar auf dem Alltag, der Verbreitung des Christentums und den damit einhergehenden kleinen und großen Konflikten, aber mit Fortschreiten der Handlung verlagert sich dies hin zu politischen Entscheidungen und der einen oder anderen Kampfhandlung. Auch eine Liebesgeschichte kann man erwarten, und auch wenn diese für die Handlung doch sehr wichtig ist, so ist sie nicht der Dreh- und Angelpunkt des Romans.
Dabei hangelt sich die Autorin an den historischen Ereignissen entlang, an denen die Hauptpersonen nicht selten direkt beteiligt sind, auch zögert sie nicht, die eine oder andere überlieferte Anekdote über reale Charaktere einzubringen. Es empfiehlt sich, ein wenig Vorwissen über diese Zeit mitzubringen, da doch recht viele historische Persönlichkeiten am Rande erwähnt werden, ohne dass genauer auf sie eingegangen wird.
Die meiste Zeit beschreibt die Autorin Ingunns Erlebnisse, gelegentlich zeigt sie aber auch, wie es Jostein gerade ergeht. Dabei werden nur die Dinge beschrieben, die die beiden Personen auch tatsächlich mitbekommen, was andernorts geschieht wird ausgelassen. Es kommt auch zu der einen oder anderen grausamen Szene, doch anstatt diese in allen Details zu beschreiben, geht Martha Sophie Marcus sehr sparsam mit diesen Beschreibungen um und deutet die schlimmen Dinge nur an. Dies hat mir gut gefallen, insbesondere, da diese Szenen alle für den weiteren Verlauf der Handlung wichtig sind und nicht bloß aufgepfropft wirken.
Während die Handlung zu Beginn recht dicht beschrieben ist und wenige Wochen oder Monate zwischen den einzelnen Kapiteln liegen, werden gen Ende hin die zeitlichen Abstände zwischen den Kapiteln immer länger, ganze Jahre werden übersprungen. Insbesondere die letzten zweihundert Seiten haben sich so etwas gezogen, hatte ich doch den Eindruck, dass der Roman eigentlich schon vorbei sein könnte, wenn nicht ein bestimmtes Ereignis am Ende des Romans hätte stehen sollen.
Hauptperson ist Ingunn, zu Beginn vierzehn Jahre alt, die als Tochter eines reichen Händlers sehr viele Freiheiten genießt. Im Haushalt hilft sie ungern mit, was auch daran liegt, dass ihre Mutter Godelind, inzwischen Christin, sich anscheinend jede Freude versagt und versucht, Ingunn ihren Glauben aufzudrängen. Sie ist sehr offen und spricht aus, was ihr gerade in den Sinn kommt, und auch in anderen Menschen zieht sie Offenheit vor.
Jostein, genannt, Jon, ist genau das Gegenteil von Ingunn. Er ist in sich gekehrt und denkt viel über seine Handlungen und die anderer Leute nach. Als Kämpfer ist er nicht zu verachten, doch seine Fähigkeit, sich nach außen hin bedeckt zu geben, qualifiziert ihn für ganz andere Tätigkeiten.
Neben diesen gibt es noch viele anderen Haupt- und Nebenfiguren – das Personenregister mit Erläuterungen umfasst etwa fünfeinhalb Seiten. Stereotype Darstellungen sucht man hier jedoch weitestgehend vergebens, nur wenige Charaktere sind einseitig gezeichnet, und der eine oder andere zeigt dann doch noch ein anderes Bild von sich.
Neben dem Personenregister weist das Buch noch weitere Zusatzausstattung auf. So ist vorne eine Karte enthalten, hinten findet sich zudem ein Glossar sowie ein Nachwort zu den historischen Ereignissen nach Ende des Buches sowie Erläuterungen zur Entstehung des Romans.

Fazit
Ein wunderschöner Roman, der mich, mit kleinen Abstrichen, wunderbar unterhalten und dabei nebenbei auch ein wenig über die Geschichte der Stadt Haithabu informiert hat.