Archiv der Kategorie: Rezensionen

Tracy Chevalier – Das Mädchen mit dem Perlenohrring

AutorTracy Chevalier
TitelDas Mädchen mit dem Perlenohrring
OriginaltitelGirl with a Pearl Earring
ÜbersetzerUrsula Wulfekamp
Seitenzahl279
VerlagList
ISBN978-3-548-60434-3
Bewertung

Inhalt
Delft, 1664: Als ihr Vater nach einem Unfall sein Augenlicht und seine Arbeit verliert, muss die junge Griet die Familie finanziell unterstützen. Als Dienstmagd tritt sie in den Haushalt des Malers Johannes Vermeer ein. Neben anderen Tätigkeiten wie dem täglichen Gang zum Markt soll sie das Atelier des Künstlers sauber halten, ohne etwas im Raum zu verändern.
Diese Arbeit ist wie für sie geschaffen, weil sie ein besonderes Gespür für solche Dinge hat, zudem liebt sie es, den Entstehungsprozess der Bilder Vermeers zu verfolgen. Doch insbesondere Catharina, die Frau Vermeers, macht Griet das Leben schwer…

Meine Meinung
In diesem Roman beschäftigt sich Tracy Chevalier mit der Frage, wer das Mädchen auf dem bekannten Gemälde Vermeers gewesen sein könnte. Dazu entwickelt sie eine Geschichte um die fiktive Magd Griet.
Als Ich-Erzählerin wird dem Leser Einblick in Griets Gedanken und Gefühle gewährt, ohne dass zu sehr ins Detail gegangen wird. Man erfährt zwar grob, was die junge Frau von anderen Personen hält, jedoch behält sie einen Großteil der Gedanken und Gefühle für sich und viele Dinge werden nur angedeutet.
Auf den ersten Blick ist Griet ein gewöhnliches Mädchen, nicht gerade hoch gewachsen, aber mit großen runden Augen. Sie kennt ihren Platz in der Welt und scheint sich bald in ihr neues Leben einzugewöhnen, erledigt ihre Arbeit klaglos. Jedoch ist sie einerseits sehr einfühlsam, sie weiß, wann sie schmeicheln und wann sie unsichtbar sein muss, andererseits hat sie dennoch ihre Probleme im Umgang mit Menschen und eckt schon bald an. Ihr Gespür für Farben und Bildkomposition kommt ihr nicht nur bei ihren täglichen Aufgaben zugute.
Andere Personen bleiben doch sehr blass, da Griet sich mit den Gedanken über sie sehr zurück hält. Dabei ist auffällig, dass das Mädchen ihren Herrn nie beim Namen nennt, sondern bis fast zum Ende des Buches immer nur von „ihm“ spricht.
In dem Roman beschreibt die Autorin den möglichen Entstehungsprozess einiger Gemälde Vermeers, wobei sie auch moderne Forschung miteinbezogen hat. Die wenigsten der Bilder waren mir geläufig, so dass ich immer mal wieder das Buch zur Seite legen und im Internet nachschauen musste, welches Gemälde denn jetzt wieder beschrieben wird. Dies war dann doch recht umständlich, es wäre schön, wenn zumindest einige der Bilder im Buch auch abgedruckt wären, selbst wenn es nur in schwarz-weiß wäre.
Ein weiteres Thema, dass hier zumindest grob angerissen wird, ist die Kluft zwischen Protestanten und Katholiken in den Niederlanden. Immer mal wieder kommt die Konfession zur Sprache, so dass man ein Gefühl darüber bekommt, welchen Stellenwert Religion für die Menschen hatte.
Das Mädchen mit dem Perlenohrring ist Buch der leisen Töne. Es gibt wenige Überraschungen, denn dass Griet irgendwann gemalt werden würde, ist ja aufgrund des Titels schon klar, und auch sonst gibt es eher unterschwellige Spannung als große Paukenschläge. Man könnte auch sagen, dass die Handlung nur so vor sich hin plätschert, was mich aber keinesfalls gestört hat.
Mit nicht einmal dreihundert Seiten ist das Buch nicht gerade umfangreich, dennoch hat für mich alles gepasst. Dabei umfasst der Roman etwa zwei Jahre und endet recht abrupt. Während der Epilog, der einige Jahre später spielt, dann der Geschichte zu einem runden Abschluss verhilft, verlaufen einige der Handlungsfäden im Sande. Diese offenen Fragen sind nur glaubwürdig, schließlich kann eine junge Magd nicht alles wissen, und haben dazu geführt, dass ich mir über das Ende des Romans hinaus Gedanken über das Gelesene gemacht habe.
Die Inhaltsangabe im Inneren des Buches sollte man übrigens großzügig übersehen, denn sie strotzt nur so vor Fehlern.

Fazit
Dieses Buch der leisen Töne hat mich sehr berührt, für jemanden, der sich wenig für Kunst interessiert, dürfte der Roman aber stellenweise langweilig sein. Zudem lebt er eher von unterschwelliger Spannung. Wenn man sich darauf einlassen kann ist dieser Roman sehr empfehlenswert, wenn man dagegen deutliche Beschreibungen und viel Handlung braucht, sollte man eher die Finger von diesem Buch lassen.

Brigitte Riebe – Liebe ist ein Kleid aus Feuer

AutorBrigitte Riebe
TitelLiebe ist ein Kleid aus Feuer
Seitenzahl655
VerlagDiana
ISBN978-3-453-35226-1
Bewertung

Inhalt
Burg Scharzfels, 946: Eila ist die Tochter des Ritters Raymond, der im Dienst König Ottos steht. Als solcher ist der Ritter nicht oft auf seiner heimatlichen Burg anzutreffen, so dass Eila in seiner Abwesenheit große Freiheiten genießt. Sie verbringt ihre Zeit lieber außerhalb der Burg als mit ihrer verbitterten Mutter, die für sie keine Liebe zu empfinden scheint.
Doch dann taucht Roswitha, die Tochter eines Kampfgefährten Raymonds, auf der Burg auf. Obwohl sie etwa im gleichen Alter sind, sind die Mädchen doch grundverschieden, denn Rose saugt Wissen nur so auf, während Eila im Unterricht nur Zeitverschwendung sieht. Dennoch entwickelt sich zwischen den beiden eine tiefe Freundschaft…

Meine Meinung
Diesen Roman von Brigitte Riebe habe ich inzwischen zwei Mal gelesen, und beide Male habe ich mich am Ende gefragt, was ich da jetzt eigentlich gelesen habe, wovon die Geschichte überhaupt handelt. Bei den meisten Romanen lässt sich die Handlung in ein, zwei Sätzen kurz anreißen, hier fällt es mir sehr schwer, zu fassen, was genau im Mittelpunkt des Buches steht.
Am zutreffendsten wäre wohl, zu behaupten, dass es um das Erwachsenwerden einer jungen Ritterstochter im Umfeld König Ottos geht, um ihre Freundschaften, ihre Familie, die erste und die große Liebe, um politische Intrigen, in die das Mädchen hineingezogen wird. Es geht um ihren Vater, der ein großes Geheimnis hat, um ihre Mutter, deren Geheimnis nicht weniger groß ist, um den Schmiedejungen Lando, der sich in das falsche Mädchen verguckt, um König Otto, der von seiner Verwandtschaft unter Druck gesetzt wird. All dies bildet ein buntes Bild, bei dem es nicht an Spannung mangelt, das in seiner Gesamtkomposition aber auf mich nicht ganz stimmig erscheint.
Neben Angehörigen des Königshauses trifft Eila auch auf weitere historische Persönlichkeiten. Eine von ihnen ist ihre junge Freundin Rose, die als Dichterin Roswitha von Gandersheim in die Geschichte eingegangen ist. Allerdings ist über das Leben, insbesondere die Jugend, der historischen Roswitha quasi nichts bekannt, so dass auch sie hier weitestgehend als fiktive Figur gesehen werden kann. Zudem erscheint sie mir hier eher als ein Nebencharakter, sie tut, was man ihr sagt, und so verblasst sie neben der starken Eila schon recht bald.
Eila ist ein schwärmerischer, wankelmütiger Teenager, sie scheint selbst nicht zu wissen, was sie will. Mal ist es der Eine, in den sie sich verguckt, dann doch lieber der Andere. Sie ist hitzköpfig und spontan, dazu nicht immer die Liebenswürdigkeit in Person. Mich hat sie schon recht bald ziemlich genervt. Dann wiederum zeigt sie Facetten, die man gar nicht erwartet, wenn sie sich in die Dienste des Königs begibt.
Viele der anderen Charaktere meint man schon nach wenigen Seiten einschätzen zu können, und über weite Teile des Buches trifft diese Einschätzung dann auch zu. Gelegentlich, insbesondere zum Ende hin, zeigen sie dann aber auch mal andere Facetten, was die Geschichte auflockert. Nicht wenige haben aber etwas zu verbergen, was die Geschichte dann wieder unglaubwürdiger erscheinen lässt.
Der geschichtliche Hintergrund um König Otto ist durchaus informativ, ohne Vorwissen hatte ich aber beim ersten Lesen vor einigen Jahren meine Schwierigkeiten, die Rahmenhandlung zu verstehen und in dem geschichtlichen Zusammenhang zu sehen. Mit dem nötigen Wissen jedoch war auch dieser Aspekt verständlich.
Der Roman wartet mit umfangreichem Zusatzmaterial auf. Neben einer Karte und einem Stammbaum Ottos findet sich eine Literaturliste sowie ein sehr ausführliches historisches Nachwort, in dem die Autorin über Wahrheit und Fiktion aufklärt sowie weitere historische Hintergründe darlegt.

Fazit
Diesen Roman kann man lesen, man verpasst aber auch nichts, wenn man ihn nicht liest. Als Einstieg in diese historische Epoche würde ich dieses Buch keinesfalls empfehlen, wenn man jedoch eine nette Geschichte über das Erwachsenwerden im Frühmittelalter lesen mag, die durchaus zu fesseln weiß, kann hier gerne zugreifen.

Sabine Weigand – Das Perlenmedaillon

AutorSabine Weigand
TitelDas Perlenmedaillon
Seitenzahl590
VerlagFischer
ISBN978-3-596-16359-5
Bewertung

Inhalt
Nürnberg, 1494: Der Goldschmied Heinrich Brandauer sieht in Niklas einen vielversprechenden Gesellen. Für seine Tochter Helena hofft er auf eine gute Partie, um so selbst gesellschaftlich aufsteigen zu können.
Doch die jungen Leute sind ein Paar, hoffen auf den Segen des Vaters. Als dieser aber erkennen muss, dass Helena ein Kind erwartet, wirft er Niklas aus dem Haus, und Helena muss ihr Kind heimlich zur Welt bringen.
Während der junge Goldschmied in die Welt hinaus zieht, soll Helena schnellstmöglich verheiratet werden.
Auch Anna, eine junge Frau, die in der Stadt ihr Glück gesucht hat und im Hurenhaus gelandet ist, hat es nicht gerade leicht. Ihr Trost ist ihre Wölfin, der sie blind vertrauen kann.

Meine Meinung
Das Perlenmedaillon ist der zweite Roman der Autorin Sabine Weigand. Wie schon in Die Markgräfin gibt es auch hier einen Handlungsstrang, der in diesem Jahrtausend spielt, jedoch rahmt dieser die Handlung in der Vergangenheit nur als Prolog und Epilog ein und wechselt sich nicht mit dieser ab. Diese wenigen Seiten fand ich absolut unnötig, weder wird dadurch die Spannung erhöht noch irgend etwas aufgeklärt. Man hätte sie auch einfach weglassen können, denn einen Mehrwert gibt es dadurch nicht.
Wieder einmal hat sich die Autorin an einer realen Person orientiert, deren Erlebnisse jedoch so weit an entscheidenden Punkten abgewandelt, dass eine ganz eigene Geschichte erzählt wird. Das ist insoweit legitim, da es sich um einen Roman handelt. Dass Sabine Weigand hier im Nachwort sogar erklärt, wo sie von den Fakten abgewichen ist, ist ein Service an den Leser. Irritiert hat mich jedoch, dass der Roman im Klappentext als „die wahre Geschichte der Helena Heller“ bezeichnet wird, wenn es doch keine historische Helena Heller gab. Dies laste ich dem Roman selbst nicht an, jedoch sollten dem Verlag solche Fehler und irreführenden Werbesprüche nicht passieren.
Im Zentrum des Romans steht eben jene Helena, die gegen ihren Willen das angesehene Ratsmitglied Konrad Heller heiraten muss. Ihr Leben wird schon bald zur Hölle, denn Konrad lässt seinen Frust gerne an ihr aus. Dennoch versucht sie, alleine mit dieser Situation zurecht zu kommen. Die zweite Hauptperson ist Niklas, der sich im fernen Venedig ein neues Leben aufbaut und dort sein Handwerk ausübt, seine Jugendliebe aber nie vergessen kann. Auch Anna, die Hübschlerin, die jede Gelegenheit nutzt, ihr Leben zu verbessern, spielt eine wichtige Rolle.
Alle drei Hauptcharaktere sind als Sympathieträger angelegt, Niklas und Helena zeigen aber kaum Persönlichkeit. Am besten hat mir Anna gefallen, weil sie sich nicht nur durch das definiert, was mit ihr passiert. Die drei geraten in Situationen, in denen sie unter den Einfluss von Personen gelangen, deren deutlichster Charakterzug die Bösartigkeit ist. Auch wenn nicht alles nur schwarz-weiß gesehen werden kann, so war mir diese Darstellung dennoch ein wenig zu platt.
Echte historische Personen tauchen übrigens auch auf. Besonders ist an dieser Stelle Albrecht Dürer zu erwähnen, der nicht nur in seiner Funktion als Künstler auftritt.
Die meiste Zeit über laufen die drei Handlungsstränge parallel nebenher, es gibt zwar Verknüpfungen wie Briefe und das besondere Perlenmedaillon, das hier und da mal auftaucht, davon abgesehen gibt es aber eher wenige Berührungspunkte, die auf mich manches Mal recht konstruiert gewirkt haben. Und so werden über große Teile des Buches drei Geschichten nebeneinander her erzählt, und erst am Ende laufen sie dann mehr oder weniger zusammen.
Dadurch, dass der Roman einen Zeitraum von etwa vierzehn Jahren abdeckt, ist jede Geschichte für sich genommen nicht gerade umfangreich, jedoch hatte ich nicht das Gefühl, als hätten sie stärker ausgebaut werden müssen. Dennoch konnten sie mich nicht alle über die gesamte Dauer des Buches fesseln, mal fand ich den einen Handlungsstrang, mal einen anderen interessanter, oft haben sie aber nur vor sich hin geplätschert und ich habe darauf gewartet, dass endlich etwas passiert. Spannung ist immer mal wieder aufgetreten, jedoch selten über einen längeren Zeitraum. Dabei ist Helenas Geschichte am prägnantesten, wird hier doch deutlich dargestellt, welche Rechte und Pflichten eine Ehefrau in Nürnberg doch hatte und inwiefern sie auf Unterstützung hoffen konnte. Stellenweise war das schon sehr bedrückend beschrieben. Das Ende mag für den einen oder anderen Leser unerwartet kommen, für mich war es jedoch weitestgehend stimmig, wenn es auch einer der Punkte ist, an denen die Autorin von der Biografie des historischen Vorbilds abgewichen ist. Ein anderes Ende dichter am Vorbild hätte mich jedoch auch nicht gestört.
Besonders auffällig an diesem Roman sind die bereits erwähnten Briefe sowie Aufzeichnungen für ein Buch. Diese sind nämlich so verfasst, wie Menschen in der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit geschrieben haben mögen, nämlich jenseits aller Rechtschreibregeln. Vielleicht soll dies einen Eindruck von Authentizität vermitteln, mich haben diese Abschnitte jedoch sehr gestört, lassen sie sich doch sehr schlecht lesen. Mir hätte es besser gefallen, wenn diese in ganz normalem, heutigen Deutsch geschrieben worden wäre. Irgendwann habe ich sie weitestgehend nur noch überflogen, da sowieso sehr selten Dinge erwähnt werden, die für die Handlung relevant sind.
Ebenso störend fand ich, dass in Niklas‘ Handlungsstrang immer wieder italienische Wörter eingeflochten wurden. Ich verstehe nicht, warum das nötig ist, die Charaktere würden doch durchweg Italienisch sprechen, was für den Roman einfach ins Deutsche übertragen wurde. Warum lässt man dann einzelne Wörter stehen?

Fazit
Das Perlenmedaillon ist in seiner Art schon ein wenig speziell, insbesondere das Stilmittel der Briefe scheint zu polarisieren. Mich konnte der Roman nicht völlig überzeugen, zu konstruiert war er an einigen Stellen, er war allerdings auch kein völliger Fehlgriff. Wer andere Bücher von Sabine Weigand kennt und mag wird möglicherweise auch hier seine Freude haben.

James Aitcheson – Der Pakt der Schwerter

AutorJames Aitcheson
TitelDer Pakt der Schwerter
OriginaltitelSworn Sword
ÜbersetzerJochen Stremmel
SerieConquest Band 1
Seitenzahl542
VerlagGoldmann
ISBN978-3-442-47713-5
Bewertung

Inhalt
Dunholm, 1069: Seit drei Jahren steht England unter normannischer Herrschaft, doch nicht alle Engländer akzeptieren ihren neuen König.
Tancred a Dinant ist ein Ritter im Gefolge von Lord Robert de Commines, der kürzlich als Earl von Northumbria eingesetzt worden ist. Doch immer wieder kommt es zu feindlichen Übergriffen.
Als die Stadt von Angelsachsen überrannt wird, kann sich Tancred schwer verletzt nach Eoferwic retten. Doch auch Eoferwic ist nicht sicher, und so erhält er von Guillaume Malet den Auftrag, dessen Frau und Tochter nach Lundene und Malets Kaplan, den Angelsachsen Ælfwold, im Anschluss nach Wiltune zu geleiten. Doch was für eine Botschaft soll überbracht werden? Kann Tancred Malet trauen?

Meine Meinung
Der Pakt der Schwerter ist der Debütroman des noch recht jungen britischen Autors James Aitcheson, in dem die Zeit nach der Eroberung Englands aus normannischer Perspektive betrachtet wird.
Dabei konzentriert sich der Autor auf die Ereignisse, wie sie aus Sicht eines Kriegers geschehen, indem er den Bretonen Tancred die Geschichte erzählen lässt.
Zu Beginn wird der Leser mitten in die Geschichte hineingeworfen. Wer Tancred und seine Gefährten sind erfährt der Leser zum Teil in Rückblicken, abgesehen davon wird nur betrachtet, was um den Ritter herum gerade passiert. Was während Tancreds Reisen andernorts geschieht, erfährt der Leser allenfalls im Nachhinein, wenn Informationen ausgetauscht werden. Dadurch ist der Blick doch recht eingeschränkt, der Gesamtzusammenhang fehlte mir an mancher Stelle und die Kämpfe, in die Tancred hineingerät, erschienen dann doch ein wenig beliebig.
Nicht immer war die Handlung völlig logisch. So trägt Tancred eine tiefe Wunde am Bein davon, doch nur wenige Tage später ist diese völlig verheilt, nur eine Narbe bleibt zurück, und kämpfen kann er auch schon wieder. Und dies ist nicht die einzige Logiklücke. Dennoch erscheint die Geschichte auf mich nicht völlig unglaubwürdig, im Großen und Ganzen hätte die Handlung so wohl stattfinden können.
Tancred als Ich-Erzähler ist eigentlich ein interessanter Charakter. Er vereint klösterliche Bildung mit vielen Jahren Schwertkampftraining, ist dabei aber der Kirche nicht extrem negativ gegenüber eingestellt. Auch ist er seinem Herrn Robert schon lange treu, so dass es ihm schwer fällt, sich anderweitig zu binden. Nicht immer durchdenkt er seine Handlungen bis zum Schluss, sondern handelt oft spontan.
Neben Tancred treten noch viele anderen Charaktere auf, doch schafft es Aitcheson leider nicht, diese durch Tancreds Sicht so zu beschreiben, dass sie Persönlichkeit erhalten. Insbesondere seine Gefährten blieben mir zu blass und austauschbar, die meisten anderen Personen werden nur einseitig beschrieben.
Grundsätzlich ist der Roman recht flüssig zu lesen, an einigen wenigen Stellen tauchen angelsächsische Wörter und Sätze auf, die nicht immer übersetzt werden. Die Bedeutung kann man sich zum Teil herleiten, für das Verständnis sind sie nicht wichtig, jedoch verdeutlichen sie Tancreds Sprachbarriere. Nicht ganz zufrieden war ich allerdings damit, dass die Normannen hier häufig als Franzosen bezeichnet werden, denn während dies in unserer Zeit korrekt ist, handelt es sich im 11. Jahrhundert um völlig unterschiedliche Völker, die nur die gleiche Sprache sprechen. Dies kollidiert zudem damit, dass Ortsnamen in ihrer alten Form verwendet werden. Ob dieser Fehler nun auf eine schlechte Übersetzung oder auf eine ungenaue Wortwahl des Autors zurückzuführen ist kann ich nicht einschätzen.
Wie man es von halbwegs aktuellen Romanen gewohnt ist, weist auch dieser Roman ein wenig Zusatzmaterial auf. Neben einer Karte gibt es eine Auflistung der Orte in mittelalterlicher und aktueller Schreibweise, zudem ist ein Nachwort zu finden, in dem der Autor Fakten und Fiktion trennt.

Fazit
Ein Roman in der Tradition Bernard Cornwells, in dem sehr viel gekämpft und gereist wird. An Cornwell reicht Aitcheson noch nicht heran, doch für einen Debütroman ist dieses Buch nicht schlecht.

Edith Beleites – Claras Bewährung

AutorEdith Beleites
TitelClaras Bewährung
SerieDie Hebamme von Glückstadt Band 2
Seitenzahl285
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-23656-3
Bewertung

Achtung: Enthält Spoiler zu Die Hebamme von Glückstadt

Inhalt
Glückstadt, 1634: Drei Jahre lebt Clara nun schon in der Stadt. König Christian IV. hält eine schützende Hand über sie, dennoch muss sie sich immer wieder gegenüber einigen Personen behaupten. Insbesondere der protestantische Pastor Wördemann und der Apotheker Rumpf legen ihr Steine in dem Weg, und auch Greetje Skipper, eine Laienhebamme, kann es nicht lassen, Clara schlecht zu machen. Zudem gehen die Geschäfte der Hebamme nicht gut, denn viele Geburten gibt es in Glückstadt nicht.
Und so kommt ihr eine Einladung ihrer Freundin Johanna nach Hamburg gerade recht, um ein wenig Abstand zu ihren Problemen zu gewinnen – nicht ahnend, dass sie sich in ihrer alten Heimat in Schwierigkeiten bringen würde…

Meine Meinung
Der zweite Band um die Hebamme Clara schließt nicht direkt an den ersten Band an. Vielmehr sind mehrere Jahre vergangen, ohne dass etwas Nennenswertes geschehen wäre. Noch immer sind sich Clara und der junge Erfinder Willem nicht deutlich näher gekommen, obwohl doch nichts gegen eine gemeinsame Zukunft spricht, Greetje Skipper ist noch immer genauso biestig, und auch sonst hat sich wenig geändert. Clara spaziert noch immer den ganzen Tag in Glückstadt herum und steckt ihre Nase in Dinge, die sie nichts angehen. Dabei ist sie ihrer Zeit weit voraus, wenn sie beispielsweise über die Übertragungswege von Krankheitserregern spricht.
Ihre Freunde sind genau das, nämlich Freunde, die ihr immer zur Seite stehen. Obwohl sie alle einen Beruf ausüben, haben sie immer Zeit, um Clara oder auch ganz Glückstadt zu helfen. Besonders viel Persönlichkeit zeigt keiner der Charaktere, alle auftretenden Personen sind entweder für oder gegen Clara und ihre Neuerungen und Einmischungen.
Die Geschichte plätschert nur so vor sich hin. Eigentlich passiert in den Wochen, die der Roman abdeckt, recht viel – zu viel, um allen Punkten auf knapp dreihundert Seiten gerecht zu werden, und so werden sie wie schon im ersten Band eher oberflächlich abgehandelt. Die Schwierigkeiten, die im Klappentext des Buches erwähnt werden, entpuppen sich zudem bald als gar nicht so gravierend, wie sie beschrieben werden. Und wie schon im ersten Band gibt es auch hier wieder einen Betrugsfall, in den Clara zufällig hinein stolpert und zu dem sie natürlich gleich wichtige Hinweise zur Aufdeckung liefern kann. Nicht alle Ereignisse, die angerissen werden, werden vollständig abgeschlossen. Ich empfinde es als unbefriedigend, wenn sich über nicht gerade wenige Seiten ein Konflikt aufbaut und auf diesen dann plötzlich gar nicht mehr eingegangen wird, er in einem Nebensatz in einem späteren Kapitel abgehakt wird, die Bedrohung innerhalb weniger Sätze in sich zusammenfällt oder aber die Auflösung möglicherweise in einem späteren Band zu finden ist, dies aber nicht explizit zu erkennen ist.
Wenigstens betätigt Clara sich hier über einen großen Teil der Seiten auch tatsächlich als Hebamme, wenn schon nicht besonders häufig während einer Geburt, so doch zumindest mit Vor- und Nachbereitungen, also echter Hebammenarbeit. Im Gegensatz zum ersten Band sind diese Tätigkeiten allerdings eher unspektakulär und ziehen sich zum Teil sehr in die Länge, was bei den wenigen Seiten schon eine Kunst ist.
Auch sprachlich konnte mich dieser Roman nicht überzeugen, denn in diesem Band wird wie schon im ersten fleißig gesiezt. Nicht nur die Bürger siezen sich, auch der König wird so angesprochen und siezt ebenso zurück.

Fazit
Hat mir schon der erste Teil nicht wirklich gefallen, so hat mich der zweite nun davon überzeugt, die Reihe nicht weiter zu verfolgen. Für das Buch sprechen einzig die wenigen Seiten, denn so hat man es schnell hinter sich gebracht. Ich kann keine Leseempfehlung aussprechen.