Archiv des Autors: Rissa

Tanja Kinkel – Das Spiel der Nachtigall

AutorTanja Kinkel
TitelDas Spiel der Nachtigall
Seitenzahl924
VerlagKnaur
ISBN978-3-426-63632-9
Bewertung

Inhalt
Wien, 1194: Nichts ist dem jungen Walther lieber, als Verse zur Musik zu dichten, und so steht er bald in Konkurrenz zu seinem Lehrherrn Reinmar. Doch am herzoglichen Hof ist nicht alles, wie es sein sollte, denn wegen der Gefangennahme König Richards von England zwei Jahre zuvor steht Herzog Leopold unter dem Kirchenbann. Ein Reitunfall hat schwerwiegende Folgen.
Die Jüdin Judith will in Salerno ihre Ausbildung als Medica antreten. Auf der Durchreise geraten sie und ihr Vater, der ebenfalls Arzt ist, auch nach Wien, wo Josef dem Herzog seine Dienste anbietet, doch ist diesem nicht mehr zu helfen. Als Sündenbock kommt Josef den anderen Ärzten gerade recht.
Auf der Suche nach Gerechtigkeit trifft Judith auf Walther…

Meine Meinung
Mit Walther von der Vogelweide und der jüdischen Ärztin Judith treffen hier eine historisch belegte und eine fiktive Hauptperson zusammen. Über den historischen Walther ist jedoch außer seiner erhaltenen Lieder so wenig bekannt, dass auch dessen Darstellung fast vollständig auf Tanja Kinkels Vorstellung zurückgeht.
Beide Hauptpersonen konnten mich in ihrer Darstellung überzeugen. So ist Walther ein nicht ganz einfacher Charakter. Er provoziert gerne, findet überall schnell ein warmes Bett, nutzt sein politisches Fingerspitzengefühl, um gefährliche Situationen oft nur haarscharf zu umgehen und biegt sich die Wahrheit zu seinen Gunsten zurecht. Dabei dient er oftmals als Überbringer von Nachrichten, eine nicht ungefährliche Aufgabe in unruhigen Zeiten. Auch Judith ist nicht die Frau, die man hier vielleicht erwarten würde. Sie ist emanzipiert, was in historischen Romanen zwar nicht ungewöhnlich ist, doch anders als in den meisten ist durch ihre Erziehung, die Ausbildung in Salerno und ihre Lebenserfahrung diese Eigenständigkeit glaubwürdig begründet. Zudem werden auch die Schwierigkeiten, die damit einhergehen, nicht verschwiegen, und auch die Tatsache, dass sie als Jüdin in einer Welt der Christen lebt, stellt sie vor manch schwierige Entscheidung.
Beide Personen agieren für sich, während ihr Weg sich über die Jahre immer wieder kreuzt. Mal haben sie gemeinsame Ziele, mal könnten diese kaum unterschiedlicher sein, und am Ende sind sie doch nur Spielsteine in den Händen der Mächtigen.
Auch andere Charaktere sind vielschichtig angelegt, starre Figuren in festen Rollen oder eine Zuordnung zu gut und böse wird man hier nicht finden.
Die deutsche Geschichte spielt hier nicht nur eine Nebenrolle, vielmehr ist der gesamte Roman sehr politisch. Es geht um die deutsche Krone, die plötzlich zwei Könige für sich beanspruchen, um den Krieg zwischen Welfen und Staufern, politische Intrigen und Propaganda. Einen seichten Frauenroman darf man hier keinesfalls erwarten, denn auch wenn es eine Liebesgeschichte gibt, so steht diese neben den ganzen anderen Ereignissen eher im Hintergrund. Ein gewisses Interesse für die politischen Zusammenhänge sollte man mitbringen, um dem Roman mit Freude folgen zu können. Vorwissen über die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches oder der Nachbarländer ist nicht notwendig, doch schadet es nicht, dieses zu besitzen, denn obwohl Frau Kinkel die Hintergründe sehr geschickt vermittelt, sind diese doch so komplex, dass sich die gut 900 Seiten nicht mal eben nebenbei weg lesen lassen. Dadurch kommt es auch zu gelegentlichen Längen, die mir den Spaß an diesem Buch jedoch nicht nehmen konnten.
An den Schreibstil der Autorin musste ich mich erst gewöhnen, manche Satzkonstruktionen erscheinen unnötig kompliziert, wenn nicht sogar falsch, was mir den Einstieg in den Roman doch sehr erschwert hat. Zudem ist die Wortwahl stellenweise recht derb, was auch zu Walthers Liedern passt, die immer mal wieder in neuer Übersetzung ins Hochdeutsche in den Roman eingebunden sind und in denen kein Blatt vor den Mund genommen wird.
Ergänzt wird der Roman in der Taschenbuchausgabe durch ein Personenregister, dies gleich in zweifacher Ausführung vorne sowie in der hinteren Klappe, sowie ein Nachwort der Autorin zum historischen Hintergrund. Eine Karte anstelle des doppelten Personenregisters wäre hilfreich gewesen, besonders in Anbetracht der vielen Reisen, in meiner Ausgabe ist jedoch keine enthalten, Käufer des Ebooks werden hier leicht bevorzugt.

Fazit
Das Spiel der Nachtigall ist ganz sicher kein Buch nach jedermanns Geschmack, es ist politisch, wenig emotional und sprachlich anspruchsvoll, also keinesfalls ein seichter Liebesroman, wie der Klappentext vermuten lassen könnte. Deshalb eine klare Empfehlung an diejenigen, die sich für deutsche Geschichte interessieren und auch die eine oder andere Länge in der Handlung um Walther und Judith akzeptieren.

Monatsrückblick Mai 2015

Ob ich es wohl jemals schaffen werde, pünktlich auf den vergangenen Monat zurückzublicken? Aber besser spät als nie, und so will ich euch meine Leseerfolge aus dem Mai nicht länger vorenthalten.

Gelesene Bücher
Fünf Bücher habe ich gelesen und zwei davon sogar schon rezensiert! Die anderen werden demnächst folgen, waren sie doch besser als die, die ich rezensiert habe.
Insgesamt bin ich zufrieden, auch wenn Die Täuferin mich leider sehr enttäuscht hat, da hätte ich mehr erwartet. Dafür war Der Schwur des Normannen wieder wunderbar abenteuerlich, und Chadwick hat mich bisher noch nicht enttäuscht.

Elizabeth Chadwick – Die normannische Braut
Christopher W. Gortner – Der Schwur der Königin
Elizabeth Chadwick – Der Falke von Montabard
Jeremiah Pearson – Die Täuferin *FLOP*
Ulf Schiewe – Der Schwur des Normannen *TOP*

Challenges
Da die Re-Read-Challenge beendet ist und ich aus der AAdS-Challenge ausgestiegen bin, sind es nur noch zwei, an denen ich teilnehme. Für beide konnte ich diesen Monat gut Punkte sammeln.
Bis auf Ulf Schiewes Der Schwur des Normannen hatten alle Bücher mehr als 550 Seiten und zählen somit als Wälzer, wenn auch kein extrem dickes Exemplar dabei war. Und zumindest die beiden Chadwicks sind aus dem Blanvalet-Verlag, hier muss ich allerdings noch die Rezensionen schreiben, bevor diese für die Challenge zählen.

Neuzugänge
Hier hat sich recht wenig getan, gerade einmal zwei Bücher sind neu bei mir eingezogen, und eins wurde im Rahmen einer Leserunde schon gelesen. Das zweite Buch dagegen habe ich im Rahmen des Welttag des Buches direkt vom Verlag bekommen, hier habe ich zu den glücklichen Gewinnern gezählt. Bisher hatte ich von dem Buch noch nichts gehört, ich bin ein wenig skeptisch, aber auch gespannt.

Ulf Schiewe – Der Schwur des Normannen
Günter Krieger – Das zweite Leben

Sonstiges
Mein Vorsatz, weniger parallel zu lesen, kann weiter überwiegend eingehalten werden. Es waren jetzt zwar immer noch meist zwei Bücher, aber das eine hat mich stellenweise gar nicht packen können, so dass eben andere Bücher her mussten, bevor ich gar nicht lese.
Mit den Rezensionen hole ich allmählich auf, ich glaube, ihr habt schon gemerkt, dass hier in letzter Zeit wieder etwas mehr los ist als die zwei Monate davor. Das konnte ja auch so nicht weitergehen.

Ausblick
Weiter geht es mit dem Ziel, Bücher, die ich vor Monaten mal angefangen habe, auch endlich abzuschließen. Drei davon liegen auf meinem Stapel. Welche es sind verrate ich besser nicht, sonst ärgere ich mich nächsten Monat wieder, wenn ich es doch nicht geschafft habe, sie durchzulesen. Aber wundert euch nicht, wenn rechts oben demnächst bekannte Bilder erscheinen.
Die Regale stehen inzwischen, die Bodenträger dafür wurden beschafft, die Regalböden entsprechend angebohrt, was nicht gerade unkompliziert war. Jetzt zeigt sich auch, dass ich weiterhin einen Teil meiner Bücher bei meinen Eltern stehen lassen muss, dafür hätte ich wohl noch ein weiteres Regal gebraucht. Fotos gibt es aber dann trotzdem, sobald ich alle Bücher hier habe, die ich auch hier haben will.

Ich wünsche euch einen wunderschönen und sonnigen Juni!

Conn Iggulden – Sturmvogel

AutorConn Iggulden
TitelSturmvogel
OriginaltitelStormbird
ÜbersetzerChristine Naegele
SerieDie Rosenkriege Band 1
Seitenzahl608
VerlagHeyne
ISBN978-3-453-41796-0
Bewertung

Inhalt
England, 1443: Im Gegensatz zu seinem verstorbenen Vater ist Henry VI kein großer Krieger und Stratege, vielmehr ist er sehr gläubig und leicht zu manipulieren. Nicht wenige sehen ihn als schwachen König. Sein wichtigstes Anliegen ist ein Waffenstillstand mit Frankreich, und so beginnt Derihew Brewer, Meisterspion des Königs, mit den Vorbereitungen eines Vertrags: Henry soll Margaret von Anjou heiraten, eine französische Prinzessin, und englische Gebiete auf dem Festland an Frankreich abtreten, im Gegenzug verpflichtet sich Frankreich zu einer begrenzten Waffenruhe.
Doch wird dieser Vertrag ohne das Wissen der Bevölkerung geschlossen, so dass schon bald Aufstände drohen. Richard of York nutzt diese Wirren, um Unterstützer hinter sich zu sammeln…

Meine Meinung
Romane über die Rosenkriege gibt es viele. Dieser Auftakt einer Reihe sticht dadurch aus der Masse hervor, dass er wesentlich früher ansetzt als die meisten anderen. Hier werden die Ursachen beleuchtet, wie es zu dem Bürgerkrieg kommen konnte, der hier selbst noch kein Thema ist. Dennoch spielen große Teile des Romans auf dem Schlachtfeld, Aufstände in England und auch in den abgetretenen Gebieten auf dem Festland machen einen nicht geringen Teil des Inhalts aus. Romantik sollte man hier nicht erwarten, vielmehr wird an ausführlichen Darstellungen blutiger Ereignisse nicht gespart.
Eingeleitet wird der Roman mit einem Prolog, der lange vor der Romanhandlung spielt und eigentlich wenig zu dieser beiträgt, dabei aber für Unkundige eine Erklärung liefert, wie der Anspruch des Hauses York auf die Krone zustande kommt. Zusätzlich gibt es aber noch die eine oder andere Szene, die nichts zum Geschehen beiträgt, beispielsweise ziemlich zu Beginn die Enteignung und Hinrichtung eines Juden, die aber im späteren Verlauf des Romans nicht mehr aufgegriffen wird. Zwar mögen solche Szenen für sich genommen interessant sein, wenn sie aber für die Handlung irrelevant sind kann ich auch gerne darauf verzichten.
Hauptperson dieses Romans ist Derihew Brewer, meist Derry genannt, der Meisterspion des Königs, der viele Fäden in der Hand hält und die Geschicke des Königreichs aus dem Hintergrund lenkt. Er ist Vermittler und Berater, hat seine Augen und Ohren überall, nicht selten ist er auch mitten im Geschehen. In dieser Position muss er immer das Große und Ganze im Auge haben und kann sich nicht auf die Belange Einzelner kümmern, was ihn nicht immer sympathisch erscheinen lässt, wenn er sich für seine ehemaligen Freunde nicht einsetzen kann, und so ist er nicht der große Held, der immer alles richtig macht, sondern ein Mensch mit seinen Fehlern. Auch wenn es sich hier um einen fiktiven Charakter handelt, kann ich mir schon vorstellen, dass es jemanden wie ihn hätte geben können, wenn mich auch die Darstellung dieser Position nicht vollständig überzeugt.
Einige wenige Charaktere sind mir zu einseitig dargestellt. So werden beispielsweise Richard of York und seine Frau Cecily von Beginn an negativ beschrieben, als Menschen, die sich am Leid Anderer erfreuen und nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind.
Der Roman umfasst eine Zeitspanne von etwa neun Jahren. Leider sind so gut wie keine Zeitangaben im Roman enthalten, so dass die zeitliche Orientierung mir sehr schwer gefallen ist oder ich sie auch völlig verloren habe. Dass Conn Iggulden nun, wie im Nachwort angegeben, Ereignisse aus dramaturgischen Gründen zeitlich gestrafft hat, wäre mir aus diesem Grund niemals aufgefallen, umso lobenswerter ist es, dass dies angegeben ist.
Eine weitere Änderung, die mir nicht zusagt, ist dem sehr ausführlichen Nachwort zu entnehmen, nämlich dass Kardinal Henry Beaufort, der zum Zeitpunkt der Romanhandlung eigentlich bereits verstorben war, dennoch seinen Auftritt hat. Darauf hätte der Autor zugunsten der Glaubwürdigkeit gerne verzichten können, hätte es doch genügend Möglichkeiten gegeben, diese Rolle auszuführen.
Abgerundet wird der Roman durch ein ausführliches Personenregister, mehreren Karten und Stammbäumen, so dass kaum noch Fragen zu Abstammung und Verwandtschaftsgraden offen bleiben sollten.

Fazit
Ein etwas anderer Roman über die Ereignisse, die den Rosenkriegen vorausgehen, der mich nicht vollständig überzeugen konnte, mich aber neugierig auf die Fortsetzung gemacht hat. Für Leser, die nicht allzu feinfühlig sind und sich für das Thema Rosenkriege interessieren, durchaus lesenswert.

Jeremiah Pearson – Die Täuferin

AutorJeremiah Pearson
TitelDie Täuferin
OriginaltitelThe Brethren
ÜbersetzerAxel Merz
SerieDer Bund der Freiheit Band 1
Seitenzahl607
VerlagLübbe
ISBN978-3-7857-2537-5
Bewertung

Inhalt
Kunwald in Böhmen, 1517: Kristina ist Mitglied einer Gemeinschaft, die sich die Böhmischen Brüder nennt, deren Ziel es ist, die Menschen im Lesen zu unterweisen, damit diese die Heilige Schrift lesen und verstehen können. Dies ist jedoch der Kirche ein Dorn im Auge, will sie doch vorschreiben, was die Menschen zu glauben haben, und so werden die missionierenden Mitglieder dieser Gemeinde als Ketzer verfolgt.
Zur gleichen Zeit südlich von Wien: Unter den verpflichteten Leibeigenen, die sich auf einem Feldzug gegen die Türken befinden, ist auch Lud aus Giebelstadt, der schon mehrfach im Krieg war und nun die Verantwortung für zwölf Spießträger aus seinem Dorf trägt. Doch sie sind nur Spielbälle in den Händen der Obrigkeit…

Meine Meinung
Als ich von diesem Roman, der den Auftakt einer Trilogie bildet, das erste Mal gehört habe, war mein Interesse sofort geweckt, finde ich die angesprochenen Themen wie Bauernaufstand und Reformation doch sehr spannend. Doch schon bald musste ich feststellen, das dieses Buch nicht ganz meine Erwartungen erfüllen konnte.
So hatte ich erwartet, dass das Buch, wenn es schon diesen Titel trägt, auch von einer Anhängerin der Gruppierung handelt, die auch tatsächlich als Täufer bezeichnet wird. Stattdessen scheint es sich bei dem Titel aber um eine Fehlübersetzung oder -interpretation zu handeln, denn Täufer, auch als Wiedertäufer oder Anabaptisten bezeichnet, gab es zum Zeitpunkt der Romanhandlung noch gar nicht. Stattdessen wird im Roman explizit gesagt, dass es sich um die Gruppierung der Böhmischen Brüder handelt. Nun ist eine Fehldarstellung dieser Art kein allzu großes Problem, über das ich gerne hinweg sehe, wenn denn der Rest stimmt. Leider dämpfen zudem diverse Anachronismen den Lesespaß, so dass meiner Meinung nach von guter Recherche keine Rede mehr sein kann.
Inhaltlich bietet der Roman noch nicht allzu viel, obwohl er mit gut 600 Seiten nicht gerade dünn ist. Bauernaufstand und Reformation sind nicht direkt Thema des Buches, vielmehr wird hier der Grundstein für die Fortsetzungen gelegt. Und so geht es hier überwiegend um den Krieg mit den Türken und machtlose Leibeigene, die der Willkür der Obrigkeit ausgesetzt sind sowie die Verfolgung der Ketzer, die ständig in Angst leben müssen, verraten und hingerichtet zu werden. Und obwohl auch diese Themen Spannung versprechen, kommt diese nur gelegentlich auf, oft genug plätschert die Handlung nur so vor sich hin und verliert sich in Details. Zusätzlich werden noch andere Themen angesprochen, die Pocken in Zeiten des Krieges oder auch die Vertreibung der Juden und Marranen aus Spanien, doch finde ich die Darstellung beider Themen nicht sehr gelungen.
Auch die Charaktere hätten besser dargestellt sein können. Sehr schnell wird klar, welche Rolle hier wem zugedacht worden ist. So ist Kristina die gütige junge Frau, die fest in ihrem Glauben ist, ihr Mann Berthold ein Maulheld, der sich über seine Glaubensbrüder stellt, Lud der äußerlich hässliche, innerlich aber reine Leibeigene, der besonders unter den Hänseleien der Mitmenschen zu leiden hat, und Dietrich Geyer der edle Ritter, der sich, im Gegensatz zu seinen Standeskollegen, für seine Leibeigenen einsetzt. Obwohl ihre Rollen selbst klar definiert sind und sie meist wie vorhergesehen handeln, hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich auch ein wenig Persönlichkeit bei ihnen entdecken konnte und halbwegs mit ihnen warm wurde. Das wurde durch die Vielzahl an Charakteren, von denen man kaum mehr als den Namen erfährt, noch unterstützt.
Der Schreibstil ist für einen historischen Unterhaltungsroman passend, die Übersetzung konnte mich nicht komplett überzeugen, da hier Begriffe verwendet werden, die in der deutschen Sprache nicht üblich sind oder waren, beispielsweise Villani für die Leibeigenen.
Zwar gibt es ein kurzes Vorwort und ein noch kürzeres Nachwort, in denen auf die Mission der Böhmischen Brüder und auf Dietrich Geyer eingegangen wird, doch fehlt eine Erklärung dazu, wie historisch korrekt das Erzählte wohl tatsächlich ist. Ein sehr ausführliches Personenregister und zwei Karten bieten eine sinnvolle Ergänzung.

Fazit
Ein eher schwacher Reihenauftakt, der vermuten lässt, dass die Geschichte erst im zweiten Band so richtig beginnt. Wer etwas über die Gemeinschaft der Täufer lesen will, ist mit diesem Roman nicht allzu gut beraten, wer sich dagegen einfach unterhalten lassen möchte und nicht viel Wert auf historische Genauigkeit und vielschichtige Charaktere legt, könnte möglicherweise seine Freude mit diesem Buch haben.

Vielen Dank an Bastei-Lübbe und Literaturschock für das Leserunden-Exemplar!

Daniel Wolf – Das Salz der Erde

AutorDaniel Wolf
TitelDas Salz der Erde
SerieVarennes-Saint-Jacques Band 1
Seitenzahl1149
VerlagGoldmann
ISBN978-3-442-47947-4
Bewertung

Inhalt
Varennes-Saint-Jacques, Oberlothringen, 1187: Michel de Fleury ist der Sohn eines ehemaligen Leibeigenen, der nach seiner Flucht die Freiheit erlangt hat und zu Wohlstand gekommen ist. Nachdem er einige Jahre in Mailand verbracht hat, wo er eine Händlerlehre absolviert hat, kehrt der junge Mann nach Hause zurück. Doch schnell muss er feststellen, dass seine Heimat sich zum Negativen verändert hat. Nicht nur wird das gemeine Volk von dem Ritter Aristide de Guillory terrorisiert, auch Bischof Ulman, der Herr der Stadt, sorgt für Unmut. Und so wundert es Michel nicht, als er von seinem alten Freund Gaspard Caron in einen Plan eingeweiht wird, um sich des Bischofs zu entledigen. Michel aber ist für eine gewaltfreie Lösung…

Meine Meinung
Bei diesem Roman handelt es sich um den Auftakt einer Serie, die in der fiktiven lothringischen Stadt Varennes-Saint-Jacques zur Zeit Kaiser Barbarossas spielt. Der historische Hintergrund spielt hier nur eine untergeordnete Rolle, der Kreuzzug sowie diverse innenpolitische Themen werden zwar angesprochen, vordergründig geht es jedoch um die kleine Stadt und Michels persönliches Schicksal. Dadurch, dass die Stadt fiktiv ist, hat der Autor große Freiheiten in der Gestaltung und Entwicklung seines Handlungsortes und seiner Charaktere.
Während ich die Darstellung einiger Charaktere wie Michels Bruder Jean oder auch Isabelle Caron sehr gelungen fand, waren mir leider einige der anderen Personen zu platt dargestellt. Michel selbst fällt leider auch darunter, Ecken und Kanten hat er kaum, sein einziger Fehler ist, dass er die falsche Frau liebt. Dabei ist er sehr fortschrittlich, ja geradezu modern eingestellt, was die Stellung der Frau und soziale Verantwortung betrifft. Und auch die Gegenspieler zeigen nicht besonders viele Facetten. So ist Bischof Ulman vor allen Dingen eitel und schert sich überhaupt nicht um das Wohl seiner Stadt, und de Guillory macht sich einen Spaß daraus, die Menschen zu schikanieren, egal, was diese von ihm denken, schließlich steht er über ihnen.
Über einfach gestrickte Charaktere kann ich hinwegsehen, wenn die Handlung mich dafür umso mehr anspricht und in sich stimmig ist. In diesem Fall ist sie nicht allzu kompliziert gestaltet, etwa ab der Hälfte hatte ich den Eindruck, dass es ein paar Wiederholungen gibt: Während Michel eigentlich nur das Beste für seine Heimatstadt will und dafür auch eine Stellung annimmt, die er nie einnehmen wollte, sehen seine Gegenspieler alle seine Handlungen als persönlichen Angriff, weshalb sie immer wieder intrigieren und selbst positive Entwicklungen in der Stadt und dem Umfeld negativ sehen, und so hat mal die Gilde, mal einer der Gegenspieler die Oberhand.
Ein paar Handlungsstränge waren in meinen Augen unnötig, hatten sie doch keine Auswirkungen auf das weitere Geschehen, und auch ein paar eher unlogische Dinge sind mir negativ aufgefallen, beispielsweise der rasante Aufstieg von Michels Familie innerhalb von nur 13 Jahren von Leibeigenen ohne Vermögen zu angesehenen Händlern mit eigenem Haus und Dienstboten oder auch die späte Reue, die diverse Charaktere Michel gegenüber an den Tag legen. Doch sind dies nur Kleinigkeiten, die über die vielen Jahre, die das Buch umfasst, kaum ins Gewicht fallen. Auch war längst nicht alles vorhersehbar, einige Ereignisse wie der Tod der einen oder anderen wichtigen Person hätte ich so überhaupt nicht erwartet, so dass die Handlung bis zum Ende selten langweilig ist. Eine leichte Kürzung und vielleicht die eine oder andere Wendung weniger hätte dem Roman aber sicher nicht geschadet.
Das Buch besticht mit einer hervorragenden Ausstattung. So gibt es Karten von Varennes-Saint-Jacques und Oberlothringen, ein Personenregister, ein umfangreiches Glossar sowie Anmerkungen zum historischen Hintergrund, durch die man ein paar weitere Hintergrundinformationen erhalten kann.

Fazit
Die durchaus spannende Geschichte wird leider durch die schwache Charaktergestaltung und repetitive Handlungen leicht getrübt, langweilig war mir trotzdem zu keinem Zeitpunkt, so dass ich meinen Spaß mit diesem Roman hatte, auch wenn es noch genügend Raum für Verbesserungen gibt. Für Fans von Rebecca Gablé oder Ken Follet einen Blick wert, wer mit Romanen der beiden Autoren allerdings wenig anfangen kann, wird möglicherweise mit Daniel Wolf ebenfalls nicht glücklich werden.