Archiv des Autors: Rissa

Robert Low – Krone und Blut

AutorRobert Low
TitelKrone und Blut
OriginaltitelThe Lion at Bay
ÜbersetzerChristine Naegele
SerieDie Königskriege Band 2
Seitenzahl479
VerlagHeyne
ISBN978-3-453-41181-4
Bewertung

Achtung: Rezension enthält Spoiler zu Der Löwe erwacht
Inhalt
Schottland, 1304: Noch immer kämpft Schottland um seine Unabhängigkeit von England. Doch Robert Bruce, der Earl von Carrick, steht nun auf Seiten der Engländer, nachdem er sich einige Jahre zuvor König Edward unterworfen hat.
Doch insgeheim plant er noch immer, König seines Landes zu werden. Dafür benötigt er allerdings jede Unterstützung, die sich ihm bietet, und sei es durch ein besonderes Reliquiar, das sich plötzlich in Reichweite zu befinden scheint.
Seine Handlanger Henry „Hal“ Sientcler und Roger Kirkpatrick machen sich schon bald auf die Suche, und auch Bangtail Bob und der Hundejunge haben sich ganz der Sache verschrieben. Doch wie kann man die Unterstützung der Anhänger John Balliols gewinnen?

Meine Meinung
Schon den ersten Band dieser Trilogie habe ich mit verwirrend überschrieben, erst nach etwa der Hälfte war ich so richtig in der Geschichte drin, und gegen Ende wurde es dann auch richtig spannend. Ich hatte gehofft, dass Low dann auf demselben Niveau weitermacht und der zweite Band ungefähr dort ansetzt, wo der erste aufgehört hat.
Leider ist dies nicht der Fall und die gleichen Dinge, die ich schon zuvor bemängelt habe, treffen hier wieder zu.
Es beginnt damit, dass Robert Bruce auf Seiten der Engländer gegen William Wallace kämpft. Doch ob er es ernst meint oder ob er die Seiten nur zum Schein gewechselt hat wird nicht ganz klar. Sowieso verwendet Low wenig Energie darauf, die Motivation für die Handlung seiner Charaktere darzulegen, sie tun einfach Dinge, aber oft genug konnte ich einfach nicht verstehen, was das Ziel dahinter war.
So werden Kirkpatrick und Hal Sientcler auf die Suche nach besonderen Rubinen geschickt, und diese Suche nimmt einen nicht geringen Teil des Inhalts ein. Doch warum diese Edelsteine genau gebraucht werden, warum Robert sie unbedingt haben muss, dass deshalb solche Mühen aufgenommen wurden, war mir nicht klar. Das, wofür sie letzten Endes genutzt wurden, hätte man auch anders erreichen können. Im Nachwort wird dann erwähnt, dass diese Edelsteine eine Erfindung Lows sind. Diese vielen Seiten, die mit der Suche nach ihnen gefüllt wurden, hätten wesentlich besser genutzt werden können, um die Charaktere auszubauen oder einfach politische Zusammenhänge ausführlicher und dadurch verständlicher darzustellen.
Insgesamt sind die meisten Charaktere sehr oberflächlich gezeichnet, und wenn sie irgendeine Persönlichkeit besitzen, dann habe ich sie wohl überlesen. Bis auf Hal, der sich um seine große Liebe sorgt und alles tut, um sie aus den Klauen ihres Ehemannes zu retten, und den Hundejungen, der inzwischen fast ein Mann ist und noch immer Hunde über alles liebt, sticht keiner der anderen Charaktere durch irgendwelche besonderen Taten oder Eigenschaften heraus. Wenn einer von ihnen gestorben ist, womit man hier schon mal rechnen muss, hat mich das nicht berührt, es war dann eben einfach ein Mann weniger dabei, der sowieso austauschbar gewesen ist.
Doch auch die Gegner, besonders Malise Bellejambe oder Sir Robert Malenfaunt, sind austauschbar, ihre Motive für die Rache an Bruce und seinen Anhängern sind wenig ausgearbeitet.
An dem Schreibstil beziehungsweise der Übersetzung habe ich nichts auszusetzen, sie sind zweckmäßig und transportieren den Inhalt. Der jedoch konnte mich überhaupt nicht überzeugen, und oft genug musste ich mich regelrecht zwingen, das Buch zur Hand zu nehmen, zu ziellos hat die Geschichte vor sich herumgedümpelt, nur um, wie beim ersten Band, gegen Ende erst wirklich interessant zu werden.
An Zusatzmaterial bietet der Roman ein Personenregister, durch das man einen Überblick über die fiktiven und historischen Personen gewinnen kann. Allerdings wird einiges verraten, was über den Inhalt des Romans hinaus geht, weshalb ich denjenigen, die sich nicht mit der Geschichte Robert Bruce‘ auskennen, nicht empfehle, es genauer anzuschauen. Zudem gibt es eine Karte Schottlands und historische Nachbemerkungen, die einige Begebenheiten noch einmal genauer erklären und auch über Wahrheit und Fiktion aufklären.

Fazit
Leider konnte mich auch der zweite Band der Reihe nicht überzeugen, er hat mich sogar noch verwirrter zurückgelassen, als es der erste Band getan hat, und das, obwohl ich bereits mit den historischen Abläufen grob vertraut bin. Wem der erste Band gefallen hat, der wird wohl auch an diesem seine Freude haben, doch wer sich noch gar nicht mit der Geschichte Schottlands dieser Zeit auskennt, wird hier möglicherweise seine Schwierigkeiten haben, der Handlung zu folgen.

Vielen Dank an den Heyne-Verlag und das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!

Nicole Steyer – Das Pestkind

AutorNicole Steyer
TitelDas Pestkind
Seitenzahl591
VerlagKnaur
ISBN978-3-426-51439-9
Bewertung

Inhalt
Rosenheim, 1648: Die siebzehnjährige Marianne hat es nicht leicht. Wie eine Magd schuftet sie in der Brauerei ihrer Ziehmutter, und von den Städtern erfährt sie nur Ablehnung uns Hass, ist sie doch die einzige Überlebende einer Pestepidemie einige Jahre zuvor und gilt als Unglücksbringer.
Als Marianne eines Tages zwei Männer belauscht, die den Tod ihrer Ziehmutter Hedwig planen, weiß sie nicht, an wen sie sich wenden kann, denn die Mönche des nahegelegenen Klosters haben durch den Krieg mit größeren Problemen zu kämpfen. Doch als Hedwig tatsächlich stirbt, wird deren Sohn Anderl des Mordes verdächtigt. Der Krieg nähert sich mit großen Schritten, und plötzlich findet sich Marianne im Tross der Schweden wieder…

Meine Meinung
Mit Das Pestkind hat Nicole Steyer einen Roman über das Ende des Dreißigjährigen Krieges geschrieben, über die Menschen, die unter dem Krieg leiden, wie auch denjenigen, die von ihm abhängig sind und die gar nicht wissen, wovon sie in Friedenszeiten leben sollen. Parallel dazu werden die Ermittlungen im Mordfall beschrieben, die durch die Mönche vorgenommen werden, um den unschuldigen Anderl zu entlasten.
Mir hätte es besser gefallen, wenn sich die Autorin auf den ersten Handlungsstrang konzentriert hätte, denn die Handlung um Anderl und Pater Franz fand ich einfach unnötig. Abgesehen davon, dass hier wieder bekannte Klischees bedient werden, ist das Ende stark konstruiert, zu viele Zufälle spielen hier mit hinein. Die Zeit und die Seiten hätten eher dafür genutzt werden können, mehr über Marianne zu schreiben.
Hier gibt es nämlich immer mal wieder Lücken von mehreren Wochen, was an sich ja nicht verkehrt ist, wenn nichts passiert, jedoch war mir alles, was hier geschehen ist, doch sehr oberflächlich gehalten. Freundschaften waren eben einfach entstanden, aber diese wurden nur erwähnt und nicht tiefer gehend beschrieben. Vielleicht ist das auch gut so, denn Freunde Mariannes leben gefährlich, und nicht selten sterben sie genauso schnell, wie sie in Mariannes Leben auftauchen. Ist dies die ersten paar Male noch erschreckend, nutzt sich dieser Schockmoment bald ab. Und selbst die obligatorische Liebesgeschichte leidet unter einer gewissen Oberflächlichkeit, ein romantisches Knistern ist nur ganz selten zu vernehmen. Grundsätzlich kann man sagen, dass mich Mariannes Erlebnisse, ihr Freud und Leid, kaum berühren konnten.
Dabei ist die Handlung selbst sehr interessant, denn das Leben im Tross ist nicht nur Kulisse, sondern man erhält schon tiefere Einblicke. Der Zusammenhalt im Tross, entstehende Freundschaften, die Hierarchien, die diese Freundschaften unterbinden wollen, und nicht zuletzt die Motive, die die Soldaten und Offiziere in den Krieg getrieben haben und die Kriegshandlungen selber werden beleuchtet.
Auch die Charaktere bleiben eher oberflächlich gezeichnet, die meisten kann man schon nach wenigen Sätzen ihrer Rolle als Freund oder Feind zuordnen, die sich im Laufe des Romans auch nicht verändert.
Mariannes Rolle als Opfer ist dabei klar definiert, sie ist immer rechtschaffen und muss trotzdem ständig leiden, so dass sie bald selbst daran glaubt, dass sie Unglück bringt.
Einen Teil ihres Unglücks, nämlich ihre Anwesenheit im Schwedentross, verdankt sie Albert Wrangel. Als Offizier im Regiment seines Bruders Carl Gustav fällt er dadurch auf, dass er exzessive Gewalt, besonders Frauen und Kindern gegenüber, ablehnt. Er will Krieg gegen Soldaten führen, nicht gegen Unschuldige.
Sehr negativ gezeichnet sind vor allem der Büttel August Stanzinger, der sich erpressbar gemacht hat, aber auch der Soldat Friedrich, der sich durch Grausamkeit gegenüber Frauen und Kindern auszeichnet und sich auch nicht zu fein ist, Alberts Verfehlungen dessen Bruder zu melden.
Der Schreibstil ist sehr flüssig gehalten, auf sprachliche Besonderheiten wird weitestgehend verzichtet, nur eine Französin bekommt eine grammatikalisch nicht korrekte Sprache in den Mund gelegt. Allerdings ist die Rede davon, dass sich die Deutschen, die aus unterschiedlichen Teilen des Landes kommen, aufgrund ihrer unterschiedlichen Dialekte kaum untereinander verständigen können, was durch die Schriftsprache nicht deutlich wird. Da eine Umsetzung dieser Dialekte in die Schriftsprache aber kaum möglich ist, ziehe ich diese Lösung allen anderen Möglichkeiten vor.
Das Buch weist recht wenig Zusatzmaterial auf, einzig ein kurzes Nachwort und ein kleiner Überblick über die historisch belegten Charaktere finden sich im Anhang. Eine Karte über die Route des Trosses und die letzten Kriegsschauplätze wären allerdings sehr hilfreich gewesen, und ich hätte gerne mehr darüber erfahren, was es mit dem tatsächlichen „Pestkind“ auf sich hatte, ob es tatsächlich die Rolle eingenommen hat, die hier beschrieben ist.

Fazit
Die Handlung um Marianne und den Schwedentross ist grundsätzlich sehr interessant, leidet jedoch unter der Oberflächlichkeit der Charaktergestaltung, die Krimihandlung ist dazu in meinen Augen unnötig. Einen eher seichten Roman mit Schwerpunkt auf der Liebesgeschichte sollte man hier nicht erwarten, für Interessierte am Dreißigjährigen Krieg könnte dieser Roman aber durchaus lesenswert sein.

Ulrike Schweikert – Das Siegel des Templers

AutorUlrike Schweikert
TitelDas Siegel des Templers
Seitenzahl604
VerlagBlanvalet
ISBN978-3-442-36992-8
Bewertung

Inhalt
Pyrenäenpass, 1307: Der Ritter Kraft von Ehrenberg soll einen Tempelritter ermordet haben. Um Buße zu tun, wird er von seinem Beichtvater auf den Jakobsweg geschickt.
Als in Abwesenheit des Vaters merkwürdige Dinge geschehen und die Mutter tatenlos zusieht, entschließt sich das Edelfräulein Juliana, ihrem Vater zu folgen und nach Antworten auf ihre Fragen zu suchen. Um mögliche Verfolger abzuschütteln und die allgemeinen Gefahren zu reduzieren schneidet sie ihr Haar und reist als Junge. Gerne würde sie ganz alleine reisen, doch hat sich eine kleine Reisegruppe zusammengefunden, von denen einige Mitglieder sich recht merkwürdig verhalten und die sie nicht abschütteln kann…

Meine Meinung
Auf den ersten Blick erscheint Das Siegel des Templers als weiterer typischer Hosenroman. Wie bei den meisten Vertretern dieser Gattung werden Probleme, die sich durch diese Verkleidung ergeben, weitestgehend ignoriert, so dass die männlichen Begleiter der jungen Frau keinerlei Verdacht schöpfen. Dies hat mir einen guten Teil der Freude an dem Roman genommen, wird er dadurch doch recht unglaubwürdig.
Durch den ungewöhnlichen Aufbau gewinnt der Roman jedoch wieder ein wenig dazu, denn während die Reise auf dem Jakobsweg von den Pyrenäen bis nach Santiago chronologisch beschrieben wird, werden abwechselnd dazu Kapitel über Erlebnisse aus Julianas Vergangenheit erzählt, die mal viele Jahre zurück liegen, dann aber auch wieder kurz vor der Abreise spielen. Diese Erzählweise kann schon mal verwirren, zumal die Kapitel, die in der Vergangenheit spielen, im Präsens geschrieben sind, während für die spätere Reise die Vergangenheitsform gewählt wurde, jedoch werden so immer wieder aufgekommene Fragen im richtigen Moment beantwortet und die Spannung dadurch hoch gehalten, was durch eine rein chronologische Beschreibung nicht der Fall gewesen wäre. Es erfordert jedoch ein wenig Konzentration und einen Blick auf die Jahreszahl zu Beginn jedes Kapitels, um den Überblick nicht zu verlieren und jedes Puzzleteil an seinen Platz setzen zu können. Zusammengenommen ergeben sie ein grobes Bild darüber, was in der Vergangenheit wirklich geschehen ist und welche Rolle Julianas Vater in der ganzen Geschichte spielt.
Dagegen ist die Beschreibung von Julianas Reise zwar überwiegend spannend, gelegentlich aber auch langatmig erzählt. An manchen Stellen erscheint es mir, als ob die Autorin hier einen Reiseführer über den Jakobsweg im Mittelalter schreiben wollte, mit längeren Passagen, in denen einer der Reisegefährten die Stationen und Sehenswürdigkeiten des nächsten Abschnitts beschreibt. Mir war es etwas zu viel des Guten, das hätte man auch anders umsetzen können. So kamen mir die Reisenden wie Touristen vor, obwohl Juliana doch ihren Vater so dringend finden muss.
Stellenweise war der Roman vorhersehbar, doch immer mal wieder gab es dann, oft durch einen Blick in die Vergangenheit eingeleitet, eine neue Wendung, die ein ganz anderes Licht auf die Ereignisse geworfen hat.
So hatte ich zunächst das Gefühl, es hier doch sehr mit platten, stereotypen Charakteren zu tun zu haben. Da wäre natürlich zuerst Juliana, die locker als junger Mann durchgeht – darüber habe ich mich weiter oben schon ausgelassen. Obwohl sie in ihrer Kindheit viele Freiheiten hatte, kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass sie sich so problemlos in diese Rolle einfinden kann. In den Rückblicken sieht man sie jedoch als das verwöhnte Kind, das ihren Kopf oftmals durchzusetzen weiß.
Ihre Reisegruppe besteht aus zwei Kirchenmännern und zwei Rittern, und alle zeigen in irgend einer Form Interesse an Juliana, so dass sie das Gefühl hat, von allen Seiten bedroht zu werden. Doch nicht alles ist, wie es scheint, und so zeigt sich erst ziemlich am Ende, wer hier mit welchen Motiven auf die Reise gegangen ist. Auch das Ende selbst war so ganz anders als erwartet, was mich doch sehr gefreut hat, zeigt es doch, dass Ulrike Schweikert es nicht nötig hat, bekannten Schemata zu folgen.
Tempelritter selbst spielen in diesem Roman eine untergeordnete Rolle. Sie tauchen hier und da mal auf, abgesehen davon ist der Name des Romans allerdings eher irreführend. Es wird erst ganz zum Schluss deutlich, worum es eigentlich genau bei dem Mord zu Beginn geht und was es mit dem Siegel auf sich hat, wer sich mit der Geschichte der Tempelritter allerdings nicht auskennt, ist möglicherweise auf Aufklärung durch das ausführliche Nachwort angewiesen.
Der Schreibstil war überwiegend gut und flüssig zu lesen, manche Ausdrücke kamen mir jedoch regional geprägt vor und sind mir so in Büchern selten untergekommen. Auffällig ist zudem, dass Städtenamen oft in alter Schreibweise verwendet werden, die aktuellen Namen aber durch Fußnoten deutlich gemacht werden.
Neben dem Nachwort wird der Roman durch ein Personenregister, ein Glossar sowie ein Literaturverzeichnis ergänzt. Eine Karte, durch die man Julianas Weg nachvollziehen kann, fehlt leider – möglicherweise ist sie für diejenigen, die bereits mit dem Jakobsweg vertraut sind, unnötig, mir jedenfalls hätte sie sehr geholfen.

Fazit
Eine überwiegend fesselnde Rahmenhandlung und ein ungewöhnliches Konzept treffen hier mit dem typisch seichten Hosenroman zusammen. Heraus kommt eine Mischung, die ich zwar mit großer Spannung gelesen habe, die mich aber nicht völlig überzeugen konnte.

Maren Winter – Der Stundensammler

AutorMaren Winter
TitelDer Stundensammler
Seitenzahl495
VerlagHeyne
ISBN978-3-453-40146-4
Bewertung

Inhalt
Worzeldorf in der Nähe von Nürnberg, 1502: Severin ist erst elf Jahre alt, doch groß und kräftig gebaut. Eigentlich sollte er seinen Pflegeeltern eine große Hilfe bei der Führung des Hofes sein, doch passt er nicht so recht in die Familie. Sein hohes mechanisches Verständnis sorgt oft für Unverständnis, zudem hat er kein Verhältnis zur Zeit: Immer entrinnt sie ihm und er verpasst oft den richtigen Zeitpunkt.
Als seine Familie ums Leben kommt, gibt sich Severin die Schuld an ihrem Tod, weil er zum Zeitpunkt ihres Todes nicht anwesend war. Und so verbeißt er sich in den Wunsch, eine eigene Uhr zu besitzen, damit er wichtige Momente nicht mehr verpassen kann…

Meine Meinung
Dieses Buch ist wieder ein Beispiel dafür, dass man Klappentexten nicht immer trauen sollte. Der Roman beginnt nicht, wie man auf dem Buch lesen kann, 1492, sondern etwa zehn Jahre später.
Vom allgemeinen Aufbau ist Der Stundensammler ein historischer Roman wie viele andere auch: Die Lebensgeschichte einer mehr oder weniger fiktiven Person wird in historische Ereignisse und das Leben historischer Persönlichkeiten eingebaut. Und trotzdem hatte ich hier das Gefühl, dass dieser Roman doch irgendwie anders ist.
Dies fängt damit an, dass er besonders zu Beginn sprachlich heraussticht, indem sehr häufig mit Begriffen zur Zeit gespielt wird, sodass schnell klar wird, was das Fassen der Zeit für Severin bedeutet und welche Schwierigkeiten er damit hat.
Diese Schwierigkeit wird dem Leser auch dadurch verdeutlicht, indem innerhalb des Romantextes nahezu komplett auf die Nennung von Zeitangaben verzichtet wird. Wie viele Tage, Monate oder Jahre seit dem letzten Kapitel vergangen sind wird nicht erwähnt und ist auch aus dem Zusammenhang nur selten erkennbar, gelegentlich kann man es sich durch die äußerlichen Beschreibungen der Heranwachsenden erschließen. Zwar gibt es eine Zeittafel im Anhang, jedoch ist die Gefahr, sich dadurch zu Spoilern, recht groß, weshalb ich davon abraten würde.
Die Rahmenhandlung des Romans ist durch den Lebenslauf der historischen Personen Herman und Peter Henleins vorgegeben. Dass es einen Severin Henlein gegeben hat, ist durch Dokumente belegt, doch ist über ihn weiter nichts bekannt, weshalb die Autorin hier ihrer Phantasie freien Lauf lassen und Severin nach ihren Vorstellungen gestalten konnte. Und so erzählt Maren Winter hier die spannende Geschichte eines Jugendlichen, der seinen Platz in der Welt sucht, aber nirgends richtig dazugehört, der über eine hohe Intelligenz verfügt, aber durch sein Verhalten immer irgendwo aneckt, dem es schwer fällt, Freundschaften zu schließen und sie auch zu halten, und dem der Besitz einer Taschenuhr mehr bedeutet als alles andere auf der Welt.
Besonders zu Beginn hatte ich meine Probleme mit Severin, ist sein Verhalten doch mehr als nur ein wenig absonderlich. Doch je länger ich mich mit dem Buch beschäftigt habe, um so wahrscheinlicher war es für mich, dass Severin leicht autistisch sein könnte, was es mir erleichtert hat, ihn zu verstehen, auch wenn es ihn nicht unbedingt sympathischer macht.
Auch viele der anderen Charaktere sind keine Sympathieträger. Besonders Peter und Herman Henlein sind richtig unangenehme Zeitgenossen, mit denen sich Severin allerdings mit der Zeit zu arrangieren lernt.
Thematisch liegt der Schwerpunkt dieses Romans, wie schon erwähnt, auf der Erfindung der Taschenuhr, die Peter Henlein zugeschrieben wurde – inzwischen ist sich die Forschung anscheinend nicht mehr ganz sicher, jedoch geht Maren Winter noch von dieser These aus, lässt Severin aber eine Große Rolle darin spielen. Dabei ist diese Geschichte durchweg glaubwürdig beschrieben, trotz oder vielleicht auch gerade wegen Severins Andersartigkeit.
Im Anhang gibt es neben der schon zuvor erwähnten Zeittafel zum Leben der Henleins noch weiteres Zusatzmaterial wie ein Glossar, ein kurzes Personenregister sowie kurzen Erläuterungen zum Handlungsort und zur Erfindung der Taschenuhr an sich. Zudem gibt es zwei Karten zu Nürnberg und der weiteren Umgebung, die leider so gut wie unlesbar sind und so nur der groben Orientierung dienen.

Fazit
Mit Der Stundensammler hat Maren Winter einen weiteren historischen Roman geschrieben, der aus der Masse heraussticht. Empfehlen würde ich ihn technisch Interessierten, die auch Bücher über Hauptpersonen lesen mögen, die nicht gerade sympathisch oder als strahlende Helden beschrieben sind.

Montagsfrage: Ältere Bücher lesen?

Die letzten Tage waren für mich sehr stressig, weshalb es hier doch ein wenig stiller geworden ist. Die heutige Montagsfrage vom Buchfresserchen beantworte ich aber doch sehr gerne.

Montagsfrage von Buchfresserchen

Sie lautet:

Liest du auch Bücher, die nicht aktuell (also in den letzten Jahren erschienen) sind, aber nicht zu den Klassikern zählen?

Aber sicher doch! Bei mir müssen es nicht immer brandaktuelle Bücher sein. Besonders in meinem Genre ist es ja relativ egal, ob ein Buch taufrisch ist oder schon vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren erschienen ist.
Bei mir ist es eigentlich immer eine gute Mischung zwischen älteren und aktuellen Büchern. Im Moment lese ich beispielsweise drei Bücher parallel, davon eins, das gerade erst vor ein paar Wochen erschienen ist, eins von 2007 und eins, das in meiner Ausgabe 1997 veröffentlicht wurde.
Es wäre doch schade, wenn ich mich nur auf die aktuellen Bücher stürzen würde – Neuerscheinungen alleine könnten meinen Buchbedarf auch gar nicht abdecken, dazu erscheinen einfach zu wenige Bücher, die meine Interessen bedienen.
Allerdings sind eher selten Bücher dabei, die vor den 90ern erschienen sind, einfach weil die historischen Romane erst vor etwa zehn Jahren hierzulande einen großen Aufschwung erlebt haben.

Wie sieht es bei euch aus? Muss es immer die aktuellste Lektüre sein oder darf sie auch schon vor Längerem erschienen sein?